06.11.2020
Was zu tun ist, ist klar: 1. Lesung der EEG-Novelle
Eine Beobachtung von Jörg Sutter
Am vergangenen Freitag fand die erste Lesung der EEG-Novelle im deutschen Bundestag statt. Schon im Vorfeld wurden von verschiedenen Seiten die wichtigen Punkte genannt, die noch geändert werden müssen, um mit dem neuen EEG arbeiten zu können. Die erste Lesung im Bundestag zeigte: Die Bereitschaft zu Änderungen ist bei den Koalitionären da, jetzt muss vor allem der Ausschuss für Wirtschaft und Energie ran.
Die Aussprache der ersten Lesung war kurz: Nur 45 Minuten waren angesetzt, um das Thema zu behandeln, anschließend mussten die Parlamentarier über die steuerliche Entlastung für Unternehmen und das Bundesarchivgesetz debattieren. Zu Beginn des Tagesordnungspunktes EEG stellte Bundeswirtschaftsminister Altmaier den Entwurf im Plenum vor und lobte ihn mit den bekannten Argumenten. Er appellierte: Man solle doch auch mal über die Erfolge sprechen und nicht nur über Probleme.
Bei den folgenden Statements kamen die Fachpolitiker aus allen Fraktionen, die sich intensiver mit dem EEG beschäftigen, zu Wort, hierbei wurde deutlich, dass die wichtigsten Forderungen und Kritikpunkte, die auch die DGS schon hier wie auch hier formuliert hatte, in Berlin angekommen sind: Angesprochen wurde die falsche Senkung der Ausschreibungsgrenze, die Belastung der EEG-Umlage, bürokratische Hürden der Eigenversorgung, die Smart-Meter-Pflicht und die unzureichenden Regelungen für Altanlagen nicht nur im Bereich der PV, sondern dramatisch auch bei der Windenergie.
Die Opposition kritisierte den Gesetzentwurf erwartungsgemäß, die AfD brachte sogar einen eigenen Antrag ein, der die komplette Streichung der EEG-Förderung ab 1.1.2021 forderte. Der Abgeordnete Lenkert von den Linken stellte in seinem Statement die provokante Frage an die Union: "Haben sie sich für oder gegen die Energiewende entschieden?"
Wie erwartet, wurde der EEG-Entwurf in die Ausschüsse verwiesen, die 2. und 3. Lesung im Parlament wird für Ende November erwartet. Es war aber deutlich zu spüren, dass die Fachpolitiker der Koalition an Verbesserungen interessiert sind, es wurden deutliche Signale der Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. Doch entscheidend wird sein, ob der Druck von allen Seiten genügt, um auch die Parlamentarier von den notwendigen Änderungen zu überzeugen, die sich bisher als Bremser betätigt haben. Und der Druck ist groß: Nicht nur die Solar- und Energieverbände kritisieren, sondern auch Gewerbe und Mittelstand, die Energiewirtschaft und auch die Bundesländer haben über den Bundesrat bereits wichtige Änderungen angemahnt.
Neue Argumente der Verbände
Die Meinungsforscher von EuPD haben im Vorfeld schon - vom BSW beauftragt - den zukünftigen Schaden eines schlechten EEGs bewertet: Die Untersuchung ergab für die Solarwirtschaft in diesem Zusammenhang ein Schaden in Höhe von über drei Mrd. Euro bis zum Jahr 2030, weil viele Anlagen so nicht umgesetzt werden würden. Gesundheits- und Klimafolgeschäden wurden von EuPD in Höhe von 4,5 Mrd. Euro zusätzlich beziffert. Hintergrund ist beim Blick auf die gewerblichen PV-Dachanlagen vor allem die geplante Absenkung der Ausschreibegrenze. Eine Ausschreibepflicht macht zu einen viel bürokratischen Aufwand, birgt das Risiko, dass der Investor keine Förderung erhält und verbietet die Eigenversorgung mit dem erzeugten Strom - derzeit die größte Triebfeder für eine Solarstrom-Investition. Die Kritik daran wird nicht nur vom BSW, sondern von einem breiten Bündnis auch aus dem Gewerbe- und Handelsbereich unterstützt, zum Beispiel auch vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft, dessen Präsident Ohoven den Entwurf einen Tag vor seinem tödlichen Unfall in der vergangenen Woche noch als "Frontalangriff auf den Mittelstand" bezeichnete.
