Mit Effizienz aus der Krise
Das Klima wandelt sich, Rohstoffe werden knapper, die Rezession ist tief. Ein Mittel hilft: Wer jetzt lernt, effizienter zu wirtschaften, kommt gestärkt aus der Krise
Wollen wir unsere Lebensqualität behalten, muss unsere Wirtschaft wachsen und der Konsum somit immer weiter steigen. Gleichzeitig haben wir uns verpflichtet, CO2 zu vermieden. Das steht zunächst einmal in einem Widerspruch. Denn die Produktion von mehr Waren benötigt in der Regel auch immer mehr Energie - wir befinden uns sozusagen also in einer Energie- bzw. Klimazwickmühle (siehe auch SONNENENERGIE Ausgabe 02-08). Ein Schlüssel für die Lösung dieses Problems liegt in einem effizienteren und intelligenteren Umgang mit Energie in Verbindung mit einem schonenderen Einsatz vorhandener Ressourcen.
Chance auf Umbau in eine energieeffiziente und ressourcenleichte Wirtschaftsweise
Die Politik beschäftigen seit Monaten jedoch akut andere Probleme:
Im Fokus stehen das Schnüren von Konjunkturpaketen und die Strategieentwicklung zur Lösung der Finanz- und Wirtschaftskrise. Und wie der G20 Gipfel gezeigt hat, sieht nun eine erste akute Massnahme vor, die Gelddruckmaschinen wieder anzuwerfen, um den Konsum zu steigern und so dem drohenden Kollaps der Wirtschaft und ganzer Staaten vorzubeugen. Allerdings wird jede Strategie zur Bewältigung dieser Turbulenzen kurzatmig bleiben, wenn sie nicht auf nachhaltige Entwicklung setzt und die historische Chance auf einen Umbau in eine energieeffiziente und ressourcenleichte Wirtschaftsweise nutzt. Eine Strategie, die dazu führt, dass Ressourcen und Energie effizienter genutzt werden, stärkt die Wirtschaft auf dreierlei Weise:
1. Sie verbessert die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, gerade in einem vom Export abhängigen Land.
2. Sie schont zudem Ressourcen und Natur.
3. Sie verbessert die Lebensqualität der Menschen und sorgt für mehr soziale Gerechtigkeit.
Für die künftigen Wachstumschancen und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist die Frage der Ressourcen- und Energieeffizienz nicht nur eine Frage der Kosten. An ihr entscheidet sich auch, wie sich die Firmen strategisch in dynamischen, sich stetig verändernden Märkten positionieren.
Chancen für mittelständische Betriebe
Die finanziellen Erträge, die einen effizienteren Umgang mit Ressourcen und Energie bringen, lassen sich beziffern. Eine lineare Absenkung der Material- und Energiekosten um mindestens 20 Prozent im Verlauf der nächsten zehn Jahre hätte positive Arbeitsplatzeffekte. Mehr als 700.000 neue Jobs könnten entstehen. Das Bruttoinlandsprodukt stiege um rund zehn Prozent. Das hat eine Szenarienanalyse der Aachener Kathy Beys Stiftung von 2005 ergeben.
Zugleich würde der Staatshaushalt um etwa 20 Milliarden Euro entlastet. Umsätze, Löhne und Gewinne der Unternehmen würden ebenfalls steigen. Kleine und mittelständische Firmen könnten alleine Material im Wert von etwa elf Milliarden einsparen. Dazu käme noch eine weitere große Kostenentlastung durch intelligenteren Energieeinsatz. Das ergab eine weitere Studie von Arthur D. Little, ISI Karlsruhe und dem Wuppertal Institut.
Abschätzende Wirtschaftssimulationen des Wuppertal Instituts, die sowohl die direkten als auch indirekten Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Sektoren berücksichtigen, zeigen: Gerade die Branchen, in denen der Mittelstand stark vertreten ist, könnten überdurchschnittlich stark wachsen, sofern die Ressourcen- und Energieeffizienz steigt.
Voraussetzung für dieses Szenario sei ein gesellschaftlicher Konsens, dass Verbesserungen bei der Energie- und Ressourcenproduktivität der Betriebe – anders als eine höhere Arbeitsproduktivität – nicht zu zusätzlichen Lohnforderungen der Arbeitnehmer führen dürfen, betonen die Forscher. Um die errechneten beträchtlichen Effizienzgewinne tatsächlich zu realisieren, müssten Unternehmen stärker beraten werden und durch ökonomische Instrumente und Förderprogramme Anreize erhalten. Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung ist der erfolgreich eingeführte Sonderfonds Energieeffizienz der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) für klein- und mittelständische Unternehmen (KMU).
