17.01.2020
Geht bald der Windstrom wieder aus?
Nach 20 Betriebsjahren läuft die EEG-Förderung von Strom aus Ökokraftwerken aus. Doch was passiert danach? Ein Beispiel sind die Windrotoren im Landkreis Fürth. Doch Vogtsreichenbach ist überall. Es ist nun fast 20 Jahre her: Am 1. April 2000 trat das EEG in Kraft, das „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ der damals Rot-Grünen Regierungskoalition. Seither ist Deutschlands Strom viel natürlicher geworden: 46 Prozent davon der Erzeugung im Jahr 2019 kam aus Wasserkraft, Sonne, Biomasse und Wind. Gerade Windkraftwerke (WKW) tragen aktuell dazu über die Hälfte bei. Auch jene 22 Rotoren, die seither im Landkreis Fürth errichtet wurden, gehören zu diesen Ökostromproduzenten.
„20 plus Inbetriebnahmejahr“: So lange wird die Produktion des Stroms aus natürlichen Ressourcen durch Vergütungszahlungen gefördert, steht im EEG. Und die Verbraucher bezahlen dies mit der sogenannten EEG-Umlage. Von der wiederum sind ausgerechnet eine Vielzahl Großstromabnehmer befreit: Haushaltskunden unterstützen also neben Solar- und Windkraftwerksbesitzern auch die energieintensive Industrie.
20 Jahre scheinen eigentlich eine lange Zeit. Gerade im Vergleich zu den wenigen Monaten, die sich die Koalition damals für die Einführung des Gesetzes Zeit gelassen hat. Doch nun sind die ersten 20 EEG-Jahre fast rum. Aber bis heute wissen die einstigen Windpioniere nicht: Wie kann ich wirtschaftlich tragfähig meine Anlagen weiter betreiben?
„Wir haben zwei Optionen. Die wahrscheinlichste ist momentan Abbauen.“ Wolfgang Siebert wirkt sehr betrübt, wenn er daran denkt, was nach dem 31. Dezember 2021 mit dem Bürgerwindrad Vogtsreichenbach passiert. Vier Jahre haben seine und die anderen 167 Familien auf den 1. Dezember 2001 hingearbeitet. Sogar der örtliche Bund Naturschutz stand hinter dem Projekt – damals noch ein Novum bei Umweltverbänden. Dann floss der erste Windstrom von der Anlage mit 70 Metern Nabenhöhe und 48-Meter-Rotoren, einem echten Gemeinschaftsprojekt also, ins öffentliche Stromnetz.
Auch wenn die Erträge der Maschine Typ DeWind-D4 oft deutlich unter den prognostizierten 750.000 Kilowattstunden (kWh) jährlich lagen, was auch daran liegt, dass ein Blitz in die Anlage eingeschlagen hatte: Die Familien konnten sich „seither faktische selbst versorgen“, so ein Ziel der Idealisten aus dem Kreis Fürth.
Die zweite Alternative für Siebert wäre ein Weiterbetrieb ohne EEG-Förderung. Doch die Vergütung, die ihm Ökostrom-Vermarkter bisher dafür angeboten haben, seien nicht kostendeckend: „Pacht, Steuerberater, Gutachter, Wartung: Das ist alles teuer. Drauflegen können wir auch nicht“, sagt der Initiator. Das dienstälteste WKW im Kreis Fürth steht auf der Höhe zwischen den Dörfern Vinzenzenbronn und Vogtsreichenbach. Es wirkt im Gegensatz zu später entstandenen Kraftwerken fast zwergenhaft. Und selbst die – zum Beispiel die insgesamt 198 Meter hohen Bürgerwindenergie-Anlagen rund um Wilhermsdorf, ebenfalls Kreis Fürth – sind längst nicht mehr das Höchste, was derzeit am Markt ist.
Erich Wust nennt Gesamthöhen von 240 Meter als zurzeit fast üblich bei Neuanlagen im Binnenland. „Und deren Erträge sind dreimal so hoch als bei 140 Meter Nabenhöhe.“ Dabei seien 5,5 Meter pro Sekunde (m/s) Windgeschwindigkeit „bereits vollkommen ausreichend für wirtschaftlichen Betrieb“; das weiß der erfahrene Windprojektentwickler aus der Erfahrung der letzten Jahre. Deshalb wären zum Beispiel die 2008 errichteten WKW nahe Wilhermsdorf auch nach 20 Jahren EEG-Zeit weiter zu betreiben. Doch für die 600-kW-Maschine bei Vogtsreichenbach kann Wust sich das nur schwer vorstellen.
Und was ist mit Repowering, also ein neues Windrad anstelle des alten zu errichten? „Da braucht man eine neue Genehmigung. Und es ist wahrscheinlich aussichtslos, weil wir zu nahe an Vinzenzenbronn und Vogtsreichenbach sind. Bei 10H müsste man 2.000 Meter Abstand halten“, winkt Wolfgang Siebert ab. 10H, also 10-fache Gesamthöhe: Diese Regel hat Bayerns damaliger Finanzminister und jetziger Regierungschef Markus Söder im November 2014 für den Freistaat durchgesetzt. Seither dürfen nur noch solche WKW näher als 10H an Siedlungen gebaut werden, wenn die betroffenen Standort-Kommunen das wollen. Doch welches Stadt- oder Gemeinderatsgremium verscherzt es sich schon gerne mit den Nachbarn?
Und auch diese Möglichkeit soll noch weiter eingeschränkt werden, geht es nach Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Vor wenigen Wochen hat die Bundesregierung im Rahmen des so genannten „Klimapakets“ sogar eine bundesweit geltende 1.000-Meter-Abstandsregel vorgeschlagen. Die soll die ohnehin laut Umfragen geringe Zahl von Windgegnern befrieden. Und kürzlich hat die SPD ein „Bürgergeld“ ins Spiel gebracht: Das soll Anwohner potenzieller Windräder zu noch mehr Akzeptanz der „Landschaftsveränderung“ animieren.
„Das ist nicht der Weg“, sagt Raimund Kamm, der bayerische Landesvertreter des Bundesverbands Erneuerbare Energie BEE. Er empfiehlt stattdessen, „den Leuten, aber auch den Kommunen ein faires Beteiligungsangebot am Windrad zu machen. Die können damit Geld verdienen und zum Beispiel den Kindergarten unterstützen“; das ist für Kamm „ein wirkliches Bürgergeld“.
Erich Wust wiederum rät „mit der Erfahrung aus 100 Bürgerwindrädern, die wir mit 5.000 Bürgern ohne Konzerne und ohne Großinvestoren errichtet haben zu optimierter Bürgerbeteiligung“. Da sieht er sich mit weiteren bayerischen Projektentwicklern im Einklang. „Dann lassen sich auch hierzulande neue Windräder bauen. Die Bürgermeister müssen aktiv angesprochen werden, zusätzliche Flächen auszuweisen.“ Und anstatt Bürgergeld hat er die Idee, „über die Postleitzahl die von Wind-, Solar- oder Biokraftwerken betroffenen Bürger vom Stromnetzentgelt zu entlasten. Das wäre Gerechtigkeit nach dem Solidarprinzip.“
Ansonsten sieht Wust schwarz um die Energiewende. Und Windpionier Wolfgang Siebert setzt noch eins drauf: „Ich lach mich langsam kaputt über die Bundesregierung: Man kann doch alte Anlagen nur dann abschalten, wenn wirklich genug erneuerbarer Strom da ist. Allein die neue 1.000-Meter-Regelung macht eine Energiewende unmöglich.“ Zumal es Biogas- oder Solarstromanlagen nicht anders ergehen dürfte.