07.05.2021
#Klimamontag: „Wie sieht denn ein Klimaschutzgesetz aus, das Paris-kompatibel ist?“
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Ein neuer Monat hat begonnen und somit versammelten sich viele Klimabewegte abends am „Klima-Montag“ nördlich der Weltzeituhr am Alexanderplatz. Aktivisten von Berlin4Future organisieren diese „Klimademo für Berufstätige“. Diesmal sprachen die Referenten vor allem über den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts und über Klimaschutzinitiativen in der Hauptstadt. Live-Musik gab es auch – und den monatlichen Negativpreis.
Als Erste sprach Baro Gabbert. Mit der Veröffentlichung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts sei am Donnerstag „etwas historisches passiert“, sagte die angehende Juristin. Denn das höchste unabhängige Verfassungsorgan der Justiz habe mit dieser Entscheidung gesagt: „Die aktuelle Klimaschutzgesetzgebung ist so wie sie ist verfassungswidrig“. Das Publikum applaudierte. Die Klimaaktivistin von „lawyers for future“ erzählte, dass sie seit Donnerstag gar nicht aufhören könne, sich zu freuen – „vor allem als junger Mensch“.
Verfassungsrechtlich geklärte Klimafragen
Für Gabbert sei die Entscheidung ein „riesiges Gesamtkunstwerk, inhaltlicher, aktivistischer und demokratischer Art“. Nun sei „Schluss mit Politik und Gesetzgebung, die nicht mit unserer Verfassung und nicht mit den Paris-Zielen vereinbar ist. Das ist das wichtigste, was uns überhaupt in dieser Entscheidung passieren konnte“, so Gabbert. Ihrer Meinung nach habe es nicht gereicht, dass viele Menschen für Klimaschutz demonstriert hätten. „Es hat Karlsruhe gebraucht“ betont sie. Für sie ist es ein weiterer inhaltlicher Aspekt der Entscheidung, dass es vorbei sei „mit dem widersinnigen und schwachsinnigen Argument, dass Deutschland alleine die Klimakrise ja nicht lösen könnte“. Das habe auch niemand gesagt, aber das „als Anreiz dafür zu nutzen, zu sagen, deswegen kümmern wir uns gar nicht darum, das war schon immer eine schlechte Antwort“, so die Vortragende. Die Bundesregierung sei jetzt aufgefordert, zwei Sachen umzusetzen. Einerseits dafür zu sorgen, die Paris-Ziele einzuhalten, andererseits sich „auch dafür einsetzen, dass auf internationaler Ebene Lösungen gefunden werden, die uns gemeinsam dazu bringen, diese Krise einzudämmen und zu lösen“. Gabbert zufolge ist das ein „Riesenerfolg“. Der dritte inhaltliche Punkt für sie ist, dass die Frage obsolet geworden ist, „dass wir uns fragen, ob wir Politik brauchen, die mit dem Pariser Abkommen kompatibel ist“. Diese Frage sei verfassungsrechtlich geklärt worden.
Freiheitschancen
Jetzt würden die „schönen Fragen“ anstehen, etwa wie die Zivilgesellschaft und die Politik „in einem demokratischen Dialog aushandeln wie eine Gesellschaft aussieht, die Freiheitschancen über die Generationen und die kommenden Jahrzehnte gleichmäßig verteilt“. Als Gesamtkunstwerk aktivistischer und demokratischer Art beschreibt Gabbert „die ganzen NGOs und die Bündnisse, die über die letzten zwei Jahre entstanden“ und – angesichts des direkten Bezugs auf Berichte des Weltklimarates (IPCC) – die Entwicklungen wie „die Wissenschaft ist im Verfassungsgericht angekommen“. Für sie ist das „der Anfang, damit wir uns endlich mit den Fragen befassen: Wie sieht denn ein Klimaschutzgesetz aus, was Paris-kompatibel ist? Was wollen wir denn als Gesellschaft, um die Freiheitschancen für die künftigen Generationen zu erhalten? Wie könnte so etwas aussehen und wie können wir das aushandeln?“ Aus diesen Gründen sei die Arbeit der Klimaschutzbewegung noch nicht getan. Denn in seinem Beschluss habe der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts nicht eine bestimmte Politik vorgegeben, sondern „verfassungsrechtliche Grenzen aufgezeigt“. Gabbert forderte die Zuhörerschaft auf, sich zu engagieren, für „eine lebenswerte Zukunft, die die Freiheit für alle künftigen Generationen schafft“ und „Mut und Zuversicht überall hinzutragen wo ihr auch immer hingeht“.
„Wir wissen ja alle warum wir hier sind“
Anschließend sprach Helga Reimund von Attac Berlin und informierte über das Abkommen CETA. Weitere Redner waren die Journalistin Ulrike Herrmann, der Biologe Bernhard Kegel und Silas Harbord, der für die Initiative „Klimaneustart Berlin“ unter anderem vom Beschluss des Abgeordnetenhauses für einen „Berliner Klima-Bürger:innenrat“ berichtete. Zwischen den spannenden Redebeiträgen gab es Musik von Dota Kehr. Mit Songtexten, die auch zum Handeln auffordern und daran erinnern, dass Schadensbegrenzung noch möglich sei, sich dafür jedoch sehr vieles ändern müsse. „Wir wissen ja alle warum wir hier sind“ sagt die Sängerin zur Begrüßung und beginnt gleich mit dem ersten Lied. Viele im Publikum wippen zum Refrain, des Lieds das die Berlinerin ursprünglich für den Fridays for Future Klimastreik im November 2019 geschrieben hatte: „..keine Zeit für die Leugner und Fatalisten. Für die Bequemen, die so tun als wenn sie es nicht schon seit Jahren wüssten. Für die, die die streikenden Schüler als unvernünftig verlachen. Unvernünftig ist es doch, jetzt einfach so weiter zu machen..“
Wer erhält den „Klima-Vollpfosten“ des Monats Mai für seine klimapolitischen Äußerungen?
Die „Klima-Montage“, zum ersten Montag im Monat, wurden von parents for future initiiert. Die erste Demo fand im Juli 2020 statt. Inzwischen werden sie von vielen Einzelpersonen und Organisationen unterstützt, nach eigenen Angaben sind es „mehr als 65 Bündnispartner“. Eine ihrer Hauptforderungen an die Politik ist, effektive Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen „mit einem nachweisbaren Effekt, um die Erderhitzung auf maximal 1,5°C zu begrenzen“. Wie bei den früheren "Klima-Montagen" auch, haben die Moderatoren am Ende der Veranstaltung den Negativpreis "Klima-Vollpfosten des Monats“ verliehen. Diesen verleihen sie jeden Monat an Menschen des öffentlichen Interesses „für Standpunkte und Äußerungen, die in außerordentlicher Art und Weise den Herausforderungen der Klimakrise zuwiderlaufen“. Die nominierten Kandidaten für den Mai waren der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, der bayrische Ministerpräsident Markus Söder, und der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Sowohl bei der Online-Abstimmung als auch vor Ort hat Altmaier gewonnen. Aktivisten hatten stellvertretend für die nominierten Kandidaten mit Masken auf dem Podium gestanden (siehe Foto). Der Moderator beschrieb die Argumente für die Nominierung des Kandidaten, der den „Vollpfosten des Monats“ schließlich gewann: „Es passt einfach nicht zusammen, wir haben einen Ausbaupfad für die Erneuerbaren Energien, der einfach nicht ausreicht. Eine Riesenlücke, die klafft. Wenn wir später mal im Dunkeln sitzen, dann ist das weil der Herr Altmaier zu wenig ausgebaut hat“.