28.01.2022
Mehr Bürgerbeteiligung statt zentraler Großstrukturen bei der Energiewende!
Gastkommentar von Josef Göppel (CSU), MdB 2002-2017, aktuell Vorsitzender des Aufsichtsrates der Regionalstrom Franken eG
Mehr Bürgerbeteiligung in die Sofortmaßnahmen des Bundestages zur Energiewende! Mit dieser Forderung habe ich an diesem Mittwoch an die Mitglieder des Ausschusses für Klimaschutz und Energie des aktuellen Deutschen Bundestages gewandt.
Denn mit dem Start der neuen Bundesregierung ergibt sich die Chance zur entschlossenen Erneuerung unserer Wirtschafts- und Lebensweise, auf die viele junge Menschen schon so lange warten. Dazu hat Minister Habeck in seiner Eröffnungsbilanz der Energiepolitik konkrete Angaben gemacht. Die Worte Bürgerenergie oder dezentral tauchten jedoch in seiner Präsentation kein einziges Mal auf.
Ich hoffe, dass die Abgeordneten darauf achten, dass im EEG nicht nur der rasche Aufbau großer Kapazitäten, sondern die Beteiligung möglichst vieler Bürger als Akteure der regionalen Energiewirtschaft bei Erzeugung und nachbarschaftlichem Verkauf möglich wird. Eine breite Streuung der Wertschöpfung aus erneuerbaren Energien ist der entscheidende Punkt für die dringend nötige Erhöhung ihrer Akzeptanz!
Es wäre fatal, wenn es wieder zu zentralen Großstrukturen mit anonymen Eigentümern käme, nur diesmal auf Basis der Erneuerbaren. In einer modernen Gesellschaft brauchen wir das aktive Handeln vieler und nicht passive Konsumenten. Hermann Scheer, ein Gründervater des EEG, wies immer wieder auf breite Beteiligungen im Wirtschaftsleben als Voraussetzung für den Erfolg der Energiewende hin. Seit 2009 ging es dabei leider kontinuierlich abwärts. Die schwungvoll begonnene Energiewende blieb durch bürokratische Einschnürungen der Kleinakteure und verpflichtende Ausschreibungen stecken. Flächenakquise und Projektplanung gerieten schnell in die Hand professioneller Großprojektanten; Handwerker und örtliche Mittelständler wurden aus dem Markt gedrängt.
Dabei sind die europarechtlichen Voraussetzungen für eine breite Bürgerbeteiligung seit 2018 mit der «Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen» eindeutig positiv! Am 21. Dezember 2021 legte die EU-Kommission mit neuen «Leitlinien für staatliche Energiebeihilfen» sogar noch einmal nach, indem sie Bürgerenergiegemeinschaften weitgehend von der Pflicht zur Teilnahme an Ausschreibungen freistellte. Umgesetzt wurde bisher nur die Befreiung bis zu 30 kW von der EEG-Umlage.
Meine konkreten Vorschläge für das angekündigte Osterpaket:
1. Strom vom Dach muss steuerfrei sein! Das wird zuverlässig zum gewünschten Aufschwung des Zubaus führen. Strom wird bisher als einziges Produkt der Volkswirtschaft bei Eigenerzeugung und eigenem Verbrauch mit Abgaben belastet. Selbst die Mehrwertsteuer wird nicht nach Erzeugungskosten mit 5 Ct, sondern nach «gesparten Strombezugskosten» mit 30 Ct berechnet!
2. Praktisch alle Mitglieder der Regionalstrom Franken eG setzen auf den Vorrang von Eigenverbrauch. Ihre Überschüsse möchten die meisten zum Marktpreis in regionale Netze verkaufen. Kleinerzeuger sollen durchaus mit dem Marktwert auskommen, müssen aber gleichzeitig von Abgaben und überzogenen technischen Auflagen befreit werden.
Bisher greifen im Moment der Wahl der «Sonstigen Direktvermarktung» sofort Viertelstundenmessung und Fernsteuerbarkeit nach § 10b EEG ohne Rücksicht auf die Anlagengröße. Dachanlagen können jedoch an den Verknüpfungspunkten mit dem Ortsnetz nach Standardlastprofilen zeitgenau gesteuert werden. Intelligente Messsysteme mit 1/4-Stundenmessung bei der Einzelanlage sind dafür nicht erforderlich.
Für die Teilnahme von Kleinmengen am Stromhandel ist außerdem eine allgemeingültige Vermarktungsregelung unabdingbar. Nur sie kann teure Provisionen an Aggregatoren erübrigen.
3. Herkunftsnachweise mit dem Prädikat «CO2-frei erzeugter Grünstrom» muss das Umweltbundesamt für Erzeugerplattformen gesammelt und ohne jährliche Gebühren ausstellen.
4. Mieterstrom muss der Eigenversorgung gesetzlich gleichgestellt werden. Nur so kommt es zu einer breiten Bürgerbeteiligung in Mietsgebäuden. Die Dachflächennutzung von Mietshäusern ist ein entscheidender Hebel für mehr Klimaschutz. Die EU-Energierichtlinie sieht „kollektiven Eigenverbrauch“ in Mehrparteiengebäuden und Gebäudekomplexen ausdrücklich vor.
5. Das Europäische Recht verankerte auch „Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften“ als eigenständige Wirtschaftsakteure. Solche Organisationen dienen „keinem rein kommerziellen Zweck“, sondern primär „dem Nutzen der Mitglieder und der Umgebung in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht“. Die Kontrolle ihres Betriebs soll durch Anteilseigner und Mitglieder erfolgen, die in der Nähe ansässig sind.
Schöner lässt sich die deutsche Genossenschaftstradition nicht beschreiben! Müssen wir wirklich auf Brüssel warten, um mehr Bürgerbeteiligung zu bekommen?
Bürgergemeinschaften haben nach der Richtlinie von 2018 ebenso wie Eigenverbraucher das Recht, Energie nicht nur zu erzeugen, sondern auch zu speichern, innerhalb der Mitglieder zu teilen oder an Dritte zu verkaufen!
6. Das europäische Recht zeigt schließlich auch den Weg zur jahrelang verschobenen Lösung der Speicherproblematik auf. Mit Eigenerzeugungsanlagen zusammengeschaltete Speicher sollen ohne Doppelbelastung durch Gebühren, Abgaben und Netzentgelte betrieben werden können.