29.07.2022
Massenmigration ist klimafeindlich, Teil 2
Eine Kritik von Götz Warnke
Im ersten Teil haben wir gesehen, dass Massenmigration in Form unserer Urlaubskultur, insbesondere mit den Flugreisen in den sonnigen Süden, sehr klimafeindlich ist. Das liegt nicht in primär am Flugverkehr, sondern vor allem auch an der in den Urlaubszielgebieten benötigten und dort errichteten Infrastruktur. Diese beton- und stahllastige Infrastruktur sorgt allein mit ihrer bloßen Errichtung für CO2-Emissionen, die deutlich über dem liegen, was anschließend deren Betrieb (Klimatisierung, Wartung, Renovierung etc.) emittiert. Doch es gilt, nicht nur mit dem Finger auf andere zu zeigen; auch wir in Deutschland haben „unsere Leichen im Keller“!
Binnenmigration
Jeder Mensch in Deutschland „besitzt“ ca. 490 Tonnen Material. Die eine Hälfte davon steckt in dem für ihn errichteten Hochbau, d.h. in den Häusern/Gebäuden, die andere Hälfte steckt in der Infrastruktur, in Straßen, Schienen, Tunneln, Brücken, Flughäfen etc. Und jeder Mensch in Deutschland „besitzt“ auch 12 Parkplätze – natürlich nur rechnerisch und nicht an nur einem Ort; aber die Parkplätze für die Busse und Taxen, die er benutzt, und vor den Einkaufszentren und Arztpraxen, die er mit seinem Auto ansteuert, sind ihm natürlich anteilig zuzurechnen.
Was sich im ersten Moment wie die Einleitung zu einem phantasievollen Zukunftsroman anhört, ist längst die Realität – berechnet von Prof. Werner Sobek, Lehrstuhlinhaber für Architektur- und Bauwesen mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit an der Universität Stuttgart und Chef eines internationalen Architekturbüros.
Diese Realität ist nicht nur extrem klimafeindlich; sie wird auch immer schlimmer. Grund ist die als „Verstädterung“ bezeichnete Binnenmigration, die – auch wenn sich der Trend durch die Corona-Einschränkungen etwas abgeschwächt haben mag – besonders die großen, als „angesagt“ und attraktiv geltenden Metropolen wie Berlin, Hamburg und München betrifft. In den Städten wird diese Binnenmigration nicht nur gottgegeben als „Wachstum“ hingenommen, sondern sogar als Bestätigung der eigenen Attraktivität positiv gewertet.
In Berlin heißt es: „Die Attraktivität Berlins ist ungebrochen. In 2030 werden voraussichtlich über 3,9 Millionen Menschen in unserer Stadt leben. Deshalb braucht Berlin dringend neuen und insbesondere bezahlbaren Wohnraum ...“ Und: „Berlin verfügt über ausreichende Potenzialflächen, um die wachsende Stadt zu ermöglichen.“ Ähnlich sieht es in Hamburg aus: da lässt der Rot-Grüne Senat jährlich 10.000 neue Wohnungen bauen, vorwiegend um die Binnenmigration zu bedienen – ein Lieblingsprojekt vor allem der SPD. Und so werden triste Neubaugebiete wie die „Neue Mitte Altona“ auf freiwerdende Infrastrukturflächen geklotzt, ehemals grüne Hinterhöfe werden zwecks Nachverdichtung mit Wohngebäuden betoniert. Und natürlich bleibt bei diesem Bauwahn offensichtlich kein Geld und keine Zeit für Anlagen der Erneuerbaren Energien oder für klimafreundliche Baustoffe.
Stattdessen wird der Klimafussabdruck der 490 Tonnen Material pro Kopf noch ein wenig erhöht. Denn um die bisherigen Einwohner nicht durch eine schlechtere Infrastruktur wie überfüllte Bahnen, Busse, Universitäten etc. zu verärgern, muss natürlich für die Zugezogenen auch fleißig die Infrastruktur erweitert bzw. neu gebaut werden. Dabei wurden für die Neuberliner und Neuhamburger schon in ihren Heimatstädten tonnenweise Baustoffe investiert und damit tonnenweise Klimagase emittiert. Besonders problematisch: Anders als bei einem gerodeten Wald, der – wenngleich viel zu langsam – wieder nachwachsen kann und erneut Klimagase speichert, bleibt das CO2 aus dem Bau von Parkplätzen und Plattenbauten in den Ursprungsorten der Neu-Metropolisten in der Atmosphäre erhalten, um die Klimakrise weiter anzutreiben.
Gern versuchen sich linke Politiker damit herauszureden, dass es um bezahlbaren Wohnraum gehe, auch um die Folgen der Gentrifizierung aufzufangen. So beschreibt