09.07.2021
PVT - eine wenig beachtete Flächensynergie
Ein Bericht von Götz Warnke
In der vergangenen Woche haben wir uns in den DGS-News mit den Grenzen der Öko-Energie beschäftigt. Ein Punkt dabei war der Flächenbedarf von Erneuerbaren Energien einerseits, und die Einschränkung potentieller Flächen durch andere Faktoren andererseits. Ein Beispiel dafür wären Floating-Offshore-Windparks mitten im Atlantik, die zwar exzellente Windbedingungen hätten, aber wegen der Anbindung ans Stromnetz und des Wartungsaufwandes unverhältnismäßig teuer werden würden. Ähnliche Probleme gibt es aber bereits in unseren Gefilden: Während man elektrischen Strom mit modernen Techniken (HGÜ) auch über weite Strecken relativ verlustfrei transportieren kann, schafft man es bei der Wärme gerade – maximal und abhängig von nicht zu hohen Temperaturen – über ein 25stel solcher Strecken; daher sollte Wärme immer verbrauchernah produziert werden.
Die solaren Lösungen für Strom und Wärme sind bekanntlich Photovoltaik (PV) und Solarthermie (ST). Nun kann man sich selbstverständlich beide Techniken aufs Dach packen, und damit alle Sektoren abdecken. Das Problem dabei ist die Dachfläche, die im Verhältnis zur versorgenden (Wohn-)Fläche immer mehr abnimmt, weil wegen Nachverdichtungen, steigenden Grundstückspreisen etc. immer mehr Nutzfläche auf die gleiche Grundfläche gebaut wird. Das führt dann häufig zu Entweder-Oder-Entscheidungen zwischen PV und ST. Eine Möglichkeit, dieses ausschließende Entweder-Oder zu durchbrechen, ist das Konzept der Flächensynergie. Hierbei geht es darum, die selbe Fläche gleichzeitig für verschiedene Energienutzungen einzusetzen, und zwar möglichst so, dass alle Nutzungsformen davon profitieren.
Als Flächensynergietechnik im Bereich der solaren Energien gibt es die Hybridkollektoren, PVT genannt, ein Name, der sich aus den Kürzeln PV und ST zusammen setzt. Dabei wird ein PV-Modul auf einer ST-Einheit montiert. Als Vorteile für die PV-Seite ergibt sich eine Kühlung in der Sommerhitze, wodurch die Erträge gesteigert werden, sowie eine Abtaufunktion im Winter, wodurch die PV-Module schnee- und eisbefreit im klaren Wintersonnenschein schnell wieder ihre Leistung liefern können. Als Vorteile für die ST-Seite ergibt sich ein gewisser Schutz vor überhohen (Stagnations-)Temperaturen und die Chance, durch ihren Einsatz die notwendige Wärmewende voran zu bringen, sowie ihren Platz auf dem Dach gegen das starke Team Stromwende und Emobilitätswende zu behaupten. Und der Nutzer vermeidet Entweder-Oder-Entscheidungen, und genießt statt dessen die Erträge aus beiden Systemen.
Welche Arten von PVT-Kollektoren gibt es nun? Es sind praktisch die gleichen Systemauslegungen, wie wir sie auch bei der Solarthermie finden.
- 1. Zum einen ist das primäre Wärmeträgermedium Luft. Diese wird ins Haus geführt, und dort entweder direkt für die Raumwärme genutzt, in einem Wärmetauscher auf Wasser übertragen, oder speist eine Wärmepumpe; ganze PV-Fassaden von Hochhäusern ließen sich so nutzen. Solche PVT-Luftkollektoren haben insbesondere in Frankreich einen hohen Marktanteil.
- 2. Zum anderen wird natürlich Wasser bzw. ein Wasser-Glykol-Gemisch als Wärmeträgermedium eingesetzt, wie man es von den konventionellen ST-Kollektoren her kennt.
- 3. Schließlich existieren erste konzentrierende PVT-Kollektoren die zumeist noch im Entwicklungsstadium sind. Ihr Anteil am PVT-Markt liegt unter ein Prozent.
Dazu gibt es verschiedene Ausführungen des Kollektors, die sich sowohl bei den luft- als auch bei den wasser-moderierten Kollektoren finden: Nicht abgedeckte und abgedeckte Kollektoren. Erstere, sind einfacher aufgebaut, haben weniger Dämmung (keinen Kollektorkasten) und höhere Wärmeverluste – sie dienen in erster Linie der PV-Kühlung, und nur in zweiter Linie der Wärmeerzeugung. Abgedeckte Kollektoren hingegen, die eher einem konventionellen ST-Kollektor ähneln, zielen auch deutlich auf Wärmegenerierung.
Einige Kollektor-Designs nutzen zudem die (nächtliche) Energie aus der Luft zur solarthermischen Wärmegewinnung.
Wichtig ist bei allen Ausführungen, dass die Wärmeübertragung zwischen dem Frontpanel und dem Kollektor gut funktioniert.
Wofür lassen sich nun die Hybridkollektoren einsetzen? Klar ist, dass das hier erzeugte Temperaturniveau sich nicht für industrielle Wärme, heiße/warme Wärmenetze und die pure solarthermischen Wärmeversorgung eines konventionellen, ungedämmten Hauses passt. Besser sind Hybridkollektoren für Passivhäuser mit Niedertemperaturheizungen und Wärmepumpen geeignet. Unabdingbar ist zudem ein saisonaler Wärmespeicher.
Wenn PVT-Systeme aber doch eine sinnvolle solare Sektorenkoppelung und Flächensynergie darstellen, warum haben sie sich dann bisher nicht am Markt durchgesetzt? Die Antwort hängt wesentlich mit der völlig unzureichenden Sanierungsrate bei (Wohn-)Gebäuden von einem Prozent pro Jahr und der verschleppten Wärmewende in Deutschland zusammen. Geringe Sanierung – der Neubau ist zahlenmäßig zu vernachlässigen – bedeutet geringe Nachfrage, geringe Produktionszahlen und damit hohe Einzelstückpreise. Und auch die Überwindung der Trennung zwischen den Gewerken Elektrik (PV) und Heizungstechnik (ST), die für den Durchbruch der PVT hilfreich wäre, wird sich so kaum in absehbarer Zeit umsetzen lassen.
Würden diese Probleme gelöst, dürfte sich die technische Fortentwicklung im PVT-Bereich beschleunigen. Ansätze gibt es schon im Bereich der konzentrierenden PVT-Kollektoren, aber auch darüber hinaus. So konstatiert DGS-Mitglied Professor Wolfgang Moré, der sich seit vielen Jahren mit dem Thema beschäftigt: „Mit HJT-Solarzellen als Absorber wird ein in die wärmedämmende Gebäudehülle integrierter Solarkollektor für die Sektorenkopplung effektiv und wirtschaftlich, wenn Hersteller den Mut zu dieser Innovation haben.“