18.11.2022
Dobrindt, der alte RAF-Verleugner
Ein Kommentar von Heinz Wraneschitz
Und Alexander Dobrindt hat es wieder getan: Nachdem der erste Rauch verflogen ist, beharrt er weiterhin darauf, dass „die Entstehung einer Klima-RAF verhindert“ werden müsse. Wie ein kleines Kind, das immer wieder mit dem Fuß aufstapft, auch wenn es nicht recht hat.
Doch Dobrindt ist kein kleines Kind mehr, sondern wie die RAF 1970 geboren. Und aktuell ist er 1. Stellvertretender Sprecher der CDSU-Bundestagsfraktion, da sollte er eigentlich wissen, was die „Rote Armee Fraktion“, kurz RAF war: Eine Terrororganisation, die in den Jahren ab 1970 über 30 Morde an Führungskräften aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung, deren Fahrern, an Polizisten, Zollbeamten und amerikanischen Soldaten verübt hat, für die Schleyer-Entführung, mehrere Geiselnahmen, Banküberfälle und Sprengstoffattentate mit über 200 Verletzten verantwortlich war. 1998 hat sich die RAF offiziell selbst aufgelöst.
Man kann dem CSU-Mann Dobrindt natürlich zugutehalten, dass er womöglich wirklich nicht mitbekommen hat, was in seinen Kleinkindjahren zwischen Null und Sieben außen um Peißenberg in Oberbayern herum so passierte an Mord und Totschlag. Oder er hat einfach von Old Schwurhand gelernt, dem einstigen CSU-Hardcore-Innenminister Friedrich Zimmermann: Der hat einst auf was auch immer geschworen, alles Mögliche schlichtweg vergessen zu haben.
Aber dass er den Unterschied zwischen Mord und zivilem Ungehorsam verstanden hat, das sollte man eigentlich von einem Menschen schon erwarten können, dessen politischer Lebenslauf ihn schon mit 20 in die CSU und in der GroKo 1 sogar auf einen Ministerposten geführt hat. Zumal er ja sogar studierter Diplom-Soziologe ist. Tatsächlich aber fordert Alexander Dobrindt wie erwähnt Gefängnis für Menschen, die sich – ob sinnvoll oder nicht – auf Straßen festkleben oder Öl auf verglaste Kunstwerke spritzen. Wobei Letzteres in Österreich passiert ist, also außerhalb Dobrindts Reichweite.
Das mit dem Gefängnis fürs Straßenfestkleben hierzulande hat seine Bundestagsfraktion aufgegriffen und per Gesetzentwurf in den Bundestag getragen. Laut ZDF solle „die Höchststrafe für das Ankleben auf Straßenkreuzungen auf fünf Jahre erhöht werden. Die Union stützt sich dabei auf Umfragen, in denen kein Verständnis für derartige Aktionsformen gezeigt werde.“
Das ist schlichtweg Populismus – und natürlich ein bewusster Ablenkungsversuch vom tatsächlichen Problem der immer deutlicheren Welt-Klimakatastrophe.
Aber diese Feststellung stammt ja „nur“ von Wissenschaftler:innen, und nicht von bierdümpfligen Stammtischbrüdern aus Dobrindts südbayerischer Heimat. Fest steht indes: Der selbsternannte CSU-Fachmann für Umweltfragen hat als jahrelanger Bundes-Verkehrsminister nichts wirklich für Menschheit, Klima und Umwelt Zukunftsträchtiges auf die Reihe gebracht.
Aber ob er solche ernsthaften Einträge im selbst im Dobrindt`schen Maßstab oft noch populistischeren Facebook zur Kenntnis nimmt, ist zu bezweifeln. „Es schert sich doch keiner mehr um Vorschriften. Blinken, am Stoppschild halten, Parken auf dem Gehsteig! Es wird agiert, wie Pippi Langstrumpf singt: >Ich mach die Welt, wie sie mir gefällt<“, schreibt ein Herbert Eberlein in dem nicht wirklich sozialen Netzwerk. Was der Mann damit tatsächlich meint, das ist jedoch mit Gefahren für Leib und Leben verbunden: Rettungsgassen im Stau auf Autobahnen werden blockiert, Feuerwehrzufahrten in Innenstädten zugeparkt, sodass Menschen sterben, weil Notärzt:innen oder Brandschutzkräfte nicht zum Einsatzort kommen. Dafür – also eigentlich für die Autolobby – tritt Alexander Dobrindt gerne ein.
Aber genau hier hätte er schon als Verkehrsminister und natürlich genauso heute als Fast-Chef der CDSU-Fraktion im Bundestag Gesetzesverschärfungen fordern können, wenn nicht sogar müssen. Denn von Gefängnis ist beim momentanen Bußgeldkatalog für solche Menschengefährdungen durch Auto-Radikale keine Rede, sondern von 300 Euro, zwei Flensburgpunkten und einem Monat Fahrverbot.
Und bei Umweltdelikten? Für das Verschmutzen von oberirdischen Gewässern drohen in Bayern beispielsweise gerade mal überschaubare Bußgelder: Fünf Liter Mineralöl in einen Bach gekippt und damit Millionen Liter Wasser verseucht sowie Tiere und Pflanzen abgetötet, das kostet im Freistaat, aus dem der Ex-Minister stammt, maximal 5.000 Euro.
Doch nein: Diejenigen, welche auf die Zukunftsprobleme unserer Erde hinweisen, wenn auch mit nicht immer sinnvollen Mitteln, aber nichts zerstören: die nennt er Klima-RAF, und die sollen künftig für ihr Engagement ins Gefängnis. Schämen Sie sich für solchen Populismus, Herr Dobrindt!