09.04.2021
Von Inaktivisten und Sonnenverdunklern
Ein literarischer Einblick von Matthias Hüttmann
In letzter Zeit ist wieder auffällig viel über neue technische Möglichkeiten zu lesen, mit denen der gefährliche Klimawandel bekämpft werden könne. Um mit den Worten der Politik zu sprechen: Es bedarf anscheinend mehr „Innovationen von Profis“. Diese Ideen sind jedoch allesamt nicht neu, werden aber gut verpackt präsentiert. Was sie durch die Bank auszeichnet: sie sind in vielerlei Hinsicht gefährlich. Einer der Treiber, oder sollte man besser sagen Brandbeschleuniger, ist das neue Buch von Bill Gates mit dem Mut machenden Titel „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern.“ Gates ist zwar nicht gerade beliebt, sei es als Monopolist der klassischen Computertechnologie, sei es als vermeintlicher Pandemieprofiteur wenn nicht gar Verursacher, aber neugierig scheint er durchaus zu machen. So fand man das Buch bei Amazon zeitweise sogar auf dem ersten Platz in der Rubrik Erneuerbare Energien, auch wenn es darum nur bedingt geht. In seinem Werk, das interessanterweise parallel zu dem neuen Buch von Michael E. Mann herausgekommen ist, - weiter unten mehr dazu - geht es vielmehr um propagandistische Begriffe wie "Energiearmut" und darum, dass wir nur mit „neuen bahnbrechenden Technologien“ aus dem Schlamassel kommen können. Darunter fielen die Erneuerbaren jedoch nur, wenn diese „klüger“ eingesetzt werden würden. Aber selbst dann würde es nicht genügen, so Gates`Credo: Vielmehr würden wir „neuartige Atomkraftwerke“ (siehe Artikel in dieser Newsausgabe) und Kernfusion benötigen. Die von ihm gegründete Organisation „Breakthrough Energy Coalititon“ dient dabei als Geldgeber und als Vehikel, um einen bevorzugten Zugang zu EU-Finanzmitteln zu erhalten.
Was kann da schon passieren?
Garniert werden seine Atomfantasien noch mit Geoengineering-Technologien. Eine davon, Direct Air Capture (DAC), scheint es ihm besonders angetan zu haben. Was es mit DAC auf sich hat, haben wir an dieser Stelle bereits 2019 ausführlich geschildert. So ist dieses weitgehend theoretische Verfahren eine sehr energieintensive Form des Geoengineerings: CO2 soll mit großen Ventilatoren, welche Umgebungsluft durch einen Filter bewegen, und mit einem chemischen Adsorptionsmittel, direkt aus der Atmosphäre entfernt werden. Um einen signifikanten Einfluss auf die globalen CO2-Konzentrationen zu haben, müsste DAC, wie alle Geoengineering-Technologien, in großem Umfang durchgeführt werden. Das wirft viele Fragen über den Energiebedarf, den Wasserverbrauch und die Auswirkungen der verwendeten chemischen Sorptionsmittel auf Toxizität auf. Darüber hinaus kann eine sichere und langfristige CO2-Speicherung nicht gewährleistet werden, weder in geologischen Formationen, in denen Leckagen ein Risiko darstellen, noch in Produkten, die CO2 verwenden und bei denen das Treibhausgas wieder in die Atmosphäre gelangen kann. Die fossile Brennstoffindustrie ist von DAC im Übrigen sehr angetan, da das aufgefangene CO2 für eine verbesserte Ölrückgewinnung (Enhanced Oil Recovery, EOR) genutzt werden kann, insbesondere wenn nicht genügend kommerzielles CO2 vor Ort verfügbar ist.
Im Windschatten der Medienaufmerksamkeit wird aber auch eine andere Geoengineering-Technologien wieder ins Gespräch gebracht. Was bei der sogenannten Stratospheric Aerosol Injection (SAI) passieren soll, ist gleichermaßen banal wie fatal: Kalziumkarbonat, das in die etwa 20 km vom Erdboden entfernte Stratosphäre gebracht wird, soll dort in Form einer großen Wolke die Sonneneinstrahlung verringern und somit einen kühlenden Effekt auf die Erdatmosphäre haben. Besser passt für derlei Technologien der Begriff Klimamanipulation. Auch hier gilt: Würde man das tatsächlich umsetzen wollen, so müsste das im großtechnischen Maßstab erfolgen. Was ein solcher Eingriff in globale ökologische Abläufe letztendlich verursachen würde, weiß niemand. Ein solches Spiel mit dem Feuer würde jedoch gleichzeitig dazu führen, dass etwa die Solartechnik weniger Erträge liefert. Der „Vorteil“: Wir könnten noch eine Weile weitermachen wie bisher und an der langsamen Geschwindigkeit der Reduktion von Treibhausgasemissionen festhalten. Würde es jedoch, warum auch immer, zu einer Unterbrechung des Eintrags der Aerosole in die Atmosphäre kommen, würden wir wohl einen katastrophal abrupten Klimawandel erleben. Das alles hält Gates jedoch nicht davon ab, weiterhin massiv Geld in diese Technologien zu stecken und an der Illusion festzuhalten, allen Problemen, die durch von Menschen eingesetzten Technologien verursacht werden, gleichermaßen mit Technik zu begegnen. Oder wie es ein alter Computerwitz so schön beschreibt: Mit dem PC können alle Probleme gelöst werden, die es ohne den PC gar nicht gäbe.
