02.08.2019
Hört auf, uns für dumm verkaufen zu wollen
Der beschleunigte Klimawandel ist mittlerweile auch faktisch bei uns allen angekommen. Das zeigt auch die zunehmende Akzeptanz in weiten Teilen unserer Gesellschaft alltägliche Dinge zu überdenken und offener für ordnungspolitische Maßnahmen zu sein. Dass in einer solchen Atmosphäre des Begreifens des eigenen Handelns nun auch die Politik umzuschwenken scheint und immer neue Klimasäue durch die Dörfer treibt, sprich ein eigenes Klimakabinett bildet, Krisengipfel einberuft und bislang unumstößliche Denkmuster aufbricht ist erst mal gut.
Weniger gut ist es jedoch, wenn es trotz des breiten Handlungsdrucks auf der legislativen Ebene nicht gelingt, populäre und übliche Mechanismen zu durchbrechen und ehrlichere Politik zu betreiben. Was nutzt der beste Konsens, wenn im Zuge einer Diskussion über Klimagasabgaben wie einer CO2-Steuer oder einer Reform des Emissionshandels immer wieder die Mär verbreitet wird, dass ein damit angestrebtes schnelles Herumreißen des Ruders ohne Belastungen von statten gehen könne. Wie kann man ernsthaft behaupten, die Treibhausgase mit einer marktwirtschaftlichen Lenkungsmaßnahme so schnell wie möglich auf Null herunterzufahren und das Ganze aufwandsneutral gestalten zu wollen. Es ist geradezu töricht, wenn damit suggeriert wird, dass Klimaschutz nichts oder nur wenig kosten würde.
Mehr als ärgerlich ist, wenn in dem Zusammenhang davor gewarnt wird, die Freiheit einzuschränken und den Wohlstand zu gefährden. Denkt denn im Ernst jemand, dass wir kostenneutral aus der Nummer rauskommen und eine nachhaltige Gesellschaft werden können, in der alles andere so bleibt wie zuvor? Mittlerweile hat es sicherlich fast jeder begriffen: Wir leben diese Freiheit auf Kosten von Rohstoff- und Humanausbeutung, unser Wohlstand hat immer weniger mit unserer Leistung, sondern vielmehr mit unserem auf Ausbeutung und Wirtschaftsmacht und Abhängigkeiten basierenden System zu tun. Es ist geradezu romantisch, zu behaupten, dass Deutschland ein Vorreiter für alles mögliche „Grüne“ sei. Ehrlicher wäre es zu sagen, dass wir nahezu schon auf allen zukunftsrelevanten Ebenen ein- und überholt wurden.
Wird eine CO2-Steuer bezahlt, dieses Geld aber auf einem anderen Weg wieder zurückfließt, wie soll daraus ein Anreiz entstehen, das eigene Verhalten zu ändern? Baut man ein linke-Tasche-rechte Tasche Steuersystem auf oder setzt man auf ein für den Verbraucher wenig durchschaubaren Emissionshandel, dann wird sich nur marginal etwas ändern. Umso schlimmer: die so unterbleibenden Maßnahmen werden dadurch letztendlich nur teurer, die zukünftigen Einschnitte radikaler und die Gestaltungsmöglichkeiten der Gesellschaft umso schwieriger. Leichter wird es hingegen für diejenigen, die einfache Antworten auf komplexe Fragen liefern.
Dass Steuern an sich noch keine Allheilmittel sind, haben im Übrigen bereits viele der Erhebungen auf gesundheitsschädliche Substanzen wie Zigaretten oder Alkohol längst bewiesen. Und wie kürzlich Franz Alt süffisant erklärte: „Der Sklavenhandel und die Kinderarbeit werden auch nicht abgeschafft, in dem man sie mit einer Steuer belegt, sondern lediglich, in dem man sie verbietet“. Denn Geld ist bekanntlich in weiten Teilen mehr als genügend vorhanden. Eine CO2-Steuer würde dort womöglich gar nicht wahrgenommen werden. Ganz nach dem Motto: „Das habe ich mir verdient, das kann ich mir leisten“ wäre ein solches Werkzeug alleine unbrauchbar.
Es erfordert vielmehr klare Signale und Instrumente, die uns von unserer fossilen Abhängigkeit losbringen. Wir sind süchtig und brauchen Hilfe. Dass eine Entziehungskur hart ist, weiß jeder. Therapeuten, die das verschweigen, kann man auch nicht ernst nehmen.