21.06.2024
Kurspeilungen der Energiewende Teil 10: Bauwende einleiten
Eine Skizze von Götz Warnke
Ein Skipper auf dem Meer muss sich bei heraufziehendem Unwetter überlegen, welchen Kurs er anlegen bzw. wohin er sein Boot steuern will. Der Skipper muss sich also verschiedene Kurse überlegen, auf denen er unter den gegebenen Umständen einen sicheren Platz zum Festmachen erreicht. Wie und mit welchen Manövern er diesen Platz dann auf den letzten paar Hektometern erreicht, ergibt sich dann aus der aktuellen Situation. Wichtig ist, den richtigen Kurs zu wählen und sichere Gewässer zu erreichen.
Das gilt auch für die Energiewende. Denn das heraufziehende Unwetter ist die Klimakrise mit immer häufiger und zum Teil auch stärker auftretenden Extremwetter-Ereignissen. Ihr gilt es möglichst weitgehend zu entkommen, die richtigen Kurse anzulegen. Dabei geht es um die richtige Richtung, um grundsätzliche Orientierungen, nicht um Einzelmaßnahmen, auch wenn die zu laufenden Kurse immer mit Einzelmaßnahmen als Beispiele unterlegt werden. Dabei erheben weder die hier abgesteckten Kurse/Grundorientierungen noch die einzelnen Manöver/Maßnahmen zu ihrer Umsetzung Anspruch auf Vollständigkeit.
Bauwende einleiten
Bauen als bewusste Gestaltung unserer Um- und Lebenswelt ist auch eine emotionale Angelegenheit, wie man aus den verschiedenen Architekturstilen oder dem Berufsstand des Architekten als ein stets partiell ästhetisierendes Gewerbe ersehen kann. Eine rationale Kritik des Bauens berührt damit auch emotionale Ebenen, was Veränderungen im Sinne eines harten Abschieds vom Gewohnten schwierig macht.
Andererseits ist die globale Baubranche für 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen und für 60 des Mülls verantwortlich. Der hier zutage tretende Energie- und Ressourcenverbrauch, zu dem noch weitere klima- und umweltrelevante Faktoren kommen, kann allein schon wegen seiner Größenordnung nicht ignoriert werden. Doch wo entstehen die Emissionen genau, was sind ihre Förderfaktoren, und wie sehen mögliche Alternativen aus?
Verschiedene Faktoren tragen auf unterschiedlichen Wegen und in unterschiedlichem Ausmaß zu den Emissionen des Baugewerbes bei. Zu nennen sind hier:
Rohstoffgewinnung
Der Abbau von Kies und Sand hinterlässt nicht nur unschöne „Narben“ in der Landschaft, sondern beseitigt zumindest für die Nutzungszeit der entsprechenden Abbaugebiete die dortige Oberflächenvegetation, die ja ein CO2-Speicher ist. Bei Sand, der teilweise mit kriminellen Methoden („Sandraub“) aus dem Meer und von den Küsten weggebaggert wird, führt das zur Erosion der Küsten, dem Verlust wertvollen Ackerbodens sowie der Notwendigkeit, die Küsten künstlich und sehr CO2-intensiv zu schützen.
Rohstoffverarbeitung
Das Brennen von Mauerziegeln oder das Kalkbrennen für die Zementherstellung sind mit weit über 1.000° C ebenso Hochtemperaturprozesse wie die Baustahlherstellung und die Glasschmelze für die glitzernden Gasfassaden. Wegen der hohen Temperaturen sind diese energieintensiven Prozesse vor allem fossil befeuert und stoßen jährlich Milliarden Tonnen von CO2 aus.
Transporte
Die meist schwergewichtigen Baustoffe verbrauchen auch beim Transport viel Energie, und davon umso mehr, je weniger sich Binnenschiff und Bahn für den jeweiligen Transport nutzen lassen. LKWs kommen eher beim Transport zu den einzelnen Baustellen als vom Gewinnungsort zur Verarbeitungsfabrik zum Einsatz. Aber auch auf den Baustellen finden unzählige Transporte mit Radladern, Aufzügen, Kränen etc. statt. Bei einer umfänglichen CO2-Bilanzierung müsste auch die in diesen Transportfahrzeugen steckende graue Energie mit berücksichtigt werden.
Ansprüche
Hier gilt es, zwischen den verschiedenen Formen von Ansprüchen zu unterscheiden. Da sind zum einen die ästhetischen Ansprüche, eine Art zeitbedingte Konstruktionstradition der Architektur, wie sie sich z.B. in der Glasfassade von Bürohochhäusern oder im Winkelbungalow der 1960er/70er Jahre niederschlägt. Letzterer verbraucht durch seine höhere Außenfläche viel Wärmeenergie im Unterhalt, erstere viel Energie bei der Baustoffherstellung und beim Bau; beide haben dadurch eine erhöhte CO2-Last.