Thomas Seltmann, DGS-Mitglied und Solarexperte bei der Verbraucherzentrale NRW hat in einem Interview in der Zeitschrift Energie&Management die Novelle ebenfalls kritisiert und Verbesserungen vor allem bei der Eigenversorgung angemahnt. "Insbesondere für die Prosumer werden die technischen und rechtlichen Hürden noch höher, ihren Solarstrom selbst zu nutzen.", so Seltmann. "Von einer Solaroffensive kann nicht die Rede sein". "Stellen Sie die richtigen Weichen für die Zukunft Deutschlands." - das fordert Eurosolar von den Parlamentariern und bitte um maßgebliche Korrekturen im Gesetz, auch um die Klimaschutzziele zu erreichen und die Energiewende voranzubringen. Eurosolar hat sich mit einem offenen Brief an die Parlamentarier gewandt.
Widerspruch Bürokratieausbau
Wie bei anderen Kritikpunkten gilt: Das Problem ist dem Ministerium bekannt. Oder wie sonst soll diese Aussage bewertet werden: "Ein unternehmensfreundlicher Regulierungsrahmen ist ein entscheidender Hebel zur Überwindung der Corona-Krise sowie zur Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen ist eine komplizierte Gesetzgebung häufig herausfordernd. Daher müssen wir konsequent Bürokratie abbauen und einen effizienten, innovationsfreundlichen und zukunftssicheren Regulierungsrahmen [..] schaffen". Soweit das Zitat - von Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Es fiel aber im Rahmen einer Presseerklärung zur EU-Konferenz zur Rechtssetzung vom Mittwoch dieser Woche- und betrifft scheinbar nicht die EEG-Novelle.
Im Regierungsbeschluss der EEG-Novelle ist dagegen schon fleißig niedergeschrieben, dass die Clearingstelle EEG und KWKG aufgrund der im Entwurf für Eigenversorgung geforderten Smartmeter-Pflicht und der damit verbundenen Komplexität mit rund 6.000 (!) zusätzlichen Beratungsanfragen zu rechnen hat. Eine Komplexität, die im Ministerium selbst geschaffen wurde. Man ist sich der Probleme bewusst, lässt Bürger und Investoren folglich wissentlich im Regen stehen. Ein Drang, die Energiewende voranzubringen, ist hier nicht spürbar.
Risiko Europa
Neben der engen Zeitschiene zur formalen Verabschiedung des Gesetzes mit 2. und 3. Lesung, Bundesrat, Unterschrift Bundespräsident und Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt muss noch ein weiterer Punkt ganz kritisch gesehen werden:
Gleich zu Beginn des Gesetzentwurfs wird in einer Fußnote betont, dass diese EEG-Novelle auch zur Umsetzung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie der EU dient. Doch deren Kernpunkte (Prosumer im Mittelpunkt, Umlagen- und Abgabenfreiheit, ...) sind inhaltlich überhaupt nicht aufgegriffen. Doch im § 105 des gleichen Gesetzentwurfs liest man: "Die Bestimmungen dieses Gesetzes für Strom aus Anlagen, für den nach dem 31. Dezember 2020 ein Anspruch nach diesem Gesetz begründet wird, dürfen erst nach der beihilferechtlichen Genehmigung durch die Europäische Kommission und nach Maßgabe dieser Genehmigung angewendet werden." Doch mit welcher Begründung soll die EU-Kommission diesem Gesetz zustimmen, das die EU-Richtlinie so mit Füßen tritt? Ob das neue EEG zum 1.1.2021 rechtzeitig in Kraft treten kann? Hier ist das Fragezeichen durchaus angebracht.
Mitschnitt der ersten Lesung
Wer sich die erste Lesung vollständig anschauen möchte, der findet eine Video-Aufzeichnung auf der Website des Bundetages. Es bleibt zu hoffen, dass die Argumente für die unbedingt notwendigen Änderungen greifen und das neue EEG zu einem erfolgreichen und praktikabel nutzbaren Werkzeug gestaltet wird. Ansonsten ist nicht weniger als die Energiewende im Strombereich massiv in Gefahr.