10.06.2022
Der Run auf Gas als Reaktion der Ukrainekrise könnte die globale Erwärmung verfestigen
Eine Übersetzung von Matthias Hüttmann
Eine Analyse des Climate Action Tracker (CAT) zeigt, dass der überstürzte Bau neuer Gasinfrastrukturen auf der ganzen Welt infolge des illegalen Einmarsches Russlands in die Ukraine uns entweder in eine unumkehrbare Erwärmung treibt oder zu einer Flut von stranded assets (gestrandete Vermögenswerte) führen wird. Wir haben die Meldung (im Original zum Download) für Sie frei übersetzt:
"CAT hat die Reaktionen der Regierungen auf die globale Energiekrise untersucht und festgestellt, dass die meisten von ihnen planen mehr fossile Energieträger einzusetzen, anstatt andere Maßnahmen zu ergreifen, die ihnen letztlich bei der Dekarbonisierung ihrer Wirtschaft behilflich wären.
„Wir sind dabei, einen globalen „Goldrausch" zu erleben, wenn es um die Förderung von fossilem Gas, Pipelines und Anlagen für Flüssigerdgas (LNG) geht. Damit besteht die Gefahr, dass wir ein weiteres emissionsintensives Jahrzehnt erleben werden und das im Pariser Abkommen festgelegte Erwärmungslimit von 1,5°C nicht erreichen können", sagte Niklas Höhne vom NewClimate Institute, einer Partnerorganisation von CAT.
Neue in der EU (insbesondere in Deutschland, Italien, Griechenland und den Niederlanden) geplante LNG-Anlagen könnten dazu führen, dass die Gasversorgung in der Region um ein Viertel - im Vergleich zu der Reduzierung der Importe aus Russland - erhöht wird.
- Kanada plant zur Ausweitung der Exporte neue LNG-Projekte voranzutreiben.
- Die USA haben ein Abkommen über zusätzliche LNG-Exporte in die EU unterzeichnet.
- Katar und Ägypten haben ähnliche Abkommen mit Deutschland bzw. Italien unterzeichnet.
- Algerien hat ein Abkommen über den Export von zusätzlichem Gas über eine Pipeline nach Italien unterzeichnet.<
- In Afrika werden alte Gaspipeline-Projekte wiederbelebt (z. B. Nigeria), und Länder, die bisher kein fossiles Gas exportierten (z. B. Senegal), werden nun ermutigt, Gas nach Europa zu liefern.
- In den USA, Kanada, Norwegen, Italien und Japan hat die heimische Produktion fossiler Brennstoffe wieder zugenommen. In Großbritannien, Deutschland, Polen und Italien wurden neue langfristige Importverträge abgeschlossen oder verlängert.
Die Welt hat die große Chance verpasst, die Konjunkturpakete nach der Pandemie zu nutzen, um die Dekarbonisierung ihrer Volkswirtschaften zu unterstützen - und jetzt sieht es so aus, als würde sich dies mit der neuen Krise wiederholen", sagte Bill Hare, CEO von Climate Analytics, der anderen CAT-Partnerorganisation.
Es muss sich etwas ändern: Wir können nicht weiterhin auf kurzfristige Ereignisse wie Pandemien oder konfliktbedingte Energieschocks reagieren, indem wir Maßnahmen ergreifen, die die Emissionen erhöhen und die drohende Krise des Klimawandels ignorieren.
Der CAT hat eine Reihe möglicher Maßnahmen als Reaktion auf die globale Energiekrise untersucht, die sowohl gut als auch schlecht für das Klima sind, und aufgelistet, welche Länder Schritte unternommen haben, die zu einer Verringerung der Emissionen führen würden, wie z. B. der Ausbau Erneuerbarer Energien, Energieeffizienz und Anreize für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, und welche Länder Schritte unternommen haben, die die Emissionen erhöhen würden.
Es wurde festgestellt, dass eine Fülle neuer Gasprojekte geplant sind, von denen viele nicht rechtzeitig gebaut werden, um die Energie zu liefern, die die Welt jetzt braucht. Stattdessen würden sie die Emissionen langfristig erhöhen und CO2-intensive Infrastrukturen für Jahrzehnte in der Zukunft festschreiben, was die Bemühungen um mehr Ehrgeiz bis 2030 untergraben würde, die in Glasgow als Priorität vereinbart wurden."
Climate Action Tracker ist eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung, die die Klimamaßnahmen der Regierungen an dem weltweit vereinbarten Ziel misst, die Erwärmung deutlich unter 2°C zu halten und die Bemühungen zur Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C fortzusetzen. Er ist eine Zusammenarbeit der folgenden Organisationen:
Climate Analytics ist eine Non-Profit-Organisation mit Sitz in Berlin, Deutschland, und Büros in Lomé, Togo, New York, USA, und Perth, Australien, die interdisziplinäres Fachwissen zu den wissenschaftlichen und politischen Aspekten des Klimawandels zusammenführt. Ihre Aktivitäten umfassen: die Synthese und Weiterentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse im Bereich der Wissenschaft, Politik und Auswirkungen des Klimawandels; die wissenschaftliche und politische Unterstützung der am wenigsten entwickelten Länder und der kleinen Inselentwicklungsstaaten bei internationalen Klimaverhandlungen sowie die Verfolgung und Analyse der Effektivität nationaler Klimapolitik weltweit.
Das NewClimate Institute ist ein gemeinnütziges Institut, das im Jahr 2014 gegründet wurde. Das NewClimate Institute unterstützt die Forschung und Umsetzung von Maßnahmen gegen den Klimawandel rund um den Globus und deckt dabei die Themen internationale Klimaverhandlungen, Verfolgung von Klimaschutzmaßnahmen, Klima und Entwicklung, Klimafinanzierung und Kohlenstoffmarktmechanismen ab. Das NewClimate Institute zielt darauf ab, aktuelle Forschung mit den Entscheidungsprozessen der realen Welt zu verbinden.