21.05.2021
Schnell noch ein, zwei Gesetze
Eine Analyse von Jörg Sutter
Kurz vor Ende der Legislatur wird das Klimaschutzgesetz von der Bundesregierung nachgebessert. Die vom Bundesverfassungsgericht dafür gesetzte Frist läuft eigentlich bis Ende 2022, so dass das auch von einer neuen Bundesregierung zu erledigen gewesen wäre. Allein: Es mehren sich die Zeichen, dass die Bundestagswahl im Herbst eine Klimawahl werden wird. Die Regierungsparteien wollen deshalb im Wahlkampf nicht angreifbar mit leeren Händen dastehen, sondern zeigen: „Wir haben schon alles Notwendige erledigt“. Und so wurde in Rekordzeit vom Bundesumweltministerium ein Änderungsentwurf zum Klimaschutzgesetz mit einem Umfang von 25 Seiten vorgelegt, der eigentlich auch schon ins Parlament kommen sollte, doch in dieser Woche nicht wie erwartet auf die Tagesordnung genommen wurde.
Was steht drin? Die ersten Eckpunkte wurden schon in der Vorwoche bekannt: Das CO2-Klimaschutzziel wird auf 65 % bis 2030 angehoben, für 2040 gilt es, 88 Prozent zu erreichen und bis 2045 soll Klimaneutralität herrschen – zumindest in der Netto-Betrachtung. Der vorliegende Gesetzentwurf nennt den Hintergrund der Aktivität des Gesetzgebers direkt beim Namen: Mit dem Entwurf soll der BVerfG-Beschluss beantwortet werden, es geht nicht um neue Erkenntnis der Notwendigkeit des Klimaschutzes.
Mit dem Gesetz soll das vom Verfassungsgericht bemängelte Fehlen von CO2-Minderungszielen nach 2030 behoben werden, im Entwurf werden nun auch Sektorenziele für die Jahre 2030, 2040 und 2045 für die Land- und Forstwirtschaft eingefügt. „Indem das Gesetzgebungsvorhaben schon kurz- bis mittelfristig zu mehr Klimaschutzmaßnahmen führen wird, verhindert es eine unverhältnismäßige Verlagerung der Treibhausgasminderungslasten und damit einhergehenden Freiheitseinbußen in die Zukunft und auf spätere Generationen“, so das Umweltministerium im Gesetzentwurf. Damit ist die Kritik des Gerichtes pariert.
Reicht das aus?
Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht aus Würzburg meint: „Das Klimaschutzgesetz macht keinen Klimaschutz. Dazu brauchen wir Maßnahmen“. Er hält das Gesetz für ausreichend aus Sicht der Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes. Doch ohne damit verbundene konkrete Maßnahmen taugt es nicht für echten Klimaschutz. Die Hoffnungen vieler Aktivisten, dass mit der Forderung des obersten Gerichtes jetzt auch im gleichen Atemzug die Energiegemeinschaften gefördert, die EE-Ausbauziele hochgesetzt und die 10H-Regelung für die Windkraft beseitigt wird, sind also geplatzt.
Spannend ist auch der Erfüllungsaufwand, der bei jedem Gesetzentwurf getrennt für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung genannt werden muss. An der Stelle erwartet man nun eine Abschätzung der Kosten für die zusätzlich neu einzusparende CO2-Menge und die Angabe vieler Millionen Euro - aber: Fehlanzeige. Gemäß Gesetzentwurf entsteht kein Erfüllungsaufwand für Bürger, Wirtschaft und Bundesverwaltung. Keiner, kein einziger Euro ist dort genannt. Nanu? Gibt es damit Klimaschutz zum Nulltarif? Natürlich nicht, diese Formulierung deutet auf das Problem hin, das auch gleich nach Veröffentlichung von mehreren Seiten kritisiert wurde: Das Gesetz definiert neue Ziele, aber keinerlei Weg, wie diese zu erreichen sind. Deshalb darf der Erfüllungsaufwand blauäugig mit Null angesetzt werden. Umständlich, unbequem und vielleicht teuer werden erst die konkreten Maßnahmen, die folgen müssen, um die definierten Ziele zu erreichen. Das ist auch ein politischer Schachzug: Das Image des „Machens“ will die aktuelle Regierung mitnehmen, die unangenehme Diskussion der Maßnahmen mit den Bürgern wird großzügig der zukünftigen Regierung überlassen.
