23.09.2022
Umweltverbände fordern Abkehr von fossilen Energien
Eine Analyse von Jörg Sutter
Die sieben größten deutschen Umweltorganisationen haben einen Aufruf veröffentlicht: Sie fordern darin zur Abkehr von fossilen Energien auf. Der kompakte Aufruf auf acht Seiten nennt sich „Programm der Umweltverbände für die Unabhängigkeit von fossilen Energien“. Doch was wird genau gefordert? Sind die Forderungen angemessen? Wir werfen einen Blick in die Liste.
Absender und Hintergrund
Alle sieben großen Umweltorganisationen stehen hinter diesen Forderungen. Neben dem Deutschen Naturschutzring und dem BUND sind das die Deutsche Umwelthilfe, Germanwatch, Greenpeace, der NaBu und der WWF.
Die Organisationen hängen das Papier an der Frage auf: Hat die neue Bundesregierung die richtigen Entscheidungen getroffen, um die Ursachen von Klima- und Energiekrise wirkungsvoll zu bekämpfen? Als Antwort wird einerseits eingeräumt: Seit Oktober wurde eine Vielzahl von Forderungen der Umweltverbände politisch umgesetzt. Aber gleichzeitig müsse eine Renaissance der fossilen Energien zur Kenntnis genommen werden. Auch die neuerliche Diskussion um eine Verlängerung der Atomkraft-Nutzung wird kritisiert. Die Umweltorganisationen betonen, dass in allen Sektoren politische Erfolge erreicht werden müssten, um die anstehenden Herausforderungen zu schaffen.
Als die wichtigsten Aspekte werden dann aufgelistet:
Gebäudesanierung
Dringend müssten Gebäudestandards definiert werden. Dringend brauche es Mindestenergiestandards, um die energetisch schlechtesten Gebäude zuerst zu sanieren und damit schnelle Erfolge zu erzielen. Betont wird, dass hier nicht weiter gewartet werden dürfe und auch die Förderkonditionen und Fördermittel verbessert werden müssten. Ein sofortiges Erneuerbare-Wärme-Gesetz und eine kommunale Wärmeplanung wird gefordert.
Energieeffizienz in der Industrie
Die Verbände bemängeln, dass bis heute keine verbindlichen Effizienzziele für die Industrie auf dem Tisch liegen. Diese Ziele seien aber nötig und müssten nach Branchen heruntergebrochen werden. Energiemanagement-Systeme sollten verpflichtend werden. Und Mittelstand wie Großindustrie müssten in die Maßnahmen und Ziele einbezogen werden.
Absicherung der Energiewende
Gefordert wird eine staatliche Absicherung der Investitionen, vor allem im Windbereich, um den geplanten Ausbau erreichen zu können. Eine „Windreserve“ soll aufgebaut werden, die sowohl Hersteller als auch konkrete Projekte finanzieren und damit absichern soll. Analoges soll für PV und Wärmepumpen erfolgen. Daneben fordern die Verbände einen raschen Kohleausstieg und die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Solarpflicht.
Verkehr
Eine günstige Fortsetzung des 9-Euro-Tickets sowie die Einführung von Tempolimits und ein Abbau des Dienstwagenprivilegs wird für die Verkehrssparte gefordert. Kritisiert wird das Engagement für ineffiziente E-Fuels, die große Mengen an erneuerbaren Energien benötigen, welche jedoch absehbar nicht verfügbar seien.
Finanzierung
Um genug Geld für die Maßnahmen zu haben, sollten klimaschädliche Subventionen im Verkehrsbereich, also KFZ-Steuer und Dienstwagenregelungen, abgebaut werden. Eine CO2-Bepreisung und die bereits politisch beschlossene Klima-Prämie sollen umgesetzt werden; ein Aussetzen wie aktuell bei der Anhebung des CO2-Preises müsse unterbleiben.
Ökosysteme
Zuletzt wird betont, dass intakte Ökosysteme dabei helfen, CO2 zu binden und die Folgen von Extremwetter zu mindern. Die Wiederherstellung von natürlichen Ökosystemen solle beschleunigt, ein Aktionsprogram dazu in die Umsetzung kommen. Auch die globale Diversität müsse im Auge behalten und mit ausreichend Finanzmittel auch international ausgestattet werden.
Meine Bewertung
Die Forderungen der Verbände sind richtig und treffen zumeist die aktuellen Schwierigkeiten und „Ecken, an denen es hakt“. Die Gebäudesanierung muss angegangen werden. Auch und gerade, weil es eine Herkules-Aufgabe ist.
Auch die stärkere Verpflichtung der Industrie – die sich aktuell durch die hohen Energiekosten ohnehin von selbst erledigt – ist richtig.
Bemerkenswert ist die Forderung zum Ausbau der Windkraft. Waren es doch in der Vergangenheit oft Argumente aus verschiedenen Umweltorganisationen, die diese Investitionen gebremst haben.
Die Forderungen für den Verkehr sind nicht überraschend: Hier werden nur Punkte wiederholt, die von vielen Seiten schon seit längerer Zeit aufgestellt werden. Das gilt auch für die Finanzierungschancen: Wenn Subventionen abgebaut werden, stehen sie für andere Maßnahmen zur Verfügung, unter anderem auch für den Naturschutz und den Erhalt von Ökosystemen.
Was fehlt? Aus meiner Sicht zu kurz gekommen ist, einen Zusammenhang zur im Titel der Studie angesprochenen Energiesicherheit herzustellen. Hier wird weder auf die derzeitige Importabhängigkeit noch auf europäische Zusammenhänge eingegangen. Damit bleibt das Papier ein Stück weit eine nationalstaatliche Betrachtung. Diese adressiert inhaltlich die richtigen Aspekte, bleibt aber ein wenig unvollständig.