24.07.2020
Die Weltmeere versauern
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Die Ozeane haben die Auswirkungen der Erderwärmung abgemildert. Denn sie haben gut ein Drittel des seit der Industrialisierung freigesetzten Kohlendioxids aufgenommen. Forschungsergebnisse zeigen, dass diese Pufferwirkung nachlässt: das ursprünglich leicht basische Meereswasser wird immer saurer.
Weltweit werden neben Steinkohle und Braunkohle weiterhin auch die fossilen Brennstoffe Öl und Erdgas verfeuert, und täglich steigt stetig der Ausstoß an Kohlenstoffdioxid (CO2) an. Da sich der CO2-Gehalt in der Atmosphäre erhöht, steigt die CO2-Konzentration entsprechend auch in den oberflächennahen Schichten der Weltmeere. Das im Meerwasser gelöste CO2 reagiert zu einem gewissen Teil zu Kohlensäure und führt zu einer Versauerung des Wassers.
Bereits 2013 zeigte der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) in einem Bericht (1), dass die Ozeane gut ein Drittel des vom Menschen verursachten atmosphärischen CO2 aufgenommen haben. Diese Aussage basiert auf ermittelte kumulative anthropogene CO2-Emissionen von 555 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) in die Atmosphäre. Laut IPCC-Bericht haben die Ozeane etwa 155 Gigatonnen davon aufgenommen. 240 Gigatonnen hat die Erdatmosphäre selbst und etwa 160 Gigatonnen haben die Landmassen aufgenommen. Der Effekt der Weltmeere als „Senke“ für die CO2-Emissionen führte einerseits dazu, dass die Erderwärmung abgeschwächt wurde. Andererseits lässt diese Pufferwirkung nach: der Säuregrad der Weltmeere – als pH-Wert angegeben – hat sich erhöht. Parallel zum CO2-Anstieg in der Atmosphäre ist der pH-Wert im Mittel von 8,2 auf 8,1 gesunken. Diese Abnahme des pH-Wertes um 0,1 entspricht einer Erhöhung der Konzentration an Wasserstoff-Ionen (H+) von 6,3 x 10-9 auf 7,9 x 10-9, was einer Zunahme des Säuregehalts um 26 Prozent entspricht. Seit dem Ende der 1980er Jahre wurde eine Reduzierung des pH-Werts des Oberflächenwassers der Meere um 0,017 bis 0,027 Einheiten pro Dekade beobachtet.
Das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) hat eine informative Faktensammlung zum Thema Ozeanversauerung auf seiner Internetpräsenz veröffentlicht. Die Meeresforschenden erläutern dort, dass der pH-Wert bis zum Jahr 2100 voraussichtlich um weitere 0,3 bis 0,4 Einheiten sinken wird. Der pH-Wert wird in einer logarithmischen Skala angegeben, deshalb entspricht diese Änderung einer Erhöhung der Versauerung um 100 bis 150 Prozent. Da sich CO2besonders gut in kaltem Wasser löst, nimmt kühleres Wasser mehr CO2 aus der Atmosphäre auf als wärmeres Wasser. Das ist der Grund dafür, dass die Ozeanversauerung vor allem in den Polarregionen voranschreitet. Folglich wird der stärkste Rückgang des pH-Werts im Arktischen Ozean erwartet, wo der pH-Wert bis um 0,5 sinken könnte.
Das Oberflächenwasser der Ozeane ist normalerweise mit Karbonat-Ionen (CO32) übersättigt. Diese ermöglichen es, kalk bildenden Organismen, etwa Muscheln oder Korallen, ihre Schalen und Skelette aufzubauen. Diese Organismen produzieren zwei Sorten von Kalk (Kalziumkarbonat, CaCO3): Kalzit und Aragonit. Kalzit ist etwas beständiger, es ist in den Schalen von Muscheln, einigen Korallen, Seeigeln und Seesternen. Aragonit ist leichter löslich, und befindet sich in den meisten Korallen. Der Sättigungshorizont für die Bildung von Kalzit liegt demnach in größeren Tiefen als der von Aragonit. Diese Sättigungshorizonte bewegen sich aufgrund der Versauerung der Meere in höhere Schichten. Zudem geraten immer mehr kalkbildende Organismen in untersättigte Schichten, das heißt die Kalkbildung wird für diese Meeresorganismen aufwändiger. Folglich können die Kalkschalen dünner werden oder sich auflösen und weniger Schutz vor Fressfeinden bieten. Die artenreichsten Ökosysteme der Meere, die Korallenriffe, leiden bereits heute in einigen Regionen unter zu warmen und zu sauren Lebensbedingungen. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts könnten sogar nur noch 30 Prozent aller Korallen genügend Baustoffe für ihre Skelette zur Verfügung stehen. Auch andere Meereslebewesen, die keine Kalkschalen oder -skelette besitzen, müssen im saureren Wasser mehr Energie aufbringen, um ihre Körperfunktionen zu regulieren. Zusätzliche Energie, die für das Überleben unter saureren Bedingungen benötigt wird, fehlt Organismen dann für ihr Wachstum, die Fortpflanzung oder den Widerstand gegen andere Umweltbelastungen.
Jedoch nicht alle Meeresbewohner reagieren empfindlich auf die veränderte Meereschemie. Seegräser, Makroalgen und Phytoplankton, die keine Kalkschale bilden, profitieren von einem sinkenden pH-Wert. Denn sie leben in Küstenregionen, die von Natur aus Schwankungen des Säuregrads unterliegen, sie nutzen Kohlendioxid zur Photosynthese.
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass eine weitere Versauerung der Ozeane durch CO2-Emissionen aus fossilen Quellen die Chemie der Meere tiefgreifend verändern würde. Die Meeresforschenden des AWI machen in ihrer Faktenübersicht zur Ozeanversauerung auf die Dringlichkeit zu Handeln aufmerksam: "Es gibt nur einen wirksamen Weg, die Ozeanversauerung zu bekämpfen: Wir Menschen müssen unseren Ausstoß von Kohlendioxid verringern. Doch selbst wenn wir alle Emissionen von heute auf morgen stoppen könnten, bräuchte der Ozean Tausende Jahre, um sich vollkommen zu erholen."
(1) IPCC, 2013: Summary for Policymakers. In: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change
Buchtipp
Das Ende der Ozeane: Warum wir ohne die Meere nicht überleben werden
Mojib Latif, Verlag Herder, 2014, 319 Seiten, ISBN: 978-3-451-31237-3
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