17.01.2020
Kohleausstieg – nur ein kleiner Anfang
Das Kraftwerk Jänschwalde, das mit Braunkohle aus den Niederlausitzer Tagebauen Jänschwalde und Welzow-Süd befeuert wird, soll im Rahmen des Kohleausstieges in den Jahren 2025 bis 2028 vom Netz gehen. Das ist eines der Ergebnisse der Berliner Verhandlungen zwischen dem Bund und vier Ländern mit Braunkohle-Regionen, die am Donnerstag stattfanden. Das Kraftwerk Schwarze Pumpe soll bis Ende 2038 laufen. Dessen Betreiber LEAG erklärte, das Unternehmen begrüße "das Einverständnis und den Willen der Bundesregierung zur sozialen Flankierung des politisch vereinbarten Kohleausstiegs für die betroffenen Mitarbeiter". Wie bereits bekannt, sollen die Kohleregionen insgesamt 40 Mrd. Euro für den „Umbau ihrer Wirtschaft“ bekommen. Noch vor dem Treffen im Kanzleramt hatten die Kohleländer Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen auf verbindliche Zusagen gepocht. Neben der finanziellen Unterstützung müsse auch mehr Planungssicherheit für die Betroffenen geschaffen werden. Zahlreiche Punkte bleiben auch nach der Einigung offen. Das betrifft etwa die Stilllegungsphasen der Kraftwerke und die Auswirkungen auf die Tagebaue. Am Donnerstag wurde eine abschließende Bund-Länder-Vereinbarung bis Mai zugesagt. Über die wichtigste Zahl, wie viele Tonnen Kohle überhaupt noch verbrannt werden dürfen, schweigen sich Bund und Länder allerdings aus. Offenbar bleibt das den Energiekonzernen überlassen.
In den Jahren 2026 und 2029 soll im großen Stil überprüft werden, wie es mit dem Kohleausstieg funktioniert. Eine Frage wird dabei auch sein, ob Stilllegungs-Termine nach 2030 um je drei Jahre vorgezogen werden können. Festgeschrieben sind dagegen die Milliardenentschädigungen für das „vorzeitige Abschalten von Kohlekraftwerken“. Wie Finanzminister Olaf Scholz (SPD) erklärte, teile sich dies so auf, dass Betreiber westdeutscher Kraftwerke 2,6 Mrd. Euro, Betreiber von Anlagen im Osten 1,75 Mrd. erhielten. Insgesamt also 4,35 Mrd. Euro. Der erste Block eines Kohlekraftwerks werde bereits in diesem Jahr vom Netz gehen, sieben weitere sollen laut Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) zeitnah folgen. Die Blöcke werden allesamt von RWE in Nordrhein-Westfalen betrieben. Das umstrittene Steinkohlekraftwerk Datteln IV wird entgegen den Empfehlungen der Kohlekommission aber ans Netz gehen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat die Bund-Länder-Einigung zum Kohleausstieg als "Pakt der Vernunft" und "wichtigen Durchbruch" für den Klimaschutz begrüßt.
Wenn jetzt von Pakt der Vernunft, von notwendigem Strukturwandel und vor allem über neue Arbeitsplätze gesprochen wird, lohnt sich ein kurzer Blick zurück. Erste Ansätze gab es bereits vor mehr als einem Jahrzehnt etwa in Sachsen und in Sachsen-Anhalt, rund um die Lausitzer Braunkohletagebaue. Es waren die Arbeitsplätze der Solarindustrie, die im Zusammenhang mit EEG aufgebaut worden waren. Aber diese Arbeitsplätze sind längst verschwunden. Sie sind von einem Bündnis aus Energiekonzernen und Merkel-Regierung vernichtet worden. Es waren die „EEG-Reformen“ der Herren Rösler, Gabriel und Altmaier, die in den jeweiligen Merkel-Koalitionen die Weichen stellten, um den Boom bei der Photovoltaik abzuwürgen und gleichzeitig das Geschäft mit der Kohle- und Atomverstromung zu erhalten. Eine neue Infrastruktur und neue Arbeitsplätze auf Basis Erneuerbarer Energien wären längst angepackt, wenn nicht die Merkel-Koalitionen im Schlepptau der Kohleverstromer genau dies verhindert hätten. Der jetzige Kohleausstieg und die getroffenen Regelungen sind wahrlich kein Erfolg, sie sind ein Dokument der Ignoranz und des Versagens der von Kanzlerin Merkel geführten Koalitionen.
Und man darf sich von den Koalitionsparteien nach wie vor keinen Sand in die Augen streuen lassen. Mit den Worten Klimaschutz und Klimaneutralität auf den Lippen betreibt die GroKo, angeführt von Peter Altmaier ihr Abbruchunternehmen ungerührt weiter. Denn auch die Krise der Windenergie ist hausgemacht – Made by Merkel & Co. Nur dass dieses Mal die Windenergie zugunsten des Russengases oder des US-Frackinggas weichen müsste. Das findet sich auch im Kleingedruckten der Bund-Länder-Vereinbarung. „Zusätzliche Gaskraftwerks-Kapazitäten“ sollen an bisherigen Kraftwerksstandorten die wegfallende Energie ersetzen - zum Beispiel im brandenburgischen Jänschwalde. Nord Stream 2 lässt grüßen. Um es deutlich zu benennen: Die von Deutschen bis vor kurzem so heiß geliebte Mutti Merkel hat den Niedergang der Erneuerbaren und ihrer Unternehmen auf dem Gewissen. Die dahinterstehenden Energiekonzerne und Industrien hatten sich in den vergangenen Jahren nicht um die Auswirkungen aufs Klima geschert, so wenig wie sie das heute tun. Aktuelles Trauerspiel ist der Siemens-Konzern, der sogar noch die Dreistigkeit besitzt, Luisa Neubauer von der FFF Bewegung mit einem Aufsichtsratssitz bestechen zu wollen.
Wenn wir heute sehen, dass in Deutschland die Photovoltaik nicht untergegangen ist, liegt das alleine daran, dass Kräfte aus der Zivilgesellschaft dies verhindert haben. Allen voran die Solar- und Umweltorganisationen, aber auch die vielen einzelnen Bürger, die sich von einem zum Bürokratiemonster umfunktionierten EEG nicht entmutigen ließen. Diese Regierungen und ihre Ministerialbürokratie verfügen über eine unrühmliche Erfahrung im Ausbremsen demokratischer Bürgerrechte. Es ist dem Bewusstsein vieler Solarfreunde und deren Hartnäckigkeit zu verdanken, dass im Strombereich inzwischen über 40% des erzeugten Stroms von aus Sonne- und Windkraft stammen. Hätten sie nicht so gehandelt, hätten die Merkel-Koalitionen unter der Fahne der Energiewende die Erneuerbaren in Deutschland komplett marginalisiert, vielleicht sogar ganz zerstört. Das Ende der Kohleverstromung, wie ihn die Regierungsparteien zelebrieren, ist nicht mal eine Etappe beim kompletten Ausstieg aus den fossilen Verbrennungstechnologien. Nur ein kleiner Anfang.
Klaus Oberzig