04.09.2020
Solardiskussion auf der virtuellen Maintal-Terrasse
Ein Tagungseindruck von Heinz Wraneschitz
Es steht unter Denkmalschutz, das Kloster Banz, die Tagungsstätte der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung. Das PV-Symposium, das dort seit 35 Jahren traditionsgemäß im Frühling stattfindet, genießt unter Solarstrom-Fachleuten schon lange Kultstatus, nicht nur aus Deutschland. Doch in diesem März war es ausgerechnet in der ersten Corona-Sperrwoche geplant gewesen: Es musste also von heute auf morgen abgesagt werden.
Als vor Jahren Symposiums-Gründer und -Veranstalter Otti-Kolleg pleitegegangen war, hat Conexio aus Pforzheim das Symposium schon einmal gerettet. Und auch in diesem Jahr hat der „junge Kongressveranstalter, der den Staffelstab mehrerer traditionsreicher Branchenpioniere übernommen hat“, entschieden: Das PV-Symposium Banz darf nicht sterben! Weshalb es knapp ein halbes Jahr nach der Absage online über die Bühne ging – aber vom Kloster aus gesteuert.
Ja, es ging einiges verloren. Altgediente Banz-Solarier vermissten das Bierstübchen: In dem sind viele kreative, solare Ideen geboren worden, die später mit ordentlich Staatsförderung in die Praxis umgesetzt wurden. Heuer gab es ersatzweise die virtuelle „Maintal-Terrasse“: Dort trafen sich Zuhörer und Referierende nach den Vorträgen, um zu diskutieren. Das Bier mussten die Zuhörenden dabei selbst aus dem eigenen Keller holen.
Was trotz Webkonferenz gleich geblieben ist: Am ersten, dem „politischen“ Tag, war wieder kein verantwortlicher Politiker der Schwarz-Roten GroKo dabei, um mit dem versammelten Fachleute-Pool über die Zukunft der Photovoltaik im Speziellen und über die stockende Energiewende im Allgemeinen zu sprechen. Dabei war – ob Zufall oder nicht – am Tag vor dem Kongress aus dem Haus von Bundes-Energieminister Peter Altmeier ein „erster Referentenentwurf“ zur Renovierung des mehrfach erneuerten Erneuerbare-Energien-Gesetzes EEG in Umlauf gebracht worden.
Auf diesen Entwurf wartet die Solar-Kommune schon seit Jahren. Denn am 01.01.2021 heißt es für viele Ökostromanlagen, die 2000 in Betrieb gegangen sind: Aus die Maus. Wenn der Bundestag bis dahin nicht eine Folgeregelung gefunden hat: Nur die kann das sonst notwendige Abschalten von wohl einigen Gigawatt Solar- und Windkraftanlagen noch verhindern. Glaubt man Insidern außerhalb des Teilnehmerkreises, dann will die Regierung dieses EEG-Update noch im laufenden Monat durch Bundestag und Bundesrat absegnen lassen – man darf gespannt sein.
Fast alle Kongressteilnehmenden jedenfalls sahen nicht nur den Ab-, auch den Ausbau der „Erneuerbaren“ gefährdet, sollte die – im Entwurf 140-seitige - EEG-Novelle kein großer Wurf werden. Jann Binder, Moderator der Posterprämierung, würde gerne „dieses Poster über jeden Schreibtisch im BMWi hängen“, welches auf den 3. Platz kam: Genau 50 „Hemmnisse und Hürden für die Photovoltaik“ hat eine Arbeitsgruppe der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin darauf detailliert skizziert – fast alle sind Defizite der Bundes-Energiepolitik.
