16.10.2020
Künstliche Intelligenz im Anflug
Ein Forschungsbericht von Heinz Wraneschitz
Eine Drohne, also ein ferngesteuerter Minihubschrauber fliegt über Photovoltaik-Anlagen (PVA), um Fehler zu finden: Das ist grundsätzlich nichts Neues. Doch was die Nürnberger N-Ergie und ihre Partner kürzlich mit einer Megawatt-PVA im Hintergrund bei Heilsbronn in Westmittelfranken vorstellten, mutet schon fast wie Science Fiction an.
Bis nächsten Sommer soll es tatsächlich so weit sein: Eine speziell gefertigte Zehn-Kilo-Kamera-Drohne fliegt vollautomatisch über Solarfelder, durchleuchtet quasi jedes einzelne Modul. Und falls ein Fehler erkannt wird, wird das auch gleich weiterberichtet.
Künstliche Intelligenz (KI): Dieser Begriff ist zwar in vieler Munde. Doch praktische Anwendungen sind bislang selten. Das "Cosima" genannte Drohnen-Inspektionsprojekt jedoch soll demnächst eine KI-Anwendung sein, die auch wirklich funktioniert. Unterstützt vom Bundeswirtschafts- und Energieministerium BMWI und koordiniert vom Helmholtz-Institut HI-ERN in Erlangen arbeiten vier Industriepartner, die Technische Hochschule Nürnberg und besagter Nürnberger Energiekonzern seit 2018 gemeinsam an Cosima.
Bislang ist die PVA-Fehlererkennung üblicherweise menschengesteuert: Ein Pilot fliegt die Drohne über das Modulfeld, ein zweiter Mensch versucht, aus den durch eine Luminiszenz- oder Thermografie-Kamera aufgenommenen Bildern Modul- oder Zellen-Fehler zu erkennen. Fällt der Auswerte-Person etwas auf, wird die betreffende Stelle in der Anlage durch Servicepersonal ge- und aufgesucht.
Bei der Vorstellung von Cosima lief das noch genauso ab. Doch bald soll das alles künstlich automatisiert geschehen: "Der Feldplan wird hochgenau mit GPS getrackt, Auffälliges wird herausgefiltert, und dann geht ein Mensch ganz genau an diese Stelle hin und überprüft", erläutert ein Mitarbeiter von Automatic Research (ARG) aus Nürnberg. ARG ist neben DHG Engineering aus Gräfenberg, IRCAM Erlangen und Rauschert Hennigsdorf-Pressig Industrie-Projektpartner bei Coosima und für die KI-Entwicklung mit verantwortlich.
Das Ziel des Projekts: Die Flugroute kann bereits im Büro programmiert werden, damit möglichst viele Module möglichst schnell konkret angeflogen werden könnten, heißt es weiter aus dem Projektteam. Und: die Detektion ist dadurch wiederholbar. Sprich: Kleinste Veränderungen fallen sofort auf.
Claudia Buerhop-Lutz, die Projektleiterin vom Helmholtz-Institut, nennt Gründe für die PV-Großanlagen-Kontrolle: Das HI-ERN habe bereits viele Modulfelder untersucht und "querbeet etwa sechs Prozent Fehler gefunden. Selbst bei nagelneuen Anlagen." Auch wenn Temperatur-Auffälligkeiten noch keine Leistungseinbuße bedeuten müssen, könne man doch erwarten, dass dies irgendwann eintrete, so die Wissenschaftlerin.
Nach HI-ERN-Informationen wurden im Cosima-Projekt in den letzten Monaten knapp 60 Drohnenflüge absolviert. Dabei wurden "Erfahrungen gesammelt, wie sich die Daten optimal erheben lassen, auch wurde Material für die Erprobung der Software gewonnen". Die erkundeten PV-Anlagen wiesen Spitzenleistungen zwischen 20 kWp und 10 MWp auf, also quasi die gesamte, übliche Bandbreite von Freiflächen-PV.
Und warum macht der nordbayerische Energiekonzern mit bei Cosima? "Aus Eigenmotivation", sagt Rainer Kleedörfer, Leiter der Unternehmensentwicklung der N-Ergie. Denn einerseits betreibe sein Unternehmen bereits PVA mit insgesamt 90 Megawatt Leistung. Und anderseits biete man die Anlagenkontrolle auch als Dienstleistung an. "Und das schon seit Jahren", wie Kleedörfer betont: "Das können wir dann bald systematisch machen." Als Grund dafür nennt er die erwartete "Lebensdauer von etwa 30 Jahren". Damit die PV-Anlagen in dieser Zeit "möglichst zuverlässig regenerativen Strom erzeugen, ist eine regelmäßige Wartung wichtig - auch, weil nur dann die eingesetzten Flächen bestmöglich genutzt werden", so der Unternehmensentwicklungschef der N-Ergie weiter.
Und auch die Industriepartner können die KI-Drohnentechnik und deren unterschiedliche Messmethoden der kosteneffizienten Fehlererkennung ebenfalls nutzen und vermarkten, heißt es von den Projektbeteiligten.
PS: Cosima dürfte mindestens genauso viel Nutzen produzieren wie der ebenfalls mit KI ausgestattete Roboter "Ovoraptor". Die Laufmaschine wird derzeit an der Westfälischen Hochschule Bochum entwickelt. Sie soll die verlegten Eier von freilaufenden Hühnern zusammen"rauben", wie es der Name ausdrückt. 200.000 Euro hat dafür das NRW-Landwirtschaftsministerium bereitgestellt.