18.09.2020
Wie die EEG-Umlage zur Subvention geworden ist
Eine Wutrede von Heinz Wraneschitz
Wenn die Freiheit der Wissenschaft die Öffentlichkeit in die Irre führt, muss die freie Pressemeinung dagegenhalten: "Die Volkswirtschaftslehre untersucht Zusammenhänge bei der Erzeugung und Verteilung von Gütern und Produktionsfaktoren. Mit ihr wird nach Gesetzmäßigkeiten und Handlungsempfehlungen für die Wirtschaftspolitik gesucht." Das ist die - leicht verkürzte Definition dieser Wissenschaft, wie sie im pseudo-neutralen Weblexikon Wikipedia zu finden ist.
Ebenfalls bei Wikipedia steht die aus Gesetzestexten übernommene "Legaldefinition von Subvention: Eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird und (ebenfalls mindestens teilweise) der Förderung der Wirtschaft dienen soll."
Die Volkswirtschaftslehre wiederum hat sich zu Subvention eine erweiterte Definition zurechtgelegt: "Dort umfasst der Begriff auch Steuervergünstigungen und Gebührenermäßigungen oder -befreiungen und Sozialleistungen." Ja, das darf die Wissenschaft. Doch bislang hat sich das Gros der Forschenden nicht zu Eigen gemacht, die EEG-Umlage dort hinein zu packen.
Anders der Volkswirt Prof. Mario Liebensteiner, der sieht augenscheinlich die Freiheit von WissenschaftlerInnen grenzenlos. Gemeinsam mit zwei Kollegen hat er gefragt: "Wie lässt sich die Energiewende nachhaltig realisieren: Erneuerbare Energien finanziell fördern oder Kohlenstoffemissionen bepreisen?" Die Antworten wurden auf 28 Seiten veröffentlicht. Als Forschungsobjekt haben die Drei dabei ein Pumpspeicherkraftwerk hergenommen. Das Fazit ihrer volkswirtschaftswissenschaftlichen Untersuchung: "Direkte Subventionierung von Erneuerbaren Energien gefährdet Energiespeicher und die Erfolgsaussichten der Energiewende."
Wohlgemerkt: Es geht dabei um das DEUTSCHE Fördersystem für Erneuerbare Energien, festgelegt im so genannten Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG. Und - wie eigentlich auch Hochschulmitarbeitern bekannt sein müsste: Das EEG ist das glatte Gegenteil von Subvention, wie auch die EU-Kommission bereits mehrfach bestätigt hat. Denn diese Umlage auf den Strompreis, von deren Zahlung leider viele Großstromverbraucher ausgenommen sind, unterstützt die Investitionen in Anlagen zur Stromproduktion aus Sonne, Wind, Biomasse und anderen Erneuerbaren Energiesystemen. Kein staatlicher Cent fließt direkt in diese Förderung. Also kann auch nicht von Subvention gesprochen werden.
Das aber interessiert offenbar die drei forschenden Volkswirte einen feuchten Kehricht. "Ökonomisch gesehen ist es irrelevant, wer das Geld überweist": So erklärt Prof. Liebensteiner, wie er im Sinne seiner Forschungsfreiheit gesetzesgemäße Legaldefinitionen in die Tonne schmeißt. Und genau solche freiheitlich-wissenschaftlichen Methoden führen dazu, dass Gegner der Erneuerbaren Energien immer wieder von "staatlicher Subvention für Ökostrom" sprechen können. Denn die so etwas erzählen, können sich ja auf Wissenschaftler wie Liebensteiner und Co. beziehen.
Dabei springen nicht nur AfD-Fans, Verschwörungstheoretiker oder Mitglieder von selbsternannten Umweltgrüppchen wie dem "Verband für Landschaftspflege und Artenschutz VLAB" (bewusst ohne Links) sehr gerne auf diesen vermeintlichen "Steuergeschenke"-Zug auf. Das beweist beispielsweise jener Leserbrief, der dieser Tage in der Fränkischen Landeszeitung erschien. In einem Kommentar zu "monotonen, artenarmen Maiswäldern für Biogasanlagen", die er offensichtlich ablehnt, schreibt ein Mann: Der "rund um die Uhr produzierte Strom in Strom-Überschusszeiten wird ins Ausland verschleudert". Dies erscheint nicht zuletzt mit Blick auf den gerade diskutierten Referentenentwurf zu zigsten EEG-Novelle künftig noch weniger sinnvoll als bislang schon unwirtschaftlich. Doch der Satz: "Ermöglicht wird dieser Raubbau an der Natur durch das EEG - und zwar durch hohe Zuschüsse aus Steuergeldern an den >Energiewirt<" zeigt, welch irrwitzige Auswirkungen die grenzenlose Auslegung der Wissenschaftsfreiheit durch Prof. Liebensteiner und Co. haben kann. Denn - und das habe ich vergessen zu erwähnen - der Leserbriefschreiber ist ausgerechnet ein ehemaliger Kreisvorsitzender des etablierten BUND Naturschutz in Westmittelfranken. Er müsste also wissen, dass keine staatliche Direktsubvention hinter der EEG-Umlage steht. Hoffentlich nutzen andere Mitglieder von Umweltverbänden lieber Wissenschaftsquellen von solchen VolkswirtInnen, die sich wenigstens an Legaldefinitionen halten.
Nicht zuletzt aber bin ich richtig sauer darüber, dass Prof. Liebensteiner seine Wissenschaftsfreiheit ausgerechnet im Umfeld der Wirtschaftsweisin Prof. Veronika Grimm vom Fachbereich WiSo der Uni Erlangen-Nürnberg ausleben darf. Aber gottseidank gibt es hierzulande auch die Meinungs- und Pressefreiheit. Und die lebe ich hier aus - mit dieser Wutrede.