11.10.2019
CO2 – weg damit!
In den vergangenen Jahren haben wir uns darauf konzentriert, die Erneuerbare Energien voranzubringen und damit den Ausstoß von CO2 für die Zukunft zu vermindern. Der Kohleausstieg soll die Emission von CO2 im Kraftwerksbereich reduzieren, Elektroautos den Ausstoß im Verkehr mindern. Doch bei bestimmten Industrieprozessen (z.B. Zement- oder Glasherstellung) könnte es schwierig werden, CO2-Emissionen zu senken oder ganz zu vermeiden. Die Forschung arbeitet daher auch daran, entstandenes CO2 weiterzuverarbeiten. Unter dem Fachausdruck „CO2-Konversion“ werden die Verfahren zusammengefasst, die CO2 als Ausgangsstoff einsetzen und in verschiedenen Produkten und Verfahren nutzbar machen. Im August fand dazu eine Veranstaltung der Fördergesellschaft Erneuerbare Energien (FEE) in Duisburg statt. Die FEE betont: Nur die Freisetzung nach fossilen Verbrennungs- und Stoffwandlungsprozessen macht Kohlendioxid zum Klimaschadgas. Kohlenstoff und seine Verbindungen sind natürliche Bestandteile des Lebens, es kommt darauf an, CO2 endlich als Rohstoff zu verstehen und Technologien zu entwickeln, dieses Gas energetisch und stofflich zu nutzen. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, zu denen geforscht wird. Auch erste Schritte zur kommerziellen Anwendung wurden schon gegangen.
CO aus CO2 gewinnen
Zu Beginn muss immer Kohlendioxyd (CO2) zu Kohlenmonoxyd (CO) gespalten werden. Bisher wird dafür meist ein Elektrolyse-Verfahren benutzt. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB und der Universität Stuttgart haben dafür nun einen kombinierten Plasma- und Membranprozess entwickelt, der diesen Schritt erledigt. Angeregt über eine Mikrowelle, die über starke elektrische Felder ein Atmosphärendruckplasma erzeugt, wird CO2 darin zu CO und Sauerstoff gespalten (Bild1). Hochenergetische Teilchen treffen dabei auf CO2-Moleküle und zerteilen sie dann in CO und O2. Jetzt muss „nur“ noch verhindert werden, dass das CO mit Sauerstoff wieder zu CO2 zurückreagiert. Dafür dient eine neue Membran, die bei rund 1.000 Grad Celsius durchlässig für Sauerstoff, aber nicht für CO oder CO2 ist. Über diese Hightech-Membran, die aus speziellen Keramiken und Polymeren gesintert wird, wird der Sauerstoff abgesaugt. Für den nächste Schritt dieses Verfahrens auf dem Weg zur Demonstration der technischen Machbarkeit erhöhen die Forschen nun die Trennleistung des Plasma-Membran-Reaktors.
Von CO zum Chemie-Grundstoff
Für die Weiterverarbeitung aus CO gibt es nun mehrere Möglichkeiten, die im Folgenden beschrieben werden. Aus dem Ausgangsstoff Kohlendioxyd (CO2) und die Spaltung zu CO können Grundstoffe für die Chemie hergestellt werden, zwei Fliegen werden dabei mit einer Klappe geschlagen: Das (z.B. in einem Zementwerk) entstehende CO2 entweicht nicht in die Atmosphäre und gleichzeitig wird ein chemischer Grundstoff hergestellt, der nicht erst aufwändig aus Erdöl (wie die meisten heutigen Chemiestoffe) gewonnen werden muss.
Forscher der amerikanischen Stanford-Universität haben elektrochemische Zellen hergestellt, die helfen, aus CO2 einen Rohstoff zur Kunststoffherstellung zu gewinnen. Dabei wird vom CO2 Sauerstoff (O2) abgespalten und anschließend unter Zugabe von Wasser (H2O) daraus C2H4 (Ethen) erzeugt, das weiter zu Polymeren verarbeitet werden kann. Die Umwandlung ist daher hochwertiger als die unten beschriebene Elektrolyse zu CH4 (Methan). Bislang waren diese Verfahren umständlich und teuer, weil immer ein Konzentrations- und Reinigungsschritt bei der Umwandlung notwendig war. Die neuen, in Standford entwickelten, elektrochemischen Zellen bekämpfen diese Ineffizienzen mit einem modifizierten Prozessdesign. Das Team um Chemieprofessor Kanan skaliert derzeit ihren Prototyp, um festzustellen, ob das Design modifiziert werden muss, um im industriellen Maßstab erfolgreich zu sein. Er hofft, dass sie ihre CO-Elektrolysezellen schließlich mit bestehenden Technologien zur Umwandlung von CO2 in CO (siehe oben) kombinieren können.
Aus CO2 Methan erzeugen
Methan zählt selbst zu den klimaschädlichen Gasen, wenn es in die Atmosphäre entweicht. Es kann aber auch künstlich aus CO2 gewonnen und dann als gasförmiger Energieträger genutzt werden. CO2 wird dabei unter Nutzung erneuerbaren Stroms mit Wasserstoff zu CH4 (Methan) gewandelt. Unser Erdgas besteht zu 82 Prozent (Erdgas L) bis 90 Prozent (Nord-Erdgas H) aus (fossilem) Methan, regenerativ erzeugtes Methan kann nahezu unbegrenzt dem Erdgas beigemischt werden. Grünes Methan – aus Erneuerbaren Energien hergestellt – kann Erd- und LNG-Gas vollständig klimaneutral ersetzen. Gleichzeitig kann dieses „Power-to-Gas“- Verfahren helfen, Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Ob dafür aber genug „Überschussstrom“ zukünftig zur Verfügung steht, darf bei den derzeitig politisch verfolgten Ausbaupfaden bezweifelt werden.