Hektische Untätigkeit
Auch wenn damit keine konkreten Maßnahmen beschlossen sind und hier politisch weitere Schleifen gedreht werden müssen: Die Verschärfung der Ziele zumindest kann nun nicht mehr einfach zurückgenommen werden. Klimaschutz ist auf dem Vormarsch.
Doch selbst bei den zukünftigen Minderungszielen lässt sich die Regierung noch Zeit, obwohl diese mit dem Gesamtziel der Netto-Neutralität 2045 ja eigentlich heute schon berechnet werden könnten. „Spätestens im Jahr 2032 legt die Bundesregierung einen Gesetzgebungsvorschlag zur Festlegung der jährlichen Minderungsziele für die Jahre 2041 bis 2045 vor“, so der Gesetzentwurf. Für welche komplizierte Berechnung nun 10 Jahre Zeit oder Abwarten benötigt werden, wird nicht erläutert. Und noch ein Beispiel für die hektische Untätigkeit der Regierung: Im begleitenden Beschluss „Klimapakt Deutschland“ zum Klimaschutzgesetz wird ausgeführt: „Zur Finanzierung eines Teils der Ausgaben für den Klimaschutz wird der Abbau klimaschädlicher Subventionen geprüft.“
Unverbindlicher gehen politische Formulierungen nicht.
Aktuelle Änderungen zum EEG und weiteren Gesetzen
Um doch nicht ganz ohne Maßnahmen dazustehen, wird auch das EEG nochmals ergänzt. Zugegeben: Es geht dabei hauptsächlich um die Konkretisierung beim Wasserstoff, die im Entwurf des EEG Ende 2020 nicht mehr aufgenommen werden konnte. Zusätzlich werden noch kleine Korrekturen vorgenommen, die aber kaum inhaltliche Änderungen bewirken. So werden etliche handwerkliche Formulierungs- und Verweisfehler korrigiert. Es ist ansonsten nicht damit zu rechnen, dass hier im kurzen parlamentarischen Verfahren in zwei Wochen noch Änderungen, etwa bei den Ausbauzielen nachgelegt werden, dabei wäre eine Anpassung so einfach.
Bruno Burger vom Fraunhofer ISE aus Freiburg hat das Volumen der Erneuerbaren Energien mit der neuen Zielsetzung bis 2030 in Deutschland auf 200 GW Photovoltaik, 144 GW Wind und 84 GWh Kurzzeitspeicher berechnet. Und einen Tipp zur Umsetzung hat er dem Staatssekretär Thomas Bareiss über Twitter direkt vorgeschlagen: Bei den Ausbau-Korridorzielen der Photovoltaik im EEG schlicht in den nächsten Wochen noch jede Zahl einfach verdoppeln. Der Korridor der Basisdegression läge dann zwischen 4.200 und 5.000 MW Zubau pro Jahr, der Ausbau würde beschleunigt. Noch nicht auf die notwendigen 10 bis 15 GW pro Jahr, aber als Sofortmaßnahme wäre das durchaus anerkennenswert.
Der Gesetzentwurf der EEG-Verordnung dreht sich zum Großteil um Wasserstoff, dessen Erzeugung ja von EEG-Umlage befreit werden soll. Und sogleich ist der Biogasrat empört: Im Referentenentwurf wird eine Definition von „grünem Wasserstoff“ eingeführt, der klarstellt: Grün ist, was aus Elektrolyse und erneuerbarem Strom stammt. Der Biogasrat setzt dagegen: Auch „biogener Wasserstoff ist grüner Wasserstoff!“. Etablierte technologische Verfahren wie die Dampfreformierung von Biogas/Biomethan, aber auch andere Verfahren wie z.B. die Plasmalyse würden diskriminiert. Ähnlich beklagen sich auch die Stadtwerke München über den Entwurf.
