11.09.2020
EEG-Novelle: Ziemlich verbesserungswürdig
Eine Analyse von Jörg Sutter
Vor vier Monaten hat die DGS gemeinsam mit dem Umweltinstitut München einen „10-Punkte-Plan“ zum Ausbau der Solarenergie in Deutschland veröffentlicht, die DGS-News haben damals darüber berichtet. Jetzt liegt ein erster (inoffizieller) Entwurf der EEG-Novelle vor, es ist also an der Zeit, einen ersten Vergleich zu ziehen. Welche Aspekte wurden aufgegriffen, welche fehlen?
Bei einer Bewertung des Novellierungsentwurfes möchte ich betonen, dass das jetzt vorliegende Papier ein erster Entwurf ist. Der zeigt natürlich, in welche Richtung das Wirtschaftsministerium denkt und welche Themen angepackt werden und welche nicht. Es sind durchaus noch Änderungen durch die derzeit laufende Ressortabstimmung und das folgende parlamentarische Verfahren zu erwarten. Und: Die DGS wird erst eine offizielle Stellungnahme abgeben, wenn auch ein vom Ministerium veröffentlichter Text vorgelegt wird.´
Wurden die Punkte aufgegriffen? Betrachten wir die Punkte einzeln. Wir beschränken uns dabei auf die Aspekte, welche die EEG-Novellierung betreffen.
Punkt 1: Beide Solardeckel abschaffen
Der erste Deckel, die 52-GW-Grenze für PV-Neuanlagen, wurde nach langem Ringen in einem separaten Gesetzgebungsverfahren bereits im Vorfeld der EEG-Reform abgeschafft, das war auch unbedingt notwendig, um überhaupt einen weiteren Ausbau der Photovoltaik in den Blick nehmen zu können.
Der zweite, sogenannte „atmende“ Deckel ist aber noch immer Realität und auch im aktuellen Entwurf nicht angetastet. Kein Wunder: Sind doch auch die dortigen Ausbauziele so moderat, dass der atmende Deckel weiter funktionieren könnte. Doch werden im weiteren Verfahren die Zubauzahlen noch nach oben korrigiert, dann muss der Gesetzgeber auch diesen Deckel unbedingt noch anpacken.
Punkt 2: Ausschreiben abschaffen oder optimieren
Unsere Forderung war, dass Ausschreibungen so optimiert werden, dass sie die dezentrale, sozialverträgliche und innovative Energiewende nicht behindern. Und wir wollten die Ausschreibegrenze auf 1 MW anheben, um Realisierungssicherheit für Anlagen zwischen 750 kWp und 1 MW zu bringen. Doch das Ministerium ist darauf bislang nicht eingegangen: Weder dezentrale Konzept noch andere Kriterien spiegeln sich in den Anforderungen. Im Gegenteil: In Zukunft sollen sogar auch kleinere PV-Anlagen nur nach Teilnahme am Ausschreibeverfahren realisiert werden dürfen.
Bislang sind große Dach- und Freiflächen in einem gemeinsamen Ausschreibetopf gelandet, die Dachanlagen haben dann aufgrund der Kostenstruktur meist den Kürzeren gezogen und durften nicht gebaut werden. Nun sollen Anlagen auf großen Dächern schon ab dem kommenden Jahr ab 500 kWp in die Ausschreibung, die Grenze soll in den kommenden Jahren weiter sinken. Das widerspricht (einmal wieder) einem raschen und einfachen Ausbau der Photovoltaik vehement und muss unbedingt noch korrigiert werden. Gerade im gewerblichen Bereich ist eine einfache Umsetzung wichtig, man stelle sich nur ein gewerbliches Neubauprojekt vor, bei der die PV-Anlage erst in eine monatelange Ausschreibung kommt und dafür auch noch eine Sicherheit hinterlegt werden soll.
Punkt 3: Hürden abschaffen
Der EEG-Novellierungsentwurf enthält an einer der wichtigsten Stellen eine Lücke: Beim Thema Eigenversorgung und der dazugehörigen EEG-Umlage. Trotzdem lässt sich bis auf kleine Verbesserung beim Mieterstrom sagen, dass der Geist der europäischen EE-Richtlinie, die den Prosumer in den Mittelpunkt stellt und ihn grundsätzlich von Umlagen, Abgaben und Bürokratie befreit, nicht bis zum Ministerium geweht ist. Der Begriff „Prosumer“ findet sich im Gesetzentwurf nur an einer Stelle, an der es um Stromzähler geht. Energy-Sharing oder Quartierskonzepte – alles derzeit Fehlanzeige in der Gesetzesvorlage.
