22.01.2021
Autofahren mit der Sonne
Ein Bericht von Götz Warnke
Ein E-Auto fahren, das ist für Mieter heute immer noch ein Problem. Denn wer nicht seine eigene Wallbox hat oder bei seinem Arbeitgeber laden kann, ist auf das öffentliche Ladenetz angewiesen. Und das besteht bekanntermaßen aus deutlich mehr Lücken als Ladekabeln. Daher ist für E-Auto-Fahrer jeder Reichweiten-Verlängerer (Range Extender) hoch willkommen. Der beste, direkteste und kostengünstigste Range Extender ist dabei immer noch die Photovoltaik mit in das Fahrzeug integrierten PV-Modulen (VIPV/Vehicle integrated PV). Das gilt übrigens nicht nur für E-Autos, sondern auch für viele Verbrenner, die z.B. in sonnig-südeuropäischen Ländern sich das stundenlange Laufenlassen der Motoren zwecks Stromversorgung der Klimaanlage ersparen könnten.
Daher nimmt das Thema VIPV bei den Autoherstellern inzwischen Fahrt auf: gab es bis vor wenigen Jahren nur den Hybrid-PKW Toyota Prius mit einem optionalen Solardach, so wird heute die PV immer mehr zu einer wichtigen Energiequelle für E-Autos: der kommende Sion von Sonomotors verspricht bis zu 34 km solarer Reichweite pro Tag, was schon ziemlich dicht an den durchschnittlichen Tages-Fahrstrecken deutscher Pendler liegt. Der niederländische Lightyear One soll sich in südlichen Gefilden und bei seinem fantastischem Verbrauchswert von 8,3 kWh pro 100 km im Alltag sogar fast ohne Steckdose fahren lassen, er kostet allerdings auch fast 150.000 Euro.
Kein Wunder also, dass sich auch das Fraunhofer ISE dieses Themas angenommen hat und im Herbst letzten Jahres auf der 30. International Photovoltaic Science and Engineering Conference (PVSEC) in Lissabon das entsprechende Papier „Potential and Challenges of Vehicle Integrated Photovoltaics for Passenger Cars“ vorgestellt hat. Das sechsseitige Papier behandelt das Thema unter folgenden Leitfragen:
1. Welche Vorteile bietet VIPV?
2. Welche potenziellen Kosten sind mit VIPV verbunden?
3. Was sind die Herausforderungen von VIPV?
4. Was ist das zukünftige Potenzial von VIPV?
1. Einführung
Der erste Komplex beginnt mit einem etwas verunglückten Ausflug in die Geschichte der Solarautos, die nicht erst mit der „Tour de Sol“ beginnt, sondern mit Fahrzeugen in den 1960er Jahren, bei denen historische Elektroautos aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg solarisiert wurden; es folgten Projekte in den 1970ern mit dem Solarauto der RCE oder dem City Car von Prof. Ayre Bernstein/Tel Aviv.* Ebenso wurde die Solar-Fahrzeug-Entwicklung nicht von großen Autokonzernen wie BMW und Mercedes voran getrieben, sondern von Bastlern und Mittelständlern wie beim Pöhlmann EL „Solar“ von 1984.
Richtig ist, dass die Technik sich nicht durchsetzen konnte, und sich die Autoindustrie auf Solar-Schiebedächer beschränkte. Erst in den 2010ern änderte sich die Situation, und zwar durch a) höhere Effizienz der PV-Module, b) den massiven Preisverfall bei der PV und c) die schnelle Verbreitung der Plug-in-Hybride, die die Solarenergie direkt nutzen können.
Die Internationale Energieagentur geht für 2030 von weltweit 44 Millionen jährlich verkauften elektrifizierten Fahrzeugen aus. Bei zwei m2 Dachfläche und einer Modulleistung von 200 W/m2 würde sich nach Ansicht der Autoren ein PV-Markt von 18 GW/Jahr ergeben, bei einem Gesamt-Solarmarkt von 131 GW/Jahr.
2. Methodik
Als methodische Ausgangspunkte benennt das ISE
a) die Dachfläche der Fahrzeuge, da hier die PV am leichtesten zu installieren ist und die höchste Solarausbeute verspricht,
b) die Sonneneinstrahlung in Freiburg/Br., gemittelt über die Jahre 2006 bis 2015,
c) ein Panoramadach von 1,6 m2 (Größe wie beim Peugeot 308 SW), das mit 3 verschiedenen Cell-Layout-Konfigurationen belegt wird, wobei die Zellen eine Effizienz von 20,4% haben sollen.
3. Ergebnisse
Der Ertrag in Form der durch die PV zusätzlich gewonnenen Reichweite hängt vor allem von der Effizienz des Fahrzeugs (Gewicht, interne Reibung, Luftwiderstand etc.) und der Größe der nutzbaren Dachfläche ab. Beispiele: Ein Audi e-tron verbraucht 24 kWh/100km, hat eine nutzbare Dachfläche von 2,3 m2 und erzielte damit theoretisch eine jährliche Solarreichweite von 2.063 km. Ein Renault ZOE mit 17,7 kWh/100km-Verbrauch und 1,7 m2 Dachfläche käme auf 2.068 km. Hingegen käme Hyundai Iconiq Electric mit 13,8 kWh/100 km-Verbrauch und 2,2 m2 Dachfläche sogar auf 3.428 km. Insgesamt kann eine solare Fahrleistung zwischen 1900 bis 3400 km/Jahr erreicht werden, was 13 bis 23% der deutschen Durchschnitts-Jahresfahrleistung von 15.000 km entspricht.
Natürlich hängt diese Solarreichweite auch davon ab, wie lange das Fahrzeug in der Sonne steht, wobei es hier Unterschiede zwischen „ganztägig“ und „nur während der Arbeitszeit“ (9 to 5) im Winterhalbjahr kaum gibt. Für die Verbreitung der VIPV sind die Modulkosten entscheidend; diese sollen laut der Autoren in der Herstellung bei unter 120 €/Stück für ein 1,6 m2 großes Modul liegen – bei einer jährlichen Produktion von 50.000 Stück über 5 Jahre.
4. Ausblick
Für die Autoren ließen sich auch weitere, weniger solarträchtige Orte am Auto mit PV belegen: Kühlerhaube und Kofferraum, die Seitenteile sowie die Seitenfenster. Alle diese Orte benötigen jedoch spezielle PV-Module – z.B. herrschen im Bereich Kühlerhaube und Kofferraum höhere Anforderungen an die Unfallsicherheit – , die auch unterschiedlich energieeffizient sind. Künftig sei es unter guten Bedingungen, mit neuen Zell-Technologien und bei optimaler VIPV-Ausstattung des Fahrzeugs möglich, die deutsche Durchschnitts-Jahresfahrleistung in Höhe von 15.000 km rein solar abzudecken.
* Siehe Götz Warnke: Zur Geschichte der Photovoltaik und ihrer Anwendung, in: Sozialgeschichte der Technik: Ulrich Troitzsch zum 60. Geburtstag, hrsg. von Günter Bayerl und Wolfhard Weber(Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt, Band 7), Münster (Waxmann) 1997, S. 307-316