Das Mieterstromgesetz als Anhängsel des EEG ist so eine kritisierte Bremse. Würde das entbürokratisiert, würden viel mehr Mietwohnungseigentümer investieren und ihren Mietern den am Dach erzeugten Strom direkt verkaufen. Doch wer den neuen EEG-Entwurf genau anschaut, glaubt nicht daran: Dort werden Vergütungen und Steuerbeträge auf Hundertstel Cent genau definiert. „Die Deutschen wollen immer alles ganz genau machen“, merkte der Schweizer Solarpionier Thomas Nordmann zur altbekannten Regelungswut hierzulande an und wusste dabei nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
Viel Raum bei den Technik-Sitzungen nahmen diesmal die Entwicklungen rund um die flexible Solarstromnutzung ein. Jan Figgener von der RWTH Aachen führte vor, wie unterschiedlich „PV-Heimspeichersysteme im Feld altern“, also an Kapazität und Effizienz einbüßen. Auch deshalb merkte Johannes Weniger von der HTW Berlin an, dass die Transparenz bei Speichersystemen das A und O ist. Das hat wohl auch mit dem von Weniger erkannten „Wettrüsten unter den Herstellern am Speichermarkt“ zu tun. Ein paar von ihm erkannte Mängel: Die Algorithmen zur Ladezustandsbestimmung seien nicht immer optimal; der Ladungsausgleich zwischen den Batteriezellen funktioniere nicht immer. Während der Batteriewirkungsgrad – bereits zwischen 98 und 88 Prozent - immer größer werde, gingen bis zu 10 Prozent der Energie im Wechselrichter verloren: „Bei Anlagen mit 10kWp Leistung zwischen 471 und 1079 kWh pro Jahr“ hat die HTW ermittelt.
Wobei beim Wirkungsgrad nicht nur auf ohmsche Verbraucher geschaut werden dürfe, wie Robin Grab vom Fraunhofer-ISE an drastischen Bildern und Zahlen erläuterte: Immer mehr würde von Wechselrichtern die Abgabe von Blindleistung gefordert, um die Netze zu stützen. „Im letzten Netzentwicklungsplan steht dazu: bis zu 74 GVAr (Giga-Volt-Ampere reaktiv) müssten die PV-Anlagen liefern.“ Und er zeigte die riesige Spreizung der Verluste in verschiedenen Umrichtern, ohne Namen zu nennen.
Doch sei das Vorhandensein möglichst vieler dezentraler Speicher unerlässlich „für den sicheren und stabilen Betrieb regenerativ dominierter Energienetze“, konstatierte Andreas Knobloch, beim Wechselrichter-Hersteller SMA tätig. Thorsten Bülo, ebenfalls SMA, unterstützte das mit Hinweis auf den Abschlussbericht des Projekts „Green Access“. Das hatte die Verteilnetzregelung über die Spannungsebenen hinweg im Blick und als Ergebnis: „Netzausbaubedarf besteht erst bei absolut hohen Zubauraten.“ Was wiederum die massiven, gesetzlich festgelegten Netzausbaupläne von Bundesnetzagentur und Übertragungsnetzbetreibern in Zweifel zieht.
Wichtig für den notwendigen Ausbau ist nach Meinung der mit Kloster Banz per Web verbundenen Fachleute, dass das Riesen-Potenzial der bundesdeutschen Dächer endlich ernsthaft für PV-Anlagen aufgeschlossen wird: Sonst werde es nichts mit 65 Prozent Erneuerbare Energien bis 2030. Zumal ebenso wie bei Wohnungsdächern auch die meisten Flächen auf Industriegebäuden und Hallen „oben ohne“, also solarfrei dastünden. Solarbaupflicht in allen Bundesländern war deshalb eine vielfach gehörte Forderung.
Achja, der zweite Preis der Posterprämierung ging an Forscher des Fraunhofer-ISE für deren Agro-PV-Potenzialanalyse. Allein in der Bodenseeregion haben sie „0,34% der Fläche als sehr gut, 3 Prozent als gut geeignet“ für PV über und am Rand von landwirtschaftlichen Flächen erkundet. Auf Deutschland übertragen, bedeutet das: Allein mit konsequent installierter Agro-PV ließe sich die Republik sonnig mit Strom versorgen. Denn 0,5 Prozent der gesamten Landesfläche würde dafür ausreichen, haben andere schlaue Köpfe errechnet.
Am Ende des Symposiums herrschte hoffnungsvolle Aufbruchsstimmung: Die Gäste und Referenten wollten nicht nur weg aus der Online-Konferenz, sondern hinein in die solare Zukunft. So ganz haben es die Solarleute also noch nicht aufgegeben, dass der große EEG-Wurf gelingen könnte. Und auch Banz-PV wird nicht sterben, versprach Conexio. Deshalb wird spätestens am 2. März 2021 weiter solar diskutiert. Denn dann steht das 36. PV-Symposium an. Möglichst live im Kloster, hieß es zuversichtlich.