19.02.2021
Ein regionaler Energie-und-Wirtschafts-Kreislauf
Eine Reportage von Heinz Wraneschitz
Dornhausen, Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, Mittelfranken, etwa 250 Einwohner. Seit dem Winter 2019/20 werden im Ortsteil der Gemeinde Theilenhofen 53 Häuser plus ein Sägewerk mit Nahwärme versorgt. Den Jahresenergiebedarf von knapp zwei Mio. Kilowattstunden (kWh) liefern eine nahe Biogasanlage plus ein Hackschnitzelkessel – 100 Prozent Bioenergie also.
Bauherr der Versorgung: Die Nahwärme Dornhausen e.G. Der Genossenschaft gehören 48 Anschließer an, sprich: Fast alle Haushalte sind als Genossen dabei. Jeder von ihnen hat 12400 Euro aufbringen müssen – ein Eintrittsgeld von 11400 Euro plus 1000 Euro Baukostenzuschuss. Dafür haben die Genossen jetzt auf längere Sicht eine ziemlich günstige Wärmeversorgung: 10,71 Euro Grundgebühr pro Monat plus 3,9 Cent je genutzte kWh Wärme.
Man hätte natürlich die Anschlusskosten niedriger halten können, wenn die e.G. für den Bau der Versorgung mehr Kredite aufgenommen hätte. Doch das haben die Genossen nicht gewollt. Und so sei etwa die Hälfte der 1,4 Mio. Euro Kosten mit Eigenkapital der Genossenschaft finanziert worden, berichtet Christoph Bachmann, seit 2018 einer ihrer zwei ehrenamtlichen Vorstände.
Beim Rundgang durch das Dorf erklärt Bachmann das Versorgungs-Konzept: In jedem Haus ist ein Nahwärme-Puffer installiert. So können, um den Spitzenbedarf zu reduzieren, mehrere Abnehmergruppen zeitlich versetzt beliefert werden. Die Wärme wird über insgesamt 3,8 km Leitungstrasse verteilt. Beim Bau musste eine Bundesstraße unterquert werden – in Spülrohrtechnik. Und die Trasse zur Biogasanlage habe wegen des felsigen Untergrunds aufwändig gefräst werden müssen, nicht wie oft üblich mit einem Kabelpflug.
Schnelles Internet kommt gleich noch mit
Doch die Dornhäuser haben nun nicht nur Nahwärme im Haus, die gegenüber Ölheizungen 417 Tonnen CO2 jährlich spart: „Es war eine Win-Win-Situation, dass wir gleich mit den Wärmeleitungen ein Glasfaserleerrohrsystem verlegt haben, bis in die Häuser.“ So können die Bürger*innen des Dorfs nun endlich auch unendlich schnell mit 1000 MBit/Sekunde im Internet surfen – was in den Weiten Mittelfrankens nicht gerade üblich ist. Dass quasi nebenbei „marode Straßen und Gehwege sowie Kanal- und Wasserleitungen saniert“ wurden, erfährt man auch noch. Und: Die Genossenschaft ist womöglich der größte Gewerbesteuerzahler im Dorf.
Dass das System übers Jahr trotz recht geringer Abnahme von 500 kWh pro Trassenmeter nur etwa 328.000 kWh Wärme verliert, das liegt nach Christoph Bachmanns Meinung auch an der Enerpipe GmbH. Die Firma wurde 2007 gegründet, hat inzwischen 50 Mitarbeiter und „bietet als einziger Hersteller auf dem Markt alle essentiellen Komponenten für Nah- und Fernwärmenetze, von der Erzeuger- bis zur Verbraucherseite“, so die Selbstdarstellung. Dass Enerpipe auch das Unternehmen ist, bei der er sein Geld verdient, verschweigt Bachmann nicht. Dennoch haben die Genossen versammelt entschieden, das Wärmeleitungssystem bei Enerpipe zu kaufen. Zudem ist der Firmensitz Hilpoltstein nur etwa 40 km von Dornhausen entfernt, passend zum Motto: „Beim ländlichen Wärmenetz die Kirche im Dorf lassen“. Verbaut wurde im Übrigen ein 10-Bar-Rohrsystem wegen der über 50 Meter Höhendifferenz zwischen niedrigstem und höchstem Punkt im Netz. Trotzdem konnte man laut Bachmann „die Leute überzeugen, weil auch das Geld gepasst hat“, nicht nur die Umweltbilanz. Lediglich 6 Häuser in Dornhausen sind nicht nahwärmeversorgt – wohl weil sie bereits mit Holz beheizt werden, meint Bachmann.