Auch Bagatellgrenzen oder Vereinfachungen bei Anmeldungen, um damit die Umsetzung von kleinen PV-Anlagen bis hin zu Steckersolar-Geräten lukrativer zu machen, ist wohl nicht gewünscht.
Punkt 4: Solar-Baupflicht
Ein mutiger Schritt wäre gewesen, eine Solar-Baupflicht für Neubauten einzuführen. Einige Kommunen praktizieren das schon seit Jahren, Baden-Württemberg, Berlin und Hamburg wollen das als Bundesländer durchsetzen. Der PV-Zubau für die Energiewende wäre damit gesichert. Aber das soll im EEG nach Auffassung des Wirtschaftsministeriums nicht eingesetzt werden.
Punkt 5: Kein Aus für Solaranlagen nach 20 Jahren
Schon lange trommelt die DGS, dass für PV-Altanlagen, die aus der Förderung fallen, unbedingt vernünftige Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Und siehe da: Es sind Regelungen für Altanlagen im Gesetzentwurf enthalten, unter anderem soll auch eine Weiter-Einspeisung für eine Übergangszeit erlaubt werden – eine Erleichterung für viele Betreiber.
Doch schon, wenn eine Altanlage nicht voll einspeisen, sondern auch zur Eigenversorgung genutzt werden soll, wird es undurchsichtig, kompliziert und bürokratisch. Mit den konkreten Möglichkeiten werden wir uns in den kommenden Wochen noch detailliert beschäftigen. Schauen Sie doch einmal bei www.pvlotse.de vorbei. Natürlich werden wir auch in den DGS-News immer wieder aktuell dazu berichten. Wir werden dabei sowohl die Umsetzbarkeit als auch die Wirtschaftlichkeit des Weiterbetriebs im Auge behalten.
Punkt 6,7,9:
Die Punkte Wärmeplanung und Förderung für Öko-Energieversorger sind nicht EEG-relevant, ebenso der Ausbau der solaren Wärmeerzeugung durch Solarthermie. Eine Streichung der Industrie-Privilegien (EEG-Umlagebefreiung für energieintensive Betriebe) ist nicht in Aussicht, im Gegenteil: Unternehmen sollen weiter von den Ausnahmen profitieren, obwohl sie inzwischen unter die entsprechenden Schwellenwerte der Energieintensität rutschen.
Punkt 8: Innovationen
Ja, es soll Innovationen geben! Zumindest soll die danach benannte Ausschreibung in Zukunft mehr neue Leistung umfassen und Kombikraftwerken (z.B. PV+ Speicher) in die Umsetzung helfen. Die entsprechenden Regelungen sollen bis zum Jahr 2028 verlängert werden. Doch ob es neue Konzepte wie schwimmende PV-Anlagen oder Agro-Photovoltaik damit schaffen können, darf derzeit in Frage gestellt werden. Und wie bei den anderen Ausschreibungen gilt: Ausschreibung heißt Volleinspeisung, eine Eigenversorgung ist dabei nicht erlaubt.
Punkt 10: Vorbildfunktion des Bundes
Nein, der Bund will hier kein Vorbild werden. Nicht durch begleitende Image-Arbeit, nicht durch die Belegung eigener Gebäude. Bemerkenswert: Zur gleichen Zeit wird die Nutzung von Wasserstoff gehypt, der ja nur dann ökologisch ist, wenn er aus grünem Strom hergestellt wird. Viel grüner Strom wird zukünftig dafür benötigt. Aber auch in diesem Zusammenhang ist ein Ausbau der Erneuerbaren kein Thema.
Fazit
Bei der Beurteilung eines Papiers in einem so frühen Stadium ist Vorsicht angebracht. Inhaltlich sind einige Kritikpunkte aus dem 10-Punkte-Plan tatsächlich aufgegriffen worden, andererseits strotzt der neue Entwurf vor weiterer Bürokratisierung, mehr Risiko und schlechteren Konditionen für die PV-Betreiber, die ja eigentlich nur eins wollen: Mit eigener Motivation und Initiative die Energiewende ein wenig voranbringen. Aus dieser Sicht hat der aktuelle Entwurf leider bislang nur ganz wenig zu bieten.