11.12.2020
Zehn Jahre "Energierevolution": Was ist geblieben von der GFE?
Ein Science-Fiction-Märchen von Heinz Wraneschitz
Es war einmal ein ehemaliger Versicherungskaufmann und Immobilien-Händler. Der wollte, so schreibt er selbst, "eine Technologie im Bereich der Erneuerbaren Energien auf den Markt bringen, die ohne Übertreibung als revolutionär bezeichnet werden kann. Dies ging gewissen Lobbyisten und Politikern nun doch zu weit. Denn diese Technologie hatte die Chance, alles bisher Dagewesene im Energie-Sektor auszuhebeln."
Am 30. November 2010 schlug die Staatsanwaltschaft (StA) Nürnberg-Fürth zu: Sie beendete die "Fertigung von Block-Heiz-Kraft-Werken (BHKW), welche mit einem herkömmlichen Dieselmotor betrieben werden, aber statt mit Diesel zum größten Teil mit Wasser und einem kleinen Teil Pflanzenöl liefen" - so steht es in Horst K.s über 500-seitigen Erstlingswerk Der GFE-Skandal. Alldieweil: Für die StA war es schlichtweg Betrug. Und die über 1.400 BHKW-Käufer waren auf einen Schlag 62 Millionen Euro los.
In den Jahren danach belegte ein Prozess den historischen Nürnberger Sitzungssaal 600, ganze 94 Verhandlungstage lang. Am Ende wurden K. und weitere zehn führende GFE-Köpfe wegen Betrugs zu Freiheitsstrafen verurteilt. Und bis heute wurde die "Fertigung" nie mehr angeworfen. Deshalb kann Horst K. in seinem Buch mit leichter Hand behaupten: "Mit unserem Produkt wären im Laufe der Zeit alle Kraftwerke überflüssig geworden, gleich, ob sie mit Gas, Kohle oder Atom betrieben werden." Das Gegenteil beweisen muss die vom selbsternannten "Staatsfeind" K. gebrandmarkte "Staatsmacht" jedenfalls nicht mehr.
Wenn jedoch der Ex-GFE-Chef schreibt, "es gab niemals nur einen einzigen Geschädigten", dann kann Heidrun Frank (Name geändert) nur lachen. Die Niederbayerin wollte schon im Dezember 2010 ihre 59.500 Euro von der GFE zurück - so viel hatten sie und ihr inzwischen verstorbener Mann damals für ein "BHKW" per Vorkasse ausgegeben. Gegenleistung: Nichts.
"Doch vor wenigen Wochen habe ich immerhin die Umsatzsteuer zurückbekommen - und das auch noch mit Zinsen", freut sich Heidrun Frank über das unerwartete vorzeitige 2020er Weihnachtsgeschenk von immerhin fast 13.000 Euro. Dabei hatte der Bundesfinanzhof (BFH) bereits 2019 im Grundsatz die Steuerrückzahlung an alle GFE-BHKW-Käufer verfügt. Die Begründung des BFH: "Die Absicht der Firma, die Kunden zu betrügen, steht dem Vorsteuerabzug nicht entgegen."
Diesen Betrug - massenhaft und bandenmäßig - hatte bereits am 27. Februar 2014 Richter Bernhard Germaschewskis von der 12. Strafkammer am Landgericht Nürnberg-Fürth erkannt und allein K. zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Der GFE-Chef wie weitere neun Verurteilte haben ihre Haftstrafen schon lange verbüßt oder wegen guter Führung vorzeitig beendet.
Einer jedoch, Guido Kr., hat sich bis heute darum gedrückt: Zuerst zog er vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - und dort den Kürzeren. Und dann zog Kr. es vor, sich zu verziehen: In die Golfstaaten, wo er bis heute fröhlich Geschäfte macht. Kr. war im Übrigen Anfang der 2010er Jahre Außenminister eines Pseudostaats mit dem Namen Germanitien. Damals wurde die Gruppe noch von den Verfassungsschützern verlacht - heute dagegen sind die nun als "Reichsbürger" zählenden laut demselben VS eine Gefahr für die Demokratie.
In einem Gasthof, der sich als "germanitisches Reichsgebiet" auswies, trafen sich jene elf und zahlreiche weitere "GFE-Manager" zu so genannten Montagsrunden. Aus dem Koch des Gasthofs wurde bald danach der "Chefentwickler" der GFE, Karl M. Durch ein paar technische Kniffe - M. hatte früher Touringwagen getunt - hatte der Mann schnell die Dieselmotoren aus China um ein Drittel effektiver gemacht. Doch um die in Prospekten versprochenen Pflanzenöl-Verbräuche von 135 Gramm pro kWh Strom zu erreichen, musste ein "ESS" her, ein "Energy Saving System".