Momentan liegt ein solches SAI-Projekt, dass zusammen mit der Harvard-Universität in Schweden durchgeführt werden sollte, zwar auf Eis: aber das sollte nicht beruhigen. Schließlich sind die potentiellen Profiteure solcher Technologien oftmals Unternehmen und Investoren, die Ihre Gelder in fossile Technologien geparkt haben und große Angst vor dem Platzen der Kohlenstoff-Blase haben. Die drohenden „stranded assets”, also der drohende Verlust an Vermögenswerten, werden dazu führen, dass das Thema nicht in der Versenkung verschwinden wird. So bietet es schließlich den Charme des anhaltenden Status quo bzw. der business-asusual-Strategie.
Wir können alles - außer umdenken
Die Ideen von Gates entstammen möglicherweise auch seinem unfassbaren Reichtum und einem damit verbundenen Denken, dass „alles möglich ist“, wenn man es nur will. Amerika als Land, das mit eisernem Willen geschafft hat auf den Mond zu fliegen, werde auch diese Situation meistern. Entsprechend oberflächlich und eindimensional sind seine nicht zu Ende gedachten Visionen. Besonders ärgerlich: Der Innovationskraft der Erneuerbaren Energien, auch hierin steckt ja bekanntlich sehr viel Ingenieur-Know-how, wird dies nicht zugestanden. Das kennen wir hierzulande ja zur Genüge: Erneuerbare als additive Technologie, schön und gut, aber wir brauchen was Großes und Mächtiges; mit dem ganzen Klein-Klein könne das nichts werden, ist immer wieder zu hören und zu lesen. Mal ganz davon abgesehen davon, dass eine bürgernahe Dezentralisierung die Machtverhältnisse umzukehren droht. Gates hat sich zwar öffentlich vom Klimawandelverharmloser zum scheinbar engagierten Klimaaktivisten gemausert, aber das ist wohl ein Trugbild.
There is both: Urgency and Agency
In dem neuen Buch „Propagandaschlacht ums Klima“ des Klimaforschers Michael E. Mann kann man sich über die Motivation und Taktiken solcher Inaktivisten (siehe aktuelles Interview im Energiewende-Magazin), ein gutes Bild machen. Das Buch gibt viele wichtige Anregungen zum strategischen Vorgehen, inklusive einer guten Fehleranalyse. Es motiviert auf eine ganz andere Weise, als es Gates versucht. Es macht deutlich, dass es keiner neuen Technologien, sondern vor allem eines systemischen Wandels bedarf. Auch räumt Mann mit dem Vorurteil auf, die menschengemachte Erderwärmung sei die Schuld der breiten Bevölkerung, und echte Lösungen wären nur durch deren individuelles Handeln und persönliche Verantwortung zu erreichen. Auch wenn das persönliche Tun natürlich Teil der Lösung ist und es unzählige Dinge gibt, die wir machen können und sollten, um unseren persönlichen CO2-Fußabdruck und sogar unsere gesamte Umweltbelastung zu begrenzen: Für Michael E. Mann gibt es keinen Weg, der Klimakatastrophe zu entkommen, der ohne politische Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Gesellschaft auskommt. Er stellt auch ausführlich dar, dass es dazu eben genau kein Wunder braucht wie Gates schreibt. Diese Vorstellung ist, mal ganz nebenbei, eine Beleidigung aller Entwickler und Protagonisten der Erneuerbaren Energien.
Anmerkung
Am 10. März ist »Propagandaschlacht ums Klima«, die deutsche Ausgabe von »The New Climate War« des Klimaforschers Michael E. Mann erschienen. Wie schon beim Tollhauseffekt ist auch diesmal, erneut unter der Federführung von Matthias Hüttmann, der DGS Landesverband Franken als Herausgeber für die Veröffentlichung verantwortlich. Der renommierte Klimawissenschaftler Michael E. Mann zeigt darin, wie die fossile Brennstoffindustrie seit 30 Jahren eine Kampagne führt, um von Schuld und Verantwortung abzulenken und Maßnahmen gegen den Klimawandel zu verzögern. In dem Buch präsentiert er seinen Aktionsplan zur Rettung des Planeten.
Das Buch ziert im Übrigen auch ein Vorwort des Science4Future-Wissenschaftlers Prof. Volker Quaschning sowie ein Nachwort des Meteorologen Özden Terli. Sowohl der Spiegel als auch die Süddeutsche Zeitung haben sich bereits damit beschäftigt, weitere Rezensionen werden folgen. Näheres zu dem Buch finden Sie hier.