28.06.2024
Kurspeilungen der Energiewende Teil 11: Verkehrswende umsetzen
Eine Skizze von Götz Warnke
Ein Skipper auf dem Meer muss sich bei heraufziehendem Unwetter überlegen, welchen Kurs er anlegen bzw. wohin er sein Boot steuern will. Der Skipper muss sich also verschiedene Kurse überlegen, auf denen er unter den gegebenen Umständen einen sicheren Platz zum Festmachen erreicht. Wie und mit welchen Manövern er diesen Platz dann auf den letzten paar Hektometern erreicht, ergibt sich dann aus der aktuellen Situation. Wichtig ist, den richtigen Kurs zu wählen und sichere Gewässer zu erreichen.
Das gilt auch für die Energiewende. Denn das heraufziehende Unwetter ist die Klimakrise mit immer häufiger und zum Teil auch stärker auftretenden Extremwetter-Ereignissen. Ihr gilt es möglichst weitgehend zu entkommen, die richtigen Kurse anzulegen. Dabei geht es um die richtige Richtung, um grundsätzliche Orientierungen, nicht um Einzelmaßnahmen, auch wenn die zu laufenden Kurse immer mit Einzelmaßnahmen als Beispiele unterlegt werden. Dabei erheben weder die hier abgesteckten Kurse/Grundorientierungen noch die einzelnen Manöver/Maßnahmen zu ihrer Umsetzung Anspruch auf Vollständigkeit.
Verkehrswende umsetzen
Der Verkehr, die Bewegung von Menschen und Massen, ist hierzulande einer der größten Energieverbraucher. Nach Ermittlungen des Umweltbundesamtes betrug der deutsche Primärenergieverbrauch in diesem Sektor 2022 mit 3.485 Petajoule (PJ) rund ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs. Dabei ist der internationale Seeverkehr nicht einmal auch nur anteilig eingepreist, obwohl sein Klimaabdruck weltweit größer ist als der deutsche. Und: bei der im Verkehrssektor eingesetzten Energie handelt es sich weit überwiegend um fossile Energieträger. Dennoch muss auch dieser Sektor bis allerspätestens 2045 klimagasfrei sein – und das in allen seinen völlig unterschiedlichen Segmenten. Welche Ansätze gibt es dafür, welche kommen realistisch in Frage?
Beginnen wir mit der am wenigsten im Focus stehenden Verkehrssparte, dem …
Seeschiffsverkehr: Am vergangenen Sonntag wurde die „Mein Schiff 7“ der TUI Cruises in Kiel getauft, die künftig auch modifiziert mit Methanol und – falls dann irgendwann mal in entsprechender Menge vorhanden – sogar mit grünem Methanol betrieben werden kann; eine Art Green-Methanol-ready-Ship. Höchst erfreut über diese Entwicklung zeigte sich der Naturschutzverband NABU, der in einer Pressemitteilung anlässlich der Schiffstaufe verlauten lässt: „Zwar fehlt der technischen Ausstattung fehlt noch ein letzter Schritt, und auch die Verfügbarkeit von wirklich klimaneutralem Methanol lässt auf sich warten, aber der Kurs Richtung Klimaneutralität ist eingeschlagen. Neben dem Klima profitieren auch die Natur und die Anwohner*innen der Küste von diesem vergleichsweise sauberen Treibstoff.“
Nein, lieber NABU, das Klima profitiert hier ganz und gar nicht; allenfalls fallen ob der saubereren Abgase ein paar Vögel weniger tot vom Himmel. Bis künftig vielleicht einmal grünes Methanol – mit CO2 aus der Luft und nicht aus irgendeinem Kraftwerksschlot hergestellt – verfügbar ist, sind solche Schiffe weiterhin Klimakiller. Dass der NABU diesen Klimaaspekt nicht wirklich im Blick hat, ist typisch für deutsche Naturschutz- und Umweltverbände. Dabei ließen sich gerade solche Bespaßungsschiffe gut mit Segelantrieben ausrüsten, wie die Sea Clouds und die Starclipper-Flotte schon heute zeigen. Was man beim Schiffsverkehr noch ändern müsste, erläutert ausführlich dieser Artikel.