Es gibt Menschen, die schwören Stein und Bein, dass in dem geheimnisvollen ESS-Kästchen nichts als Luft drin gewesen sein soll. Stattdessen hätten die damalige Lebensgefährtin des einstigen Germaniten-Kochs M. und der ebenfalls esoterisch bewanderte Wirtschaftsingenieur Daniel D. (Name geändert) magische Kräfte bewiesen. Auf jeden Fall konnte GFE im Herbst 2010 Gutachten von TÜV Süd und Dekra vorweisen: Die bescheinigten den "BHKW" Rapsölverbräuche, aus denen Wirkungsgrade von an die 100 Prozent errechnet werden können. Wohlgemerkt: Die entstehende Abwärme ist dabei unberücksichtigt.
Weil die GFE-Verkaufsunterlagen auf dieser Gutachten-Basis Jahresrenditen von 30 Prozent versprachen, flogen den BHKW-Vermittlern die Aufträge nur so zu. Trotz kritischer Analysen. Bei Heidrun Frank war es der Steuerberater, der ihr zum Kauf riet, bei anderen war es schlicht Geldgeilheit. Die behielten viele Geschädigte auch nach der Razzia im November 2010 und den Insolvenzen des ganzen GFE-Firmengeflechts im Laufe des Jahres 2011 bei: Insgesamt 477 Millionen Euro Forderungen haben die Insolvenzverwalter (Stand 2017) anerkannt. Denn die meisten BHKW-Käufer haben ihren jeweils auf 10 Jahre errechneten "entgangenen Gewinn" als Schaden gemeldet. An dieser Idee haben einige Anwälte das Urheberrecht. Aber weil nach unserer Kenntnis bald nur noch gut zehn der eingezahlten 62 Millionen Euro übrig sein werden, dürfte am Ende wohl nur eine knapp zweiprozentige Insolvenzquote für die Gläubiger stehen.
Trotzdem glauben bis heute einige der Übern-Tisch-Gezogenen noch an die Energie-und-Geldgewinnmaschinen der GFE. Im Herbst 2019 luden Ex-Chef K., Chefkochentwickler M. und ein aus Falschdoktorenttarnungen bekannter Berater in eine heruntergekommene Industriehalle 20 km südlich von Nürnberg ein. Dort waren Testläufe eines übriggebliebenen GFE-"BHKW" mitzuerleben, gefüttert mit einer Pflanzenöl-Wasser-Mischung im Verhältnis von 1:4.
Bei der ersten Vorführung war der Autor dieses Beitrags selbst anwesend: Nach 20-minütigem Warmlaufen, befeuert mit Diesel, tuckerte der Motor mit Generator noch knapp drei Minuten mit Wasser-Pflanzenöl-Gemisch weiter, bevor er von alleine stoppte.
Denn die durch den Dieselbetrieb entstandene Temperatur war durch das Wasser rapide gesunken, die Selbstzündung stockte. Doch trotz dieses augenscheinlichen Versagens: Zum zweiten Versuchslauf ein paar Wochen später soll gar eine dreistellige Zahl von Menschen gekommen sein. Es heißt, sie hätten sogar Eintritt bezahlen müssen. Wie schnell dieser Test vorbei war, ist nicht überliefert.
Aber noch immer ist das Science-Fiction-Märchen um die GFE-Zauber-BHKW nicht zu Ende. Passend zum 10-jährigen Jubiläum des (Zitat K.) "Überfalls am 30.11.2010 der GFE durch den bayrischen Staat" und "mit den besten Wünschen zum 1. Advent" bekam auch der Autor dieser Zeilen vom oben genannten Daniel D. eine Power-Point-Präsentation mit dem Titel Der ultimative CO2 - Antrieb geschenkt. Mit "Trockeneis" und "superkritischem Fluid" will der Eso-Wirtschaftsingenieur unter "Verwendung eines handelsüblichen Holzspalters" ein "Basissystem, was als Stromerzeuger ausgebildet ist" herstellen. Den Zusammenhang seiner bunten Zahlenreihen mit dem "ESS" des Ex-Germaniten M. erklärt D. zwar nicht direkt. Es soll sich aber wieder um eine "von mir eingebrachte revolutionäre Technologie zur Wassereinspritzung in Verbrennungsmotoren, welche auf dem Wissen der Alten Hochkulturen basiert" handeln.
Derweil sind die Insolvenzverwalter des GFE-Geflechts womöglich dabei, die letzten Knoten aufzudröseln. Sie "streben an, erste Verfahren der GFE-Gruppe im nächsten Jahr abzuschließen, d.h. die sogenannten Schlussunterlagen bei Gericht einzureichen. ... Aufgrund des Umfangs der Verfahren werden die übliche gerichtliche Prüfung der Unterlagen und die daran anschließende Schlussabwicklung aber sicherlich einige Zeit in Anspruch nehmen", heißt es vom Sachbearbeiter.
Ex-GFE-Gründer K. soll derzeit irgendwo in Westdeutschland leben. Und zwar nicht märchenhaft, sondern von Grundsicherung.