28.08.2020
Berliner Umweltverbände fordern: Vollständige regenerative Wärmeerzeugung bis 2035!
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
26.08.2020, vormittags: „Erneuerbare Wärme statt fossile Sackgasse“ steht auf einem der Transparente, die Umweltaktivisten vor dem Roten Rathaus hoch halten. Die Demonstranten fordern, dass der Berliner Senat in dieser Legislaturperiode ein Wärmegesetz verabschiedet. Ihre Forderungen haben sie in einem 16-seitigen Eckpunktepapier zusammengefasst.
„Raus aus der Steinzeit, die Zukunft ist erneuerbar“ rufen einige in der Gruppe und demonstrieren für einen Ausstieg aus den fossilen Energien. Einzelne Passanten blicken neugierig, bleiben stehen und hören dem Pressesprecher der Organisation Bürgerbegehren Klimaschutz (BBK) zu. Eric Häublein berichtet vom „Eckpunktepapier zur nachhaltigen Wärmeversorgung“, das zivilgesellschaftliche Gruppen erstellt und an den Berliner Senat übergeben haben. Die Gruppen sehen ein großes Potential für den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Wärme- und Gebäudesektor, da dieser Bereich mit einem Ausstoß an Treibhausgasen in Höhe von 9,6 Millionen Tonnen etwa die Hälfte der Emissionen in der Hauptstadt ausmache. Der Wert bezieht sich auf einen Endenergiebedarf von 31 Terrawattstunden, wie der Einleitung im Forderungspapier zu entnehmen ist.
„Spätestens 2035 soll Berlin klimaneutral werden!“ So fasst Annka Esser vom Bündnis Kohleausstieg Berlin die Hauptforderung der beteiligten Umweltverbände zusammen: eine vollständige regenerative Wärmeerzeugung bis 2035. Dazu gehörten der Einsatz von Wärmepumpen – in Kombination mit Solarthermie sowie PV-Strom für deren Strombezug –, ökologische und recyclingfähige Dämmstoffe sowie eine sozialverträgliche energetische Sanierung. Damit sei eine „warmmietneutrale Sanierung“ nach dem Vorbild der Stadt Wien gemeint, erklärt Esser auf Nachfrage. Demnach können sich dort Eigentümer und Vermieter an eine Schlichtungsstelle wenden und beispielsweise beantragen, dass eine Mieterhöhung nur für den Zeitraum gilt, bis die Kosten gedeckt sind. Ihrer Meinung nach brauche es politische Regelungen, um die Lebensgrundlagen in allen Sektoren zu erhalten und dafür zu sorgen, dass die Forderungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten werden. Für Esser sei die Machbarkeitsstudie „Kohleausstieg und nachhaltige Fernwärmeversorgung Berlin 2030“ im Auftrag der Vattenfall Wärme Berlin AG und des Landes Berlin ein Beispiel dafür, eine solche Entscheidung „nicht Konzernen zu überlassen“. Denn der von Vattenfall eingeleitete Ausstieg aus der Kohleverstromung bis zum Jahr 2030 bedeute nichts anderes, als Kohle durch Erdgas und Abwärme aus der Verbrennung von Restmüll zu ersetzen. Der Energiekonzern hatte angekündigt, Steinkohle in Zukunft durch Erdgas abzulösen.
"Wärmewende ist machbar"
Die Aktivisten möchten „zeigen, dass die Wärmewende machbar ist“. Beispielsweise sei die Einführung eines CO2-Grenzwerts für das Berliner Fernwärmenetz „ein einfacher Hebel“, sagt Julia Epp vom BUND Berlin. Zudem könne die Einführung einer Quote für Erneuerbare Energien in der Fernwärme Anreize schaffen, um diese auszubauen und dafür zu sorgen, dass das Fernwärmenetz nachhaltiger werde. Weitere Handlungsspielräume seien einerseits Bebauungspläne, denn in diesen können Kommunalpolitiker Flächen für Erneuerbare Energien ausweisen, und andererseits die finanzielle Förderung von saisonalen Speichern. Kerstin Dörenbruch von Greenpeace Berlin betont die Forderung des zivilgesellschaftlichen Bündnisses nach einem sofortigen Verbot des Verkaufs und der Neuinstallation von Heizungen mit fossilen Energieträgern sowie einen Umrüstzwang für Heizungssysteme, die mit fossilen Energien betrieben werden und älter sind als 30 Jahre.
Für die Autoren des Forderungspapiers gehört Berlin zu den „Schlusslichtern im Bundesvergleich bezüglich erneuerbarer Wärme“, da der Anteil Erneuerbarer Energien im Wärmebereich unter 4 % liegt. Saskia Mache von BBK betont, dass 50 % des Wärmeverbrauchs durch erneuerbare Wärme aufgebracht werden und 50 % durch Einsparungen reduziert werden sollten. Dafür schlägt BBK konkret vor: Im Neubau sollten Gebäude sofort mindestens im Passivhausstandard, im Bestand Gebäude gemäß KfW-55-Standard gebaut werden. Weiter fordern die Klimaaktivisten eine Bürgerbeteiligung bei der Erarbeitung von Sanierungsplänen. Sie möchten, dass diese Beteiligung und ihre Wirksamkeit gesetzlich gesichert werden.
Berlin war Ende 2019 das erste Bundesland, das eine Klimanotlage anerkannte. Nun erhoffen sich die Umweltverbände, dass sich der Senat an seine eigene Absichtserklärung hält: Die Berliner Regierung hatte damals erklärt, sie betrachte die Eindämmung der Klimakrise und ihrer Folgen als Aufgabe von höchster Priorität.
Hinweis:
Am Bündnis Kohleausstieg Berlin sind neben den im Text genannten Organisationen unter anderem auch die Naturfreunde Berlin, Grüne Liga Berlin, Berliner Energietisch, Powershift, Fridays for Future, Fossil Free Berlin und Klimanotstand Berlin beteiligt.