19.08.2022
Wechselakkus - schneller als tanken
Ein Bericht von Götz Warnke
Spricht man mit Skeptikern der Emobilität, kann man im Prinzip immer die gleichen Ängste und Vorurteile hören: Die Reichweite ist zu gering, das Laden dauert zu lange, und die teuren Akkus können kaputt gehen. Ähnliches, nur differenzierter vorgebracht, hört man von Vertretern des Speditions- und Transport-Gewerbes: „Ja, gut, das mag ja für Lieferfahrzeuge auf der Kurzstrecke funktionieren, aber der Schwerlastverkehr auf der Langstrecke? Nein, da können wir nur auf Wasserstoff setzen. Wenn es in den nächsten Jahrzehnten bessere Batterien gibt, vielleicht …“
Mag bei vielen „Laien“ auch eine gewisse Abwehr von Innovationen, die die altbekannten Gewohnheiten und Nutzungsmuster in Frage stellen, eine gewisse Rolle spielen, so verwundern die Reaktionen der Fachleute umso mehr. Immerhin gibt es schon längst eine Lösung für diese Probleme: den Wechselakku!
Wechselakkus sind es nicht nur bei schnurlosen elektrischen Gartengeräten verbreitet, sondern auch bei vielen E-Bikes. Hier dienen sie als Kraftreserve für längere Touren oder – abends vom Fahrrad abgenommen – als Diebstahlschutz. Doch dies noch sehr individualisierte System lässt sich auch für eine allgemeine, öffentliche Nutzung adaptieren, wie z.B. Taiwan zeigt. Hier, wo elektrische Motorroller weit verbreitet sind, haben die großen Roller-Produzenten wie Gogoro und Kymco je ihr eigenes, dichtes Netz an Battery-swap-stations (Akkutausch-Stationen) geschaffen. Mittlerweile gibt es hier mehr Wechselakku-Stationen als Tankstellen. Einfach die Station ansteuern, digital anmelden, leeren Akku in die Ladebox stecken, vollen Akku aus einer anderen Box entnehmen, rein in den E-Motorroller, und weiter geht es. Mit Hilfe dieser Stationen kann man so die ganze 400 km lange und 150 km breite Insel im E- Motorroller umrunden. Reichweitenangst – was ist das?! Und wenn ein Akku mal versagt, fährt man mit dem zweiten Akku im Zwei-Akku-Roller zur nächsten Wechselstation und tauscht. Defekte Akkus – wo ist das Problem?!
Inzwischen verbreiten sich Battery-swap-stations auch in anderen asiatischen Staaten, entweder als Ableger der taiwanesischen Roller-Produzenten wie in Indonesien, oder als eigenständige Entwicklungen wie z.B. im indischen Hyderabad, Pune oder Delhi.
In Deutschland startet das Berliner Startup Swobbee ein Netz von Wechselstationen und verwendet dabei die Akkus der deutschen Firma GreenPack. Natürlich gibt es Wechselakkus auch unabhängig von solchen Systemen, und es gibt sie für drei- und vierrädrige Leichtfahrzeuge. Bei den dreirädrigen Fahrzeugen sind u.a. die Berliner Firma Onomotion oder der spanische Silence S03 zu nennen, bei den vierrädrigen der italienische XEV Yoyo oder das deutsche, bisher leider nicht umgesetzte Konzept ACM City One.
Und was passiert bei E-Autos?