Weiterhin ist dem Gesetzgeber aufgefallen, dass es vielleicht auch für rund 400 Kleingülleanlagen der Biogaserzeugung noch eine Ü20-Regelung für ausgeförderte Anlagen bedarf, diese wird nun festgeschrieben, um hier zukünftig einen Rückbau der Anlagen zu verhindern.
Solaranlagen und Marktstammdaten
Im Solarbereich werden Ausschreibemengen der Innovationsausschreibungen heraufgesetzt (z.B. besondere Anlagen von 50 auf 150 MW) sowie Anforderungen an Speicher konkretisiert. Für Agri-PV-Anlagen werden ausdrücklich landwirtschaftlich genutzte Flächen aufgenommen, auf denen Obstbau erfolgen kann, da diese Flächen besonders interessant sein können.
Die Eintragungsfristen für Bestandsanlagen im Marktstammdatenregister werden noch verlängert „da sich die bisherige Registrierungsfrist aufgrund der großen Vielzahl betroffener Akteure als zu kurz erwiesen hat“, so der Gesetzentwurf: Wer also vor dem 01.07.2017 eine PV-Anlage aufgebaut hat, kann sich nun doch bis zum 30. September 2021 Zeit lassen mit der Registereintragung seiner Anlage. Und auch Stromspeicher gelten bis zu diesem Zeitpunkt „als registriert“
Keine weiteren Maßnahmen vor der Wahl im Herbst?
Ist nun mit keinen weiteren konkreteren Maßnahmen vor Ende der Legislatur zu rechnen? Im Solarbereich nicht, denn es gibt gerade noch zwei Sitzungswochen im Juni, in denen das Parlament Beschlüsse fassen kann, bevor es in die Sommerpause und in den Wahlkampf geht. Was heute noch nicht in Textentwürfen gefasst ist, wird nicht mehr beraten und entschieden werden können. Insbesondere eine Umsetzung von weiteren Punkten der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie – Stichwort gemeinschaftliche Eigenversorgung -, für die die Umsetzungsfrist Ende Juni endet, ist daher nicht realistisch. Der Sitzungsbetrieb des neuen Bundestages startet dann übrigens erst wieder am 8. November 2021.
Eine weitere konkrete Maßnahme soll aber an dieser Stelle nicht unterschlagen werden: So hat der Umweltausschuss des Bundestages in dieser Woche einen Kompromiss zur Fortentwicklung der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) gefunden, diese soll bis 2030 auf 25 Prozent steigen, bislang waren 22 Prozent als Ziel festgelegt. Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) freut sich, denn damit werden Investitionen in neue Biokraftstoff-Produktionen wahrscheinlicher. Die THG-Quote verpflichtet die Mineralölindustrie, die CO2-Emissionen zu senken. Optisch nur 3 Prozent Differenz, in absoluten Zahlen geht es aber um eine damit verbundene Einsparung von 50 Mio. Tonnen Treibhausgasen.
Und auch in anderen Themenfeldern werden noch Nägel mit Köpfen gemacht, wenngleich die Nägel krumm sind: So hat das Kabinett in Berlin Änderungen der Ladesäulenverordnung beschlossen, doch diese sind umstritten: Es soll zur Zahlung neben Ladekarte oder App auch ein Kartenleser für Debit- oder Kartekarte in öffentlichen Ladesäulen verpflichtend eingebaut werden. Der BDEW warnt vor Ausbremsung, da hierfür noch gar keine eichrechtlich zugelassenen Geräte am Markt sind und die Zertifizierungen zu lange dauern. Doch die Finanzwirtschaft wollte sich dieses Zukunftsgeschäft nicht wegnehmen lassen und hat entsprechende Regelungen nun ins Gesetz „hineinlobbyiert“.
Dazu ein passender Veranstaltungshinweis
Seminar am 14.06.2021 in Nürnberg
Das EEG 2021: Die wichtigsten Neuerungen zu EEG, EnWG, Stromsteuergesetz, Smart Meter Rollout und bei VDE AR 4105 und 4110