Luftverkehr: Wer nach Beginn der Flugscham-Debatte in einem Flieger saß, bekam bisweilen aus dem Cockpit zu hören: „Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass wir pro Passagier nur 3,5 Liter Treibstoff auf 100 Kilometer verbrauchen.“ Jubelrufe waren aus der Kabine anschließend nicht zu vernehmen, und das war auch richtig so: Denn was vielleicht noch den Fahrer eines individuellen Verbrenner-Autos beeindrucken vermag, ist für ein Kollektiv-Verkehrsmittel wie ein Passagierflugzeug schon erheblich. Denn die viermotorige Langstrecken-Propeller-Passagiermaschine Douglas DC 6 , die in den 1940er und 1950er Jahren mit rund 500 km/h flog, hatte nur einen Spritverbrauch von 1,7 Litern pro Passagier auf 100 km. Die Konsequenz daraus ist nicht etwa die Rückkehr zum Kolben-/Dieselmotor, sondern die Rückkehr zum Propeller und der Einbau von abgasfreien Elektromotoren. Die durch die Akkukapazität geringere Reichweite könnte durch Katapultstarts, rekuperierende Propeller-Einstellungen bei der Landung, und Wechselakku-Systeme relativiert werden. Für transatlantische Langstrecken gibt es Luftschiffe.
Warentransport zu Lande: „Güter gehören auf die Bahn“ heißt ein beliebtes Schlagwort. Das ist zwar richtig, zumal ein großer LKW die Fahrbahnen und Brücken genau so schädigt wie 10.000 PKW, was dann zu vorzeitigen Ausbesserungsarbeiten und Neubauten der Straßeninfrastruktur mit Unmengen an klimaschädlichem Beton und Stahl führt. Doch das Schlagwort sagt – leider – nur die halbe Wahrheit: die Verlagerungsmöglichkeiten sind sehr begrenzt, da Start- und Zielpunkte des Warentransports oft nicht über einen Bahnanschluss verfügen, und auch die Aufnahmekapazitäten der Bahn nur einen Bruchteil der LKW-Transporte ausmachen. Etwas besser sieht die Situation aus, wenn man verstärkt das Binnenschiff-Potential ausweitet und einbezieht; dazu gehören auch neue Hubs, wo z.B. Container schnell vom Binnenschiff auf die Bahn und umgekehrt wechseln können. Auch wenn es vielen Naturschützern nicht gefallen mag: um den Neubau von Bahnstrecken und Wasserstraßen wird man nicht umhin kommen. Und schließlich müssen die Antriebe dekarbonisiert und damit elektrifiziert werden: LKWs mit Schnellladesäulen und Wechselakkus – die Variante mit Wasserstoff hat sich wohl auch hier erledigt – , Eisenbahnen sowie Binnenschiffe mit Oberleitungen und Wechselakkus.
Personentransporte: Sofern nicht eine Teilstrecke wie z.B. Stockholm-Berlin über größere Gewässer führt, ist die elektrifizierte Eisenbahn im Fernverkehr das Mittel der Wahl. Im Stadtverkehr sind Straßenbahnen den U-Bahnen vorzuziehen, da letztere beim Bau sehr viel mehr graue Energie in Form von Beton und Stahl benötigt, und so oft erst nach Jahrzehnten wirklich CO2 einsparen. Sinnvoller Weise ist der Fahrradverkehr auszubauen; allerdings muss man konstatieren, dass die meisten Nutzer das Fahrrad bei Regen, Schnee und Eis meiden. Hauptverkehrsmittel bleibt weiterhin das Auto, das von vielen „Mobilitätswendern“ mit dem Argument „umweltfeindlich“ bekämpft wird. Das ist zwar vielfach richtig, aber durch die Verbreitung der E-Mobilität kommen den Gegnern, oft Stadtbewohner und Kollektivverkehrs-Fans (ÖPNV), auch Argumente abhanden. Letztlich wird das E-Auto ein Teil der Mobilität bleiben, wenn auch mit geringeren Mengen und hoffentlich mit deutlich geringeren Gewichten.
Teil 1: Temperaturen senken, Verbrennung beenden
Teil 2: Ein EE-System installieren
Teil 3: CO2-lastige Stoffe vermeiden
Teil 4: Geschwindigkeiten anpassen
Teil 9: Fußabdruck verschlanken