Flüssiges Methanol gewinnen
Am Institut für Energie- und Umwelttechnik (IUTA) der Universität Duisburg wird sowohl im Bereich der Grundlagen als auch vor allem der anwendungsorientierten Forschung gearbeitet, in dem heute betrachteten Feld ist das unter anderem die Erzeugung von Methanol aus CO2. Aus Sicht der Energiewirtschaft kann das auch als „Power-to-Fuel“ bezeichnet werden, wenn das Verfahren mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen betrieben wird. Schon 2015 wurde hier eine Studie erstellt, welche die Wirtschaftlichkeit der Umwandlung von Rauchgas-CO2 zu Methanol beleuchtet hat, damals noch mit wenig attraktiven Ergebnissen. Das IUTA beschäftigt sich neben der technischen Seite auch mit der ökologischen Bewertung solch neuer Prozesse und mit der Wirtschaftlichkeit, zusätzlich auch noch mit der dazugehörigen Messtechnik, um in den Prozessen auch die relevanten Parameter beobachten und optimieren zu können.
Auch schon als Konzept für kommerzielle Anlagen wurde vom KIT (Karlsruhe), Sunfire und weiteren Partnern eine Containerlösung entwickelt, die direkt das CO2 der Luft als Quellstoff für die Herstellung von synthetischem Kraftstoff nutzt. Auch die Kölner Firma Climaworks hat bereits weltweit 14 Anlagen im Einsatz, die mit Hilfe von Wärmezufuhr CO2 aus der Umgebungsluft ausfiltern und zur Weiterverarbeitung bereitstellen. In einem weiteren Verbundprojekt „Power-to-Methanol“ (PtM) wird gemeinsam mit Partnern wie Thyssenkrupp und Südzucker an der industriellen Herstellung und Speicherung von Methanol gearbeitet. In Betrieb ist bereits eine Methanol-Produktion auf Island, die dort mit 5.000 Tonnen Jahresproduktion rund 2,5 % des Kraftstoffbedarfs deckt.
Direktnutzung von CO2
Direktnutzung? Ja, wir nutzen auch CO2 in unserm täglichen Leben. Und das direkt stofflich als Gas: Vom Feuerlöscher über Trockeneis bis zur CO2-Patrone für das Bierfass: Hier wird gasförmiges CO2 direkt von uns als Verbraucher eingesetzt.
CO2 zu Biomasse umwandeln
Mikroorganismen wie Algen können dazu benutzt werden, CO2 umzuwandeln und das Klimagas entweder in Biomasse oder andere Wertstoffe umzusetzen. Schon vor Jahren starteten Energiekonzerne Pilotprojekte mit Algenfarmen. Die Idee dabei war, sich das schnelle Wachstum der Pflanzen zunutze zu machen, indem man sie in speziellen Reaktoren mit Rauchgasen aus Kohlekraftwerken "füttert" und so das CO2 der Kraftwerke bindet. Allerdings wurden auch bei diesen Demoanlagen wenig Fortschritte beim Flächenverbrauch und der Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen erreicht. Forscher aus München haben Ende 2018 einen Durchbruch vermeldet: Sie wandeln CO2 mit Hilfe von speziellen Salzwasser-Algen zunächst in ein Algenöl um. In einem zweiten Schritt lassen sich daraus effizient sogenannte Polyacrylnitrilfasern herstellen. Diese können dann zu Kohlefasern zum Beispiel für den Flugzeugbau weiterverarbeitet werden.
Und zuletzt: Natürliche Umsetzung
Als letzte Möglichkeit des CO2-Einsatzes darf selbstverständlich auch der biologische Einsatz nicht fehlen: Die Nutzung in Pflanzen durch Photosynthese, damit der Kohlenstoff langfristig in Biomasse verbleibt. Schon vor über einem Jahrzehnt kam die Idee des Anbaus von Energiepflanzen auf, die schnell wachsen und dabei Biomasse erzeugen, die dann CO2-neutral verfeuert werden kann. Auch die aktuellen Bestrebungen und Diskussionen zur massiven Wald-Aufforstung weltweit zielen auf diesen Weg ab.
Und die Praxis?
Sie steckt im technischen Bereich noch in den Kinderschuhen, sprich: größtenteils auf Forschungsebene. Doch es gibt schon Beispiele, bei denen Verfahren großtechnisch und industriell schon heute getestet werden: So wird die Abtrennung von Zementwerksabgasen schon im mehrmonatigen Versuchsbetrieb vom IUTA (Duisburg) getestet. Eine Demoanlage in Dormagen produziert seit 2016 rund 5.000 Tonnen Polymere pro Jahr aus CO2. Im Rahmen des Forschungsprojektes Sunfire wird in einer Demoanlage seit Ende 2014 täglich 1 Barrel (159 Liter) synthetischer Kraftstoff erzeugt. Trotz der zum Teil schon fortgeschrittenen Technik sind Skalierung und Wirtschaftlichkeit derzeit teils noch weit von praktikablen Parametern entfernt. Und noch ein „Haken“ haben alle technischen Umwandlungswege, die oben dargestellt sind: Alle benötigen sie Wasserstoff (H2) zur Weiterverarbeitung. Konsens ist, dass dieser aus Erneuerbaren Energien bereitgestellt werden muss. Solange also nicht ausreichend erneuerbarer Wasserstoff zur Verfügung steht, werden die technischen CO2-Wandlungen auch nicht in voller Breite industriell eingeführt werden können.