06.05.2022
In Berlin: Klimamontag nun dezentral
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Nach mehrmonatiger Pause fand in Berlin wieder der „Klimamontag“ der Initiative Berlin4Future statt. Mehrere Redner:innen warnten davor, Krisen gegeneinander auszuspielen.
Klimaschutz-Vernetzung im Kiez
Das Besondere an diesem ersten Klimamontag des Jahres ist, dass er ein Auftakt für dezentrale Veranstaltungen ist. Das Berlin4Future-Bündnis geht nun jeden Monat in einen anderen Bezirk. Treffpunkt ist somit nicht mehr am Alexanderplatz (die DGS-News berichteten), sondern diesmal war es die Falckensteinstraße im Wrangelkiez (Kreuzberg). Etwa 70 Menschen versammelten sich dort und lauschten den Redebeiträgen. Das Moderationsteam Elli und Gerd leiteten durch die Veranstaltung. Sie betonen die Notwendigkeit von effektivem Klimaschutz, um den 1,5-Grad-Klimapfad einzuhalten, die Motivation der Aktivist:innen Klimabewegte zu vernetzen und die Bedeutung der Bezirksebene für die Umsetzung von Klimaschutzgesetzen. Der Klimamontag sei eine Chance „alle Menschen anzusprechen“.
Warnung, Krisen nicht gegeneinander auszuspielen
Der erste Gastredner, Matthias Walter, appellierte an die Zuhörer:innen, nicht zuzulassen, dass die „Ukrainekrise, die oben drauf kommt auf die Klimakrise, auf die Biodiversitätskrise“ instrumentalisiert werde, „um anderes zurückzudrehen, noch schlimmer, um das gegeneinander auszuspielen“. Jetzt sei zu beobachten, wie Lobbyisten das Schlagwort der „Zeitenwende“ für sich uminterpretieren und in der Politik für fossile Energien lobbyieren. „Da müssen wir dagegen halten“, sagte der Pressesprecher und Mitglied des Bundesvorstands der Deutsche Umwelthilfe (DUH). Als Gesellschaft stünden wir vor der Wahl, „1:1, Öl durch Öl zu ersetzen, Gas durch Gas, und das aller absurdeste, Kohle durch Kohle zu ersetzen“ oder „für Energieunabhängigkeit“ einzustehen, so Walter.
„Im Vergleich zur Altmaier-Delle von vorher schon eine Zeitenwende“
Mit Blick auf die Politik des Wirtschafts- und Klimaschutzministers, lobt der DUH-Pressesprecher „was Robert Habeck beim Ausbau der Erneuerbaren Energien auf den Weg gebracht hat“. Da seien „viele gute Dinge dabei“, und „im Vergleich zur Altmaier-Delle von vorher ist das schon wirklich eine Zeitenwende, die den Begriff auch verdient hat“, so Walter. Und er äußert auch deutliche Kritik: „Wenn ich gleichzeitig heute die Zukunft von morgen verfeuere, habe ich damit sehr wenig gewonnen“. Er nennt drei Beispiele für Bereiche, in denen seiner Meinung nach die Bundesregierung „unsere Zukunft verspielt“: Alle 48 Sekunden, „statistisch gesehen“, werde eine neue Gasheizung installiert; „die Regierung legt keine Analyse vor“, ob die geplanten LNG-Terminals wirklich gebraucht werden; „eine relativ kleine gelbe Partei mit einem deutschen Autominister“ verhindere ein Tempolimit in Deutschland.
Flüsterasphalt und eine Spur für die Lastenräder?
Im Anschluss sprach Monika Herrmann. Für die ehemalige Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg war das die erste öffentliche Veranstaltung seitdem sie im Ruhestand ist, wie sie bei der Begrüßung erwähnte. In Ihrer Rede redete sie viel über die Verkehrswende, einer der Themenbereiche, die ihrer Meinung nach „für das Land Berlin existenziell sind“. Sie erwähnte auch, dass die „Pop-Up-Radwege“, die der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg errichtet hat, ein internationales Ereignis waren, über das „die Weltpresse“ berichtete. Eine solche Aufmerksamkeit für einen einfachen Radweg in der Hauptstadt Deutschlands, das zeige eineindeutig „wie viel wir noch vor uns haben“. Es gebe einen Zielkonflikt zwischen einer notwendigen Entsiegelung und der Aufteilung der Straßen, so dass eine Spur auf jedem Fall von Radfahrenden genutzt werden kann. Herrmann schlägt vor, zusätzlich eine Spur für die Lastenräder und eine für den ÖPNV zu schaffen. „Wir können das auf der Gneisenaustraße oder auf dem Mehringdamm mal probieren, Platz haben wir“, so die Grünen-Politikerin. Als Radfahrerin möchte sie auch einen Flüsterasphalt, sagte Herrmann „und kein BMX-Rad brauchen, damit ich von A nach B komme“. Hier müsse vieles schneller passieren, auch wenn schon vieles erreicht wurde.
Entsiegelung
Monika Herrmann forderte, angesichts der Aufheizung von Städten durch Asphalt und Verkehrsemissionen, dass Innenstadtbereiche autofrei sind und in den Außenbezirken die ÖPNV-Anbindung verbessert wird. Für das abstrakte Wort Entsiegelung hat die Politikerin klare Worte: „Die Straßen müssen weg.“ „Eine Verkehrsmaßnahme, wo Du nur einen Poller hinstellst vorne und hinten, ist bei der nächsten Regierung ganz schnell wieder abmontiert“, argumentiert Herrmann. Und fügt hinzu: „Wir müssen die Straßen so verändern, dass sie unwiederbringlich keine Autostraßen mehr sind“. Das könne in einem Bezirk wie Friedrichshain-Kreuzberg passieren, „aber auch in ganz Berlin, das ist möglich“, so die Rednerin. Sie sprach sich auch für die Schaffung von Freiflächen und Parks im Bezirk aus und kritisierte den Weiterbau der A100 in Berlin und das fehlende Tempolimit in Deutschland.
Zwischen einem Auftritt des Duos „Shared Territory“ gab es weitere Redebeiträge: Esther Borkam erläuterte die geplante Umgestaltung des Wrangelkiezes und Florian Fleischmann stellte die lokale Initiative „Autofreier Wrangelkiez“ vor.
Im Juni wird der Klimamontag in Schöneberg stattfinden (13. Juni, Winterfeldtkiez), im Juli in Neukölln (4. Juli).