26.02.2021
Biogas: Verfassungsbeschwerde wegen Flexzuschlag
Ein Situationsbericht von Heinz Wraneschitz
Biogas-Branchenvertreter wappnen sich für ein koordiniertes Vorgehen gegen den verpflichtenden Flexzuschlag im EEG 2021: Beim Kongress Neue Akzente für den BHKW-Betrieb der IG Biogasmotoren wurde unter anderem für eine gemeinsame Verfassungsbeschwerde geworben.
Es geschah drei Tage vor den Endberatungen zum EEG 2021 im Deutschen Bundestag: Völlig überraschend sei ein 60 Seiten-Papier mit Änderungsvorschlägen zum Erneuerbare-Energien-Gesetz aus dem Wirtschaftsausschuss aufgetaucht, berichtet Helmut Loibl. Für den Energie-Anwalt aus Regensburg ein Unding, "denn da konnte niemand mehr reagieren. Kurz vor knapp wurde etwas beschlossen, was nicht mehr zu beeinflussen war." Für Loibl augenscheinlich ein bewusstes "Lehrstück an politischem Handeln. Denn mit dem Regierungsentwurf zuvor hätte man leben können", nun aber müsse die Branche handeln. Und hier ist er sich mit den meisten Teilnehmern des Kongresses einig.
Denn es geht teils um Millionenbeträge, die Biogasanlagen-Betreiber bereits investiert haben, die nun aber durch die Gesetzesnovelle möglicherweise wertlos werden. Zwar war es schon bisher üblich, dass Biogasmotoren flexibel Strom erzeugen - dafür gab es den Flexzuschlag. Um den zu erhalten, war flexible Stromerzeugung nötig: Man musste also mehr Blockheizkraftwerks-(BHKW-) Leistung bereithalten, als im Dauerbetrieb gebraucht. Das war aber bislang freiwillig.
Doch nun soll es für genau solche, also bereits flexible Anlagen keinen Flexzuschlag mehr geben. Stattdessen hat sich der Gesetzgeber die Flexprämie ausgedacht. Die gibt es aber nur, wenn die Anlage übers Jahr weniger als die aus der "Bemessungsleistung" mögliche Strommenge ins Netz geliefert hat: Es soll nur noch 45 % der theoretisch möglichen Strommenge aus allen installierten BHKW bezahlt werden. Je nachdem, wie hoch "überbaut" wurde, kann das schon die Bilanz trüben. Zumal die Pflicht in den Bestandsschutz eingreift: Die vorher schon flexibel waren, könnten durch die EEG-Novelle zu Gelackmeierten werden.
So kennt Anwalt Loibl "Betreiber, die in die Ausschreibung mussten". Darin musste vor der Renovierung von Alt-Biogasanlagen per Gebot angegeben werden, zu welchem Preis diese nach dem Umbau Strom produzieren wollen. Und der Zuschlag durch die Bundesnetzagentur gab "Grünes Licht" für die Erneuerung solch alter Kraftwerke. Doch laut Loibl war ein solcher Zuschlag dank des neuen Gesetzes ein Schuss in den Ofen. Denn der für die vorher schon flexible Anlage bezahlte und in den neuen Preis einkalkulierte Flexzuschlag soll nach der Renovierung wegfallen.
Für Dietrich Clemens, ein Kieler Biogasberater, hat diese EEG-Änderung "den Vertrauensverlust der Branche in politische Entscheidungen verschärft"; niemand könne mehr auf vorherige Zusagen vertrauen. Dass es in der Branche brodelt, lassen allein die von Manfred Laß genannten "112 Kunden, die wir zusammengeführt haben", erkennen. Alle gemeinsam machen sich für eine Verfassungsklage stark. Denn "es kann nicht im Sinne der Politik sein, den mutigen Investor schlechter zu stellen", sagt der Anlagenbetreiber und Agrarservice-Unternehmer aus der Nähe von Kiel.
Eine Berliner Anwaltskanzlei bereite eine Sammelklage vor, ist zu hören. Der Regensburger Jurist Loibl hat nach eigener Aussage sogar "die kritische Menge bereits erreicht" sowie einen Musterkläger für seine eigene Verfassungsbeschwerde ausgesucht. Auf anderen Wegen wollen die Biogas-Betreiber zusätzlich Druck ausüben: Jeweils die örtlichen Bundestagsabgeordneten anschreiben beispielweise, oder gemeinsame Offene Briefe veröffentlichen. Peter Krabbe, Vorsitzender des Veranstaltervereins IG Biogasmotoren, macht jedenfalls Mut: "Wer schon einen Zuschlag hat, für den sehe ich durch die Verfassungsbeschwerde eine gute Chance."
Doch auch viele andere Betreiber müssen bald umbauen. Und wohl sicher früher, als das Bundesverfassungsgericht über Beschwerden entscheiden wird. Werden also demnächst Biogasanlagen stillgelegt, auch solche, die für natürliche, Erneuerbare Wärme in Dörfern am Land sorgen?
Dabei hält das EEG 2021 eigentlich auch einige gute Neuigkeiten für Biogasanlagen parat. Anwalt Loibl hat beispielsweise "Abfallanlagen und Satelliten-BHKW" ausgemacht. "Jetzt gäbe es die Chance, Wärmesenken zu bedienen", nennt Peter Krabbe eine zweite. Denn anders als bislang stehe nicht mehr der Gesamtwirkungsgrad, also die insgesamt in Wärme und Strom umgewandelte Biogasenergie im Blick. Stattdessen habe der Gesetzgeber nun den Begriff "effizientes BHKW" in den Text einfließen lassen.
"Doch es bleiben viele Fragen, wie Effizienz definiert ist", gibt IG-Biogasmotoren-Gründer Michael Wentzke zu bedenken. Michael Laß sieht das nicht ganz so kritisch: "Man müsste einfach formal den EU-Begriff der Effizienz hernehmen und die Wirtschaftlichkeit mit einbeziehen."
Und wem ist das Biogas-EEG-Dilemma zu verdanken? Anwalt Helmut Loibls "persönliche Auffassung: Unsere größten Feinde sitzen im Bundes-Wirtschaftsministerium." Martin Laß meint: "Die Großen Vier drohen mit dem Blackout, und das kommt in Berlin an."
Und auch der sichtlich frustrierte Peter Krabbe macht diese Alt-Energie-Riesen verantwortlich: "Die gleichen Leute, die früher große, fossile Kraftwerke durch Flusswasser gekühlt haben, sagen uns jetzt, was ein effizientes, kleines BHKW ist. Für die gilt: Hauptsache riesig. Ob bei Offshore-Windparks, oder bei Wasserstoff, der im Sonnengürtel der Erde produziert werden soll. Alles spielt den Großen in die Hand."