09.12.2022
Zwölftausend Quadratkilometer Urwaldverlust
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Die Entwaldung im Amazonasgebiet hat eine alarmierende Dimension erreicht. Während der Amtszeit des nun abgewählten, rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro (Sozialliberale Partei, PSL) stieg die jährlich abgeholzte Fläche deutlich an, wie aktuelle Satellitenbilder zeigen. Der neugewählte, linksgerichtete Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (Arbeiterpartei, PT) verkündete, dass der Kampf gegen den Klimawandel das wichtigste Anliegen seiner nächsten Regierung sein wird.
Das brasilianische Nationale Institut für Weltraumforschung (INPE) wertet regelmäßig Satellitenaufnahmen aus, um das Ausmaß der Waldrodungen im brasilianischen Regenwald zu analysieren. Im November veröffentlichte die Bundesbehörde aktuelle Daten zur Entwaldung in den neun Bundesstaaten der Amazonasregion.
Aktuelle Daten zur Entwaldung im Amazonas
Demnach umfasst die Fläche, die im Amazonaswald innerhalb von einem Jahr abgeholzt wurde, 11.568 km² (Zeitraum 01.08.2021 bis 31.07.2022). Bei den Werten handelt es sich um eine vorläufige Schätzung, wie das INPE erklärt. Die Daten wird die Behörde 2023 aktualisieren, wenn die Satellitenbilder der zweiten Jahreshälfte 2022 ausgewertet sind.
Ein Grund für die verstärkte Abholzung ist vermutlich der geplante Ausbau der Autobahn BR-319, die durch Zentralamazonien von Porto Velho bis Manaus führt. Asphaltierte Straßen haben einen direkten und indirekten Einfluss auf die Entwaldung, wie wissenschaftliche Studien zeigen: „Etwa 75 % der Abholzung findet in einem Umkreis von 50 km beiderseits von Hauptverkehrsstraßen statt.“
Bolsonaro-Bilanz: „Eine Waldverbrennungsmaschine“
In den letzten vier Jahren wurden, durchschnittlich, 1.396 km² pro Jahr abgeholzt, wie das zivilgesellschaftliche Netzwerk Observatório do Clima (OC) in einer Pressemeldung berichtet. Die Organisation bezeichnet den Urwaldverlust als „den größten Anstieg der Verwüstung in der Satelliten-Ära“. OC-Geschäftsführer Marcio Astrini kommentierte die Lage mit den Worten: „Das Bolsonaro-Regime war eine Waldverbrennungsmaschine.“
Vor der Amtszeit des Noch-Präsidenten Jair Bolsonaro, im Vierjahreszeitraum 2015-2018, lag die „Abholzungsrate“ im Durchschnitt bei 7.145 km² pro Jahr. Das bedeutet, dass sich die Entwaldung des Amazonas während der Präsidentschaft Bolsonaros um 59,5 % erhöhte. Die OC-Pressemeldung wirft Licht auf einen weiteren Aspekt: Obwohl die Daten Anfang des Monats vorlagen (3. November), also vor Beginn der UN-Klimakonferenz in Ägypten (6. bis 20. November), wurden diese erst am 30. November veröffentlicht. Während der COP hatte sich die brasilianische Regierung nicht zu dem Thema geäußert.
Ende Oktober: Herausforderer da Silva gewann Stichwahl
Präsidentschaftskandidat da Silva erzielte bei der ersten Wahlrunde 48 % der Stimmen, Noch-Amtsinhaber Bolsonaro 43 %. Da keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreichte, kam es zur Stichwahl am 30. Oktober. Bei dieser setzte sich der Herausforderer durch. Er gewann sehr knapp, mit 50,90 % der Stimmen. Das ist ein Vorsprung von 2.139.645 Stimmen, wie der Oberste Wahlgerichtshof bekannt gab. Während der Wahlkampfwochen gab es unzählige Falschinformationen auf den Plattformen der sozialen Medien, vor allem über WhatsApp, wie verschiedene Medien berichteten. Im Gegensatz zur polarisierten Grundstimmung erschienen „die Fernsehdebatten, in denen Lula und Bolsonaro sich gegenseitig mit Vorwürfen überzogen“, „geradezu gesittet“, beobachtete die Tagesschau.
Mitte November: COP-Besuch
Der ägyptische Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi lud Lula da Silva ein, an der Klimakonferenz (COP 27) teilzunehmen, wie Reuters meldet. Auch der Gouverneur des brasilianischen Bundesstaates Amapa, Waldez Goes, Koordinator einer Delegation von Gouverneuren aus der Amazonasregion, lud ihn ein. Da Silva nahm die Einladung an. Zur COP begleiteten ihn die frühere Umweltministerin Marina Silva und die Umweltberaterin Izabella Teixeira. In seiner Rede, am 16. November bei der Klimakonferenz, verkündete da Silva, dass der Kampf gegen den Klimawandel das wichtigste Anliegen seiner nächsten Regierung sein wird. Außerdem wies der frühere Gewerkschafter darauf hin, ein Ministerium für indigene Völker schaffen zu wollen.
Ab 2023: Nulltoleranz gegenüber Umweltverbrechen?
Am 1. Januar wird Da Silva zum Präsidenten von Brasilien vereidigt. Astrini hat konkrete Forderungen an den designierte brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva: „Wenn Lula will, dass die Zahlen der Waldzerstörung im Jahr 2023 zurückgehen, muss er vom ersten Tag seiner Amtszeit an Nulltoleranz gegenüber Umweltverbrechen zeigen.“ Dazu gehöre auch, „diejenigen vor Gericht zu bringen, die in den letzten vier Jahren, als sie die Regierung stellten, die Umweltpolitik des Landes sabotiert haben", wird er in der Pressemeldung zitiert.