Dazu kommen die Ansprüche an Fläche, Qualität und Zahl: das Anwachsen der durchschnittlichen Wohnfläche pro Person, die Badewanne statt des Duschbads, der Balkon statt der Fensterfront etc. führen zu erhöhtem Energieverbrauch und damit zu mehr CO2-Ausstoß. Dazu kommen Ansprüche an die Infrastruktur wie z.B. gute, möglichst mühelose Verkehrsanbindung (ÖPNV statt Fahrrad), die dazu führen, dass für jeden Menschen in Deutschland rechnerisch 12 Parkplätze bereitstehen.
Kollaterales
Das Bauen in Beton und Stein führt an den zunehmenden Tropentagen zu einer erheblichen Erhitzung von Städten, deren Temperatur durchaus bis zu 10° C über der des Umlandes liegen kann. Diese Hitzeinseln haben einen erhöhten Energiebedarf für Klimatisierung. Dazu kommt, dass die versiegelten Flächen kein Regenwasser speichern und kein kühlendes Nass in der Fläche halten können; der Regen wird möglichst schnell über die Kanalisation abgeleitet.
Da die Baubranche 60 Prozent des globalen Mülls erzeugt (s.o.), nimmt sie auch erhebliche Flächen für die Deponierung in Anspruch, die für einen CO2 bindenden Bewuchs nicht mehr zur Verfügung stehen.
Wichtig ist zu wissen, dass in der Gebäudewirtschaft 55 Prozent der Energie beim Bau und dessen Vorketten als graue Energie anfallen, 40 Prozent beim Betrieb des Gebäudes als Nutzenergie, und 5 Prozent bei der Demontage und Entsorgung. Deutlich wird, dass vor allem das Bauen selbst und seine Rohstoffe das Problem darstellen. Denn die Nutzenergie lässt sich gut mit Sonne, Wind, Wasser und Wärmepumpen abdecken.
Wie also lässt sich das Bauproblem lösen?
Hier seien einige Ansätze skizziert:
Da ist zum einen der Versuch der Baustoffindustrie, das entstehende CO2 aufzufangen und es anschließend industriell zu nutzen. Ein Beispiel ist das im Bau befindliche, klimaneutrale Zementwerk in Itzehoe; aber auch hier bleiben noch offene Fragen.
Ein Ansatzpunkt sind neue, Energie sparende Herstellungsverfahren wie z.B. bei der Zementproduktion durch das Vermahlen des ungebrannten Kalks mit Natriumsilikat und anschließender Zugabe von Natronlauge.
Ein weiterer Punkt ist die Entwicklung neuer, energiesparsamer Baustoffe wie Dämmplatten aus mit Gas aufgeschäumten Holzmaterial oder Werkstoffe aus recyceltem Plastik.
Darüber hinaus geht das zirkuläre Bauen in seinen unterschiedlichen Formen: der Umbau mit Substanzerhalt, etwa wenn man Bürohäuser zu Wohnhäusern umbaut; die Wiedernutzung von Bauteilen, wofür Bauteilbörsen wie die in Bremen stehen; das Urban Mining, d.h. die rein stoffliche Wiedergewinnung von Material aus Abbruchgebäuden.
Ein weitere Schritt ist das Bauen mit Nachwachsenden/Solaren Stoffen wie Holz und Strohballen als Konstruktionsmaterial, oder Rohrkolben und Seegras als Dämmmaterial. Alle diese Stoffe stellen zugleich CO2-Speicher/Senken dar, deren in Bauten gebundenes Klimagas über lange Zeit nicht mehr freigesetzt wird.
Schließlich sind noch Erdmaterialien zu erwähnen, die zwar auch natürlich und sehr langlebig, aber nicht nachwachsend sind: Schiefer für die Dächer, Lehm für die Wände, und als Option für Wände und Fundament der Säulenbasalt, der heute kaum Anwendung findet, aber z.B. im Kölner Dom verbaut wurde.
Welche der o.a. Ansätze künftig auch immer vorherrschend wird: die Bauwende muss schnell gehen. Die Bauwirtschaft hat wegen ihrer Emissionen nicht mehr viel Zeit, entschieden umzusteuern und neue Wege einzuschlagen.
Teil 1: Temperaturen senken, Verbrennung beenden
Teil 2: Ein EE-System installieren
Teil 3: CO2-lastige Stoffe vermeiden
Teil 4: Geschwindigkeiten anpassen
Teil 9: Fußabdruck verschlanken