11.02.2022
Offshore-Wind: Wie kommt der Strom an Land?
Ein Bericht von Götz Warnke
Offshore-Windparks spielen eine zentrale Rolle für die Energiewende, und zwar weltweit: Die großen Windturbinen erzielen deutlich mehr Jahresvolllast-Stunden als ihre – zumeist auch kleineren – Pendants an Land. Und sie können auch nächtens oder im grauen Winterhalbjahr jede Menge elektrischer Energie liefern, wenn z.B. die Fotovoltaik schwächelt.
Diese Vorteile erkaufen sie allerdings auch durch einige Nachteile:
a) Sie benötigen lange Stromleitungen, die die Windparks ans Stromnetz auf dem Festland anbinden. In einigen Ländern mit steil abfallenden Festlandssockeln wie z.B. Japan sind diese Leitungslängen insbesondere der Wassertiefe und den schwimmenden Windkraftanlagen (Floating Offshore) geschuldet. In Deutschland hingegen stehen die Anlagen unsichtbar weit draußen vor der Küste, damit der Naturromantiker nicht gestört wird, wenn er seinen Blick vom Ferienhaus oder eigenem Autoparkplatz aufs blaue oder auch nur diesig-graue Meer wendet.
b) Die hohe Leistung der Offshore-Parks kann dazu führen, dass die Windkraftanlagen (WKA) in Zeiten starken Windes und geringen Energiebedarfs (Feiertage, Ferien etc.) abgeregelt werden müssen. Der grundsätzlich dringend benötigte Ökostrom der teuren Anlagen wird dabei bislang meist einfach „vernichtet“, oder anders gesagt: gar nicht erst produziert.
Um das zu ändern, gibt es verschiedene Lösungen, von denen wenige schon im Betrieb, einige im Versuchsstadium, die meisten aber nur Projektentwürfe sind. Hierfür ein paar Beispiele:
NordLink – die zentralistische Fern-Lösung
NordLink ist ein Hochspannungs-Gleichstrom-Seekabel zwischen Nortorf bei Itzehoe und Norwegen. Bei einem Stromüberschuss insbesondere der Offshore-Windparks, die hier in der Nähe ans Stromnetz angebunden sind, kann ein Kabel mit einer Kapazität bis zu 1.400 kW den Strom nach Norwegen liefern. Dort können damit die Wasserspiegel in großen Speicher-Wasserkraftwerken angehoben werden. Wird in Deutschland dagegen Strom benötigt, wird das so gespeicherte Wasser rückverstromt und durch ein parallel liegendes Kabel wieder nach Deutschland geliefert. NordLink wurde im Frühjahr 2021 nach 3 Jahren Bauzeit in Betrieb genommen.
Die dezentrale Vor-Ort-Lösung
Im Rahmen des Projekts StEnSea hat das Fraunhofer IEE zusammen mit mehreren Dutzend Partnern ein unterseeisches Offshore-Pumpspeicherkraftwerk entwickelt. Es besteht aus einer Betonkugel, die in Tiefen bis zu 700 Metern auf dem Meeresboden dicht bei den Windparks platziert wird. Bei Stromüberschuss holt eine elektrische Pumpe das Wasser aus der Kugel, bis darin fast ein Vakuum herrscht. Wird Strom gebraucht, strömt das Wasser durch ein geöffnetes Ventil wieder über eine Turbine ins Innere der Kugel und erzeugt dabei Strom, der dann über die Küsten-Kabel des Windparks ins Festland-Stromnetz eingespeist wird. Ein kleines Exemplar der Kugel wurde 2016 erfolgreich im Bodensee getestet.
Die Tankstellen-Lösung
Eine Boje, an der Schiffe Strom tanken können? Ja, „Stillstrom“ heißt das Projekt, das der Energiekonzern und Offshore-Windpark-Betreiber Ørsted zusammen Maersk Supply Service, einem Betreiber von Schleppern, Arbeits- und Plattform-Versorgungsschiffen, aus der Taufe gehoben hat. Dabei werden Bojen mit Stromkabeln an nahe Windparks angebunden. An diesen Bojen können – in sicherer Entfernung zu den WKAs – elektrifizierte Versorgungsschiffe festmachen und mittels eines eigenen Kabels den Strom in ihre Akkus füllen. Einen Speicher hat die Boje nicht – der Windpark muss also bei Tanken laufen.
Die mobile Lösung
Japan steht bei der Offshore-Windkraft vor besonderen Problemen: nicht nur, dass der steil abfallende Meeresboden die Verankerung und Stromanbindung der schwimmenden WKA-Plattformen erschwert, sondern weil unterseeische Erdbeben und Rutschungen auch leicht die Stromkabel kappen können. Kein Wunder also, dass man hier auf eine weitere Lösung verfallen ist: das Akku-Schiff. „Power ARK 100“ soll der 100 m lange Trimaran heißen und bis zu 200 MWh Strom in seinen Akkus transportieren können, wenn er wie geplant 2025 in Dienst gestellt wird.
Die (wasser-)stoffliche Lösung
Wasserstoff muss/soll natürlich hier auch eine Rolle spielen. Noch das alte Altmaier-Wirtschaftsministerium hatte in seinen letzten Zuckungen entsprechende Meeresflächen für die Wasserstoff-Erzeugung bereitgestellt. Gedacht ist an H2 als Zwischenspeicher, ohne Anbindung per Gasleitung ans Festland.
Die E-Fuels-(Nicht-)Lösung
Im Verbundprojekt PtX-Wind geht es um die Weiterverarbeitung des grünen, mit Offshore-Wind erzeugten Wasserstoffs zu Methan, Methanol oder Ammoniak auf Offshore-Plattformen. Das Projekt befindet sich noch in einem frühen Anfangsstadium; bis die ersten Testanlagen stehen, wird es noch eine Weile dauern. Dennoch sind die kritischen Punkte bereits jetzt absehbar: Die Produktion des Klimagases Methan (Gefahr von Schlupf!), die Umformung zu Methanol und ggf. dessen Verwendung als Treibstoff in Schiffsmotoren sind eine riesige Nutz-Energievernichtung: Von ursprünglichen etwa 100 kWh an der WKA-Welle gewonnener Energie bleiben deutlich weniger als 10 kWh an der Schiffsschraube übrig. Zudem besteht die Gefahr, dass man bei der Methan-Produktion in größerem Umfang langfristig auf CO2 aus CCS (Carbon Capture Storage) zurückgreift, das große Konzerne am liebsten in alten Erdgasfeldern unter der Nordsee speichern würden. Klimaschäden sind damit vorprogrammiert; vom „sauberen“ Offshore-Wind bliebe wenig übrig.
Fazit
Die noch relativ junge, aber sehr leistungsfähige Offshore-Wind-Sparte hat schon jetzt eine Menge an Konzepten entwickelt, um die von ihr erzeugten großen Energiemengen möglichst sparsam und netzdienlich einsetzen zu können. Welche dieser Konzepte sich letztlich durchsetzen, wird die Zukunft zeigen. Sollten Sie, liebe Leser, weitere Ideen haben …