12.10.2018
Die Folgen für RWE aus Hambach
voRWEggehen: Mit diesem Werbewort will der Essener Stromkonzern seit Jahren seine Innovationskraft und Nachhaltigkeit in Bildern, Texten und Fernsehspots zur Schau stellen. Doch zuletzt hat sich RWE eher rückwärtsgerichtet, verharrend präsentiert: Der Kampf des Stromriesen um die Bäume im Hambacher Forst zeigte keine nachhaltige, sondern dessen umweltschädigende Seite.
Inzwischen wurde der Tod der jahrhundertealten Bäume, die ältesten hatte RWE bereits selektiv gefällt, im Ruhrgebiet gerichtlich erst einmal auf Eis gelegt. Dennoch rufen Öko-Aktivisten und Umweltverbände nun zum RWE-Boykott auf: „Kündigen Sie Ihren Stromvertrag“, heißt es von vielen Seiten. Damit wollen unter anderem die Initiative Buirer für Buir, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Campact, Greenpeace und die NaturFreunde Deutschlands – die Veranstalter der Großdemonstration vom vergangenen Samstag - gemeinsam erreichen, dass der Energiekonzern auf Braunkohleabbau komplett verzichtet.
Doch viele Menschen meinen, „RWE ist weit weg, und meinen Strom kaufe ich regional“. Damit aber macht seit einigen Tagen eine vierseitige Liste der Bürgerwerke e.G. Schluss. Die Bürgerwerke sind Teil jener Vielzahl von Energiegenossenschaften quer durchs Land, die nach eigener Aussage – Stand 2013 - immerhin 47 Prozent der in Deutschland installierten Erneuerbare-Energien-Kraftwerke besitzen.
„An diesen Energieversorgern ist RWE beteiligt“, steht über der Liste. Und die ist, alphabetisch sortiert, aus dessen Jahresabschluss 2017 herauskopiert. Klar, zahlreiche Beteiligungen der RWE-Group liegen historisch bedingt im Westen unserer Republik. Dazu gab es Neugründungen wie Innogy. Doch nach der Wiedervereinigung kaufte sich der Konzern jede Menge Ost-Energie: Bei Envia Chemnitz (59%) ist man genauso dabei wie bei den Mitteldeutschen Gasgesellschaft in Halle (75%). Nicht zu vergessen: Bayern. Dort gehört unter anderem die Augsburger Lechwerke AG zu 90% den Essenern.
Bisher hat der RWE-Boykott den Ex-Lechwerken offenbar keine Kunden gekostet: „Im Rahmen der normalen Wechselaufkommens“ lägen die aktuellen Kündigungen, heißt es aus Augsburg. Deutschlandweit aber haben offenbar bereits sehr viele RWE-Stromkunden gekündigt. Ökostrom-Lieferant Greenpeace Energy (GPE) zählte in den zwei Wochen vor dem Start der Räumung im Hambacher Wald laut Neue Westfälische „die Zahl der zu uns gewechselten Neukunden auf ungefähr 2.000“.
GPE-Verantwortliche erläutern: „Dies ist nach wie vor ein Drei- bis Vierfaches von dem, was wir zu normalen Zeiten an Wechselbewegung in einem zweiwöchigen Zeitraum erleben.“ Und sie nennen das „den persönlichen Kohleausstieg“ dieser Umsteiger. Damit vollziehen sie bereits das, was der ZDF-Satiriker Christoph Sieber („Mann Sieber“) sich allgemein wünscht: „Die Braunkohle braucht kein Mensch. Sie ist ineffektiv, schmutzig und überflüssig.“ Für RWE hat das ganze Geschehen um Hambach jedoch bereits deutliche Auswirkungen: Der Aktienkurs stürzte nach der Gerichtsentscheidung zum Fällstopp massiv ab, der Börsenwert des Unternehmens sank um Milliarden Euro.
Kohlekritiker wünschen sich nun sogar von der Politik in Bund und im Land NRW ganz konkret „einen zügigen Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle“. Ob alle Politiker dazu ja sagen werden, ist zu bezweifeln. So „kassiert der CDU-Abgeordnete Gregor Golland vom Energieriesen RWE jedes Jahr zusätzlich zu seinen Diäten bis zu 120.000 Euro für einen Teilzeitjob als Kaufmännischer Angestellter“, behauptet Parlamentwatch e.V. und nennt das eine „gefährliche Abhängigkeit“. Der Stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im NRW-Landtag Golland selbst sagt dazu: „Ich arbeite mehr als der Normalverdiener. Ich mache beide Jobs gut, sonst hätte ich sie nicht.“
Anti-Braunkohle-Aktivisten hatten bei der Hambacher Demo im Übrigen den „voRWEggehen“-Spruch für sich leicht umgetextet in „irRWEge“.