KMU und Freiberufler nutzen den KFW Sonderfonds Energieeffizienz
Die Regierung unterstützt diese Zielgruppe beim Energiesparen mit dem Sonderfonds Energieeffizinenz in Verbindung mit dem ERP Umwelt- und Energieeffizienzprogramm. So werden Beratungskosten und anstehende Investitionen gleichermassen gefördert.
Denn Energiekosten belasten auch in vielen nicht produzierenden Betrieben immer mehr das Betriebsergebnis. Zudem erschweren die extrem schwankenden Energiepreise der letzten Jahre für Firmen eine sichere Kalkulation. Vor allem die Frage, wie stark die Energiepreise wieder steigen werden, wenn die Weltwirtschaft anzieht, beschäftigt Betriebe. Eine Investition in innovative, effiziente Technik minimiert dieses Risiko und macht Unternehmen fit für die Zukunft. Ein Problem ist, dass viele kleine und mittlere Firmen sich ihrer Einsparpotenziale oft gar nicht bewusst sind, wie die Ergebnisse des „Sonderfonds Energieeffizienz in KMU“ zeigen.
Die KFW will daher Informationsdefizite über betriebliche Energieeinsparmöglichkeiten weiter verstärkt abbauen und vermehrt Investitionen zur Verbesserung der Energieeffizienz initiieren - mit der Beratungsförderung und Investitionskrediten. Im März letzten Jahres ist dieses Förderprogramm erfolgreich angelaufen.
Besonders die Initialberatung, die mit 80 pro Cent der anfallenden Beratungskosten gefördert wird, nutzen KMU und Freiberufler. Es wurden hierfür bislang über 4.000 Anträge eingereicht. Inwieweit die von den zugelassenen Beratern empfohlenen Investitionen umgesetzt weden, wird in den nächsten Ausgaben der SONNENENERGIE berichtet. Immerhin steht jedem Unternehmen zu der Beratungsförderung ein zinsgünstiger Kredit in Höhe von 10 Mio Euro zur Verfügung!
Hohe Einsparpotentiale im Hotel- und Gastronomiebreich
Zusammen mit der DGS Infokampagne Energieeffizienz (Informationen und kostenlose Abschätzung zum Energieeinsparpotential unter www.dgs.de/energiesparen) hat auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) eine Energiekampagne ins Leben gerufen, die in der aktuellen Ausgabe der SONNENENERGIE (Ausgabe 2-09) ausführlich vorgestellt wird. Birger Prüter von Adelphi Research betreut diese Kampagne für die DEHOGA. Er sieht in den Energiekosten, die inzwischen teilweise mehr als 10 Prozent des Umsatzes betragen, ein unkalkulierbares Risiko für die Branche.
Dabei kann man schon mit einfachen Mitteln bis zu 30% dieser Kosten reduzieren, wie auch der DGS Vorsitzende der Sektion Arnsberg, Joachim Westerhoff, aus eigener Erfahrung weiss. Der findige Sauerländer spart in seinen Hotels allein mit organisatorischen Maßnahmen und geringen Investitionskosten zwischen 20% und 30% Energie ein. „Das ist im wahrsten Sinne des Wortes reiner Gewinn“, freut sich Joachim Westerhoff, der als Koordinator der DGS Infokampagne Energieeffizienz nun auch seine Erfahrungen an die Branche weitergeben kann (Tel: 02935-966348, Fax: 02935-966349). westerhoff(at)dgs.de www.dgs.de/energiesparen
EU sieht Klimawandel und Energiesicherheit als Investionsmotor
Klimawandel, langfristig hohe Energiepreise und eine Energiesicherheit, die - ohne dagegen anzusteuern - nicht länger gewährleistet ist, sieht auch Energiekommissar Andris Piebalgs nicht allein als Schreckenszenarien, sondern auch als neue Möglichkeiten für Investitionen, zur Kosteneinsparung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen.
