05.02.2021
Nachhaltig investieren ist nicht einfach – aber möglich
Eine Einschätzung von Heinz Wraneschitz
Wirklich nachhaltige Investitionen: Darunter verstehe ich beispielsweise die Photovoltaikanlage (PV) auf dem eigenen Hausdach oder die Beteiligung an einem Bürgerwind-Projekt im Dorf. Klar, ein bisschen Rendite sollte auch rüberkommen. Aber vor allem steht für mich die Freude im Blick, regional, lokal, wenn nicht gar persönlich etwas für die Umwelt zu tun und den Ausstieg aus alten Energieträgern und den Einstieg in erneuerbare Energieversorgung voranzutreiben.
Natürlich kann nicht jede*r eine PV-Anlage installieren lassen; auch lokale Ökostromerzeugung durch Energiegenossenschaften oder Bürgerprojekte gibt es nicht überall. Wer trotzdem etwas Gutes tun will, geht womöglich zu einer x-beliebigen Bank, zur Anlageberatung in der früheren Eckkneipe. Denn das Beratungspersonal wirft ja inzwischen mit Bündeln von Anlage-Prospekten nur so um sich: Alle seien grün, öko, nachhaltig in Reinform, verspricht die Werbung. Keine Spur von Umweltschmutz. Atom ist Bääh, Korruption und Kinderarbeit sowieso.
Doch wer die aktuelle Ausgabe 2/2021 der Zeitschrift Finanztest liest, wird eines besseren belehrt. Die Finanzwarentester*innen aus Berlin haben mehrere Dutzend „Nachhaltige Aktienfonds Europa“ unter die Lupe genommen. Und – kaum zu glauben: Nur ein einziger schließt eine Investition in fossile Energien komplett explizit aus - der „Low Carbon 100 Europe“ (LC100) von BNP. Auch Korruption und Verletzung von Arbeits- und Menschenrechten wird von der französischen Bank nicht geduldet. Dafür fließt das Geld dort aber womöglich in Atomkraftwerke: Die erlaubt BNP nämlich ausdrücklich.
Dabei ist LC100 noch einer der „Besseren“, hat drei Punkte oder 71 Prozent in der Nachhaltigkeitsskala. Der Lyxor-Fonds „MSCI Europe Climate Change“ dagegen steht ganz unten in der Tabelle: Einen Punkt oder 17 Prozent Nachhaltigkeit hat Finanztest gerade mal gefunden. Gerade mal „Kontroverse Waffen“ schließt der Fonds als Anlagemöglichkeit halbherzig aus. Aber in Fossile oder Atom, Umweltzerstörung, konventionelle Waffen kann investiert werden; Korruption oder Menschenrechtsverletzungen hat Lyxor ebenfalls nicht ausgeschlossen. Sprich: Das Wort „Climate Change“ dient hier wohl lediglich zur Bauernfängerei.
Auf die werden die Blackrock-Verwalter wahrscheinlich nicht reinfallen. Denn deren Chef Larry Fink hat ja nun öffentlich bekanntgegeben (siehe auch … Übrigens):„Klimaneutralität ist das Ziel“ der wohl größten Anlagefirma der Welt. Was wahrscheinlich so gar nicht nach dem Geschmack des Möchtegern-CDU-Chefs und Bierdeckel-Steuerers Friedrich Merz sein dürfte – vielleicht will er ja deshalb jetzt Bundeskanzlerin werden, um von Blackrock (BR) wegzukommen.
Wobei: Allzuweit scheint BR noch nicht gekommen zu sein mit seiner Nachhaltigkeitsstrategie. Andreas Enke, Vorstand der Geneon AG, einem unabhängigen Vermögensverwalter aus Marburg, erzählte dieser Tage bei einem Online-Event des Vereins VenGa e.V.: „Nur 20 Mrd. der insgesamt 4.900 Mrd. Dollar Anlagen von BR sind echt nachhaltig.“ Es reiche also beileibe nicht, nur auf das Kürzel „ESM“ zu schauen – das steht vielfach für „Environmental Social Management“ von Fonds.
„Jede*r muss für sich die Ausschlusskriterien festlegen“, ergänzte VenGa-Vorstand Martin Nieswandt. Sein Verein hat sich der Förderung ethisch-nachhaltiger Geldanlagen verschrieben. Und er stellte eine Gewissensfrage, die Windkraft-Fans in Gewissensnöte bringen dürfte: „Ist eine Investition in Vestas ethisch, wenn die Firma in Spanien Arbeitsrechtsnormen verletzt?“ Immerhin ist Vestas aus Dänemark einer der größten Hersteller von Windmühlen überhaupt - und viele der 8.400 hierzulande sind auch in Bürgerwindprojekten im Einsatz.
Doch DAX-Unternehmen sind offensichtlich noch viel unethischer. Andreas Enke hat einen Leitfaden entwickelt, wie Verbraucher*innen die Nachhaltigkeit von Geldanlagen einfach beurteilen können – die 17 von der UN definierten Nachhaltigkeitsziele stehen dabei im Mittelpunkt.
„Und neun von 30 Dax-Unternehmen verletzen die vier wichtigsten Nachhaltigkeitskriterien“, hat er herausgefunden. Geneon bietet im Übrigen auch eine ganze Menge weiterer ethisch-nachhaltiger Anlage-Informationen kostenfrei für Jedermensch an.
Ach ja, fast hätte ich`s vergessen! Wenn man der Finanztest-Tabelle glaubt, wird der Fonds „Nachhaltigkeit Aktien“ der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) dem im Namen genannten Anspruch augenscheinlich ziemlich gerecht: Fünf Gesamt- und drei Nachhaltigkeitspunkte haben die Tester vergeben. Trotz zweier Einschränkungen: Fossile Energie-Investitionen in vermutlich Gaskraftwerke sind nicht explizit ausgeschlossen, und es existiert kein Nachhaltigkeitsbeirat. Dass der LBBW-Fonds mit 13 Prozent im ersten und 5,3 Prozent über fünf Jahre auch bei der Rendite mit vornedran liegt, zeigt zudem: Wer will, kann nachhaltig investieren, etwas Gutes tun und dennoch dabei verdienen. Da bleibt mir nur noch die Frage: Ob die Grün-Schwarze Koalition in Baden-Württemberg an diesem positiven Fondskonzept Mitschuld trägt?
Trotzdem bleibe ich mir lieber treu: Ich erweitere demnächst die PV-Anlage auf meinem Haus. Oder um es mit Wolfgang Ende zu sagen: „Man muss nur Wollen wollen.“