Doch wie sieht es in der nächstgrößeren Klasse, bei den Autos aus? Hat etwa die Autoindustrie den Trend verpennt? So allgemein lässt sich das nicht sagen. Immerhin gibt in China eine Vielzahl von Autoproduzenten, die solche Fahrzeuge mit Wechselakkus anbieten oder demnächst anbieten wollen, wie z.B. BAIC, Geely, FAW, Nio, SAIC, Xpeng. Hintergrund ist der Wunsch der chinesischen Regierung zur Förderung der E-Mobilität und zu einem diversen Ausbau der Ladeinfrastruktur, verbunden mit entsprechenden Förderungssummen. Und so beteiligen sich am Aufbau der Wechsel-Infrastruktur Autoproduzenten wie Geely und Nio, Dienstleister wie Aulton New Energy, staatliche Mineralölkonzerne wie Sinopec oder Batteriehersteller wie Catl. Die chinesische Regierung ist bestrebt, die entsprechende Akkutechnik der Firmen kompatibel zu halten, was letztlich zu modularen Akkus und einer sinnvollen Segmentierung der Energiespeicher führt. Und zu schnellem Laden: gerade einmal ca. vier Minuten braucht ein Nio ES8, um mittels neuer Akkus Strom für 450 km Reichweite nachzuladen; das Tanken eines gleich großen Verbrenners für die gleiche Reichweite dauert da deutlich länger. Spätestens im nächsten Jahr werden mehrere der chinesischen Tauschakku-Autotypen auch nach Europa kommen, und mit ihnen auch entsprechende Tauschstationen.
Auch in anderen Teilen der Welt findet das Konzept, das ursprünglich von der Firma Better Place und ihrem visionären Gründer Shai Agassi stammt, immer mehr Anhänger: In den USA hat das Startup Ample ein Tauschsystem entwickelt, bei dem allerdings nur ein Teil des Akkus getauscht wird. Und in Japan entwickelt der Autoriese Toyota ein Wechselakkusystem. In Europa hingegen, wo einst Renault als Partner von Better Place die ZOE mit Wechselakkus baute, und insbesondere in Deutschland, dem Mutterland der Autoindustrie, herrscht dagegen weitgehend Schweigen. Statt eine europäische Norm für Akkus zu schaffen, werkelt weiter jeder Hersteller mit fest eingebauten Akkus vor sich hin, und versucht, sich hier ein wenig von der Konkurrenz abzusetzen. Dabei stehen Chinas Autoproduzenten bereits vor der Tür, und ist erst ein Akkusystem am Markt verbreitet, wird sich daneben kaum ein zweites durchsetzen. Insbesondere die deutsche Autoindustrie ist dabei, nach der Elektromobilität den nächsten großen Trend zu verschlafen und so marginalisiert zu werden.
Dabei hätte ein Wechselakkusystem auch für die gesamte Energiewende erhebliche Vorteile, wie ein Beitrag in der Zeitschrift SONNENENERGIE zeigen konnte. Derzeit läuft zu dem Thema auch das Forschungsprojekt „KreislaufAkkus“ zur Ermittlung der Effizienz- und Kreislaufpotenziale von Akkusystemen in der E-Mobilität, an dem die RWTH Aachen und das Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) beteiligt sind.
Natürlich eignen sich Austausch-Akkus nicht nur für Leichtfahrzeuge und Autos. Für LKWs werden sie in China gerade eingeführt, bei Bussen von BYD sind sie in Gebrauch. Die irische Firma Xerotech hat das modulare System „Hibernium“für Baumaschinen und LKWs entwickelt, und Honda arbeitet diesbezüglich mit Japans Baumaschinenkonzern Komatsu zusammen.
Inzwischen halten auch in der Binnenschifffahrt, die anders als die Seeschifffahrt nicht auf den Windantrieb setzen kann, Wechselakkus in Form von Containern Einzug: niederländische Konsortium Zero Emission Services (ZES) hat mit der Alphenaar bereits ein Binnenschiff in Fahrt, in den USA will das Startup Fleetzero demnächst folgen. Künftig dürfte der Wechselakku auch bei E-Flugzeugen Einzug halten: im Gegensatz zum brandgefährlichen Nachtanken bei Zwischenlandungen müssen die Passagiere für einen Akkuwechsel nicht aussteigen.
Es bleibt also nur zu hoffen, dass nicht der Trend zu Wechselakkus in Europa verschlafen wird.