Nur ein Katzensprung…
Ortswechsel: Wir fahren von Dornhausen 12 km nach Westen ins kleine Örtchen Maicha, das zur Kreisstadt Gunzenhausen gehört, ins Stammwerk der Heizomat - Gerätebau + Energiesysteme GmbH. Von weltweit 400 Mitarbeitern arbeiten 130 in dem fränkischen Provinzdorf. Sie produzieren Holzfeuerungsanlagen, Hackmaschinen und Bunkersysteme für Hackschnitzel. „Fertigungstiefe: 80 Prozent. Alles was Blech ist, machen wir selber. Wir arbeiten einfach noch mit der Hand. Der Mensch ist wichtig“, hebt Verkaufsleiter Gerd Christ heraus.
Seit 1982 existiert das Familienunternehmen, das im Jahr 4000 Tonnen Stahl verarbeitet. 35000 Heizanlagen wurden in den fast 40 Jahren produziert, die größten Kessel, zwei mit je 3 MW Leistung, stehen in Sibirien. Der Exportanteil liegt bei 30 Prozent, in 29 Ländern ist Heizomat im Einsatz. „Hackmaschinen gehen gerade vor allem nach England“, erzählt Christ. Und, dass man „der zweitgrößte Hersteller“ für dieses Produkt sei.
Damit man Platz gewinnt, hat das Unternehmen vor gut 20 Jahren den Spruch „Schwerter zu Pflugscharen“ in seinem Sinn umgesetzt: Aus der einstigen „Hahnenkammkaserne“ im fränkischen Heidenheim wurde der zweite Heizomat-Standort, nur 15 km vom Stammsitz entfernt. Unter anderem in einer 350x30 qm großen, früher von Panzern genutzten Halle werden nun zum Beispiel Heizkessel von 30 kW bis 3 MW gebaut. Und zwar „nach dem Wunsch des Kunden. Was der will, bauen wir in unsere Siemens-Steuerung ein“, betont der Verkaufsleiter. Dass das Holzheizsystem der Nahwärme Dornhausen e.G. auch aus dem Hause Heizomat stammt, versteht sich nach dem Prinzip „regional einkaufen“ fast von selbst. Und nicht zuletzt arbeiten ja einige Genossen sogar selber dort, wie Vorstand Christoph Baumann erwähnt.
Regionale Wissenschaftsbegleitung
Prof. Tobias Schrag von der Technischen Hochschule TH Ingolstadt hatte zu dieser digitalen Exkursion eingeladen, um Interessierten von anderswo diese „Energiewende im ländlichen Raum – Das Zusammenspiel von unternehmerischen und genossenschaftlichen Akteuren“ schmackhaft zu machen. Im Rahmen des EU-geförderten Projekts EffNet betreibt er „Web-basierte Netzwerkbildung von Fachleuten im Bereich Wärmenetze für den ländlichen Raum“. Die Nahwärme Dornhausen und Enerpipe zählen zu den 12 EffNet-Netzwerkpartnern. Und auch EffNet ist ziemlich regional angelegt: Von Dornhausen zur TH Ingolstadt sind es gerade mal 66 Kilometer.
PS: Wer wissen will, wie „Nahwärme erfolgreich umsetzen“ funktioniert: Am 25. Februar läuft bei Enerpipe ein kostenloses Online-Seminar mit diesem Titel.
https://www.enerpipe.de/de/blog/246/nahwaerme-erfolgreich-umsetzen-online-seminar-am-25-februar-2021/