Bislang fiel der Blick allein auf regenerative Energiequellen wie Sonnen- und Windenergie, Biomasse oder die Geothermie, die fossile Energieträger zumindest teilweise überflüssig und die EU von Importen weniger abhängig machen sollen. Nunmehr rückt die EU-Kommission weitere Möglichkeiten der Energieeinsparung in den Mittelpunkt, um den Gesamtenergieverbrauch zu senken. Schon in der Vergangenheit hat die EU Vorschriften zur besseren Isolierung von Gebäuden erlassen oder zur Kennzeichnung von Elektrogeräten, um Stromfresser zu entlarven. Die Einführung von Energieklassen hat bei Kühlschränken, aber auch bei anderen Elektrogeräten zu Innovationen und einer spürbaren Stromeinsparung geführt. Das Energiepaket setzt weiter verstärkt auf Anreize für den Verbraucher, sich für energiesparende Produkte zu entscheiden.
Der ökonomische Weg des Westens – ein Auslaufmodell?
Und diese Anreize zur sinnvollen und intelligenten Energienutzung brauchen wir dringend. Der naturpolitische und ökonomische Weg des Westens könnte sich ohne drastische Änderung unserer Verhaltensweisen sonst auch zum historischen Auslaufmodell entwickeln, wenn die Erhöhung der zivilisatorischen und ökonomischen Standards in nichtwestlichen Ländern real werden. Denn sieben Milliarden Menschen können nicht auf unserem Niveau leben!
Diese Standards können und dürfen aber nicht verweigert werden. Dies wird allerdings dann zum Problem, wenn das Tempo der Naturzerstörung größer ist als das des gesellschaftlichen Lernens. Eine zentrale Frage des 21. Jahrhunderts wird daher sein, ob es für die Weltbevölkerung überhaupt noch eine Evolution geben kann oder es zum ersten Mal in der Humangeschichte darum gehen wird, eine gesteuerte Devolution herbeizuführen. Eine Alternative dazu ist nur der effizientere Einsatz von Ressourcen und Energie!
Umbau des globalen Energiesystems notwendig und machbar!
In der Zwischenzeit haben sich vermehrt Ökonomen, Naturwissenschaftler und Ingenieure zu Wort gemeldet, die einen Umbau für finanzierbar halten. Auch die Unternehmensberatung McKinsey sieht den Umbau der Energiesysteme nicht nur als machbar, sondern für alle Beteiligten als wirtschaftlich an! Gerade die Themen Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energiesparen können nach einer McKinsey Studie für weiteres Wachstum und Wohlstand sorgen (siehe auch SONNENENERGIE 6-2006, McKinsey wird Energiesparer). Dazu müssten die globalen Forschungsanstrengungen zur Entwicklung von Energietechnik und Infrastruktur mit niedrigen Emissionen jedoch noch vervielfacht werden.
Ausserdem bestünde nach Professor Edenhofer, Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, aus wirtschaftlicher Sicht Grund zur Eile. "Bis zum Jahr 2030 wird sich der weltweite Stromverbrauch voraussichtlich verdoppeln", sagte Edenhofer im Gespräch mit dem SPIEGEL. Deshalb würden Schwellenländer wie China in den nächsten Jahren gigantische Summen in neue Kraftwerke investieren. Die neue Infrastruktur stehe dann für Jahrzehnte fest. Denn wenn die vielen neuen Kraftwerke in den Schwellenländern nicht im Sinne des Klimaschutzes konstruiert würden, "bekommen wir die Sache nicht mehr in den Griff".
Energieeffizienz und Energieeinsparung für zukünftige Wettbewerbsfähigkeit entscheidend
Nachhaltige Energiegewinnung und intelligenter, effizienter Energieeinsatz werden in Zukunft darüber entscheiden, ob Betriebe ihre Umsatzrendite erhöhen können oder ihre Gewinne für Energiekosten dahinschmelzen. Energieeffizienz und Energiesparen werden somit bald wohl genauso zum Wortschatz eines Betriebswirts gehören wie Umsatzrendite oder return on investment. Aber nicht nur in Industrie und Gewerbe, sondern auch im Privathaushalt wird es immer wichtiger, sparsam mit Energie zu wirtschaften und in energieeffiziente Produkte zu investieren, wenn wir unseren Lebensstandard nicht drastisch herunterschrauben wollen. Dies ist auch eine Überlebensfrage, denn sichern wir mit dem damit verbundenen Konsum letztendlich unser Wirtschaftswachstum und so auch unsere Arbeitsplätze.
Autor: Gunnar Böttger, boettger(at)dgs.de
Dipl.-Ing. Gunnar Böttger MSc ist Vorsitzender der DGS-Sektion Karlsruhe Nordbaden und Koordinator der DGS Informationskampagnen rund um die Programme der KfW-Förderkredite für Energieeffizienz und zur energetischen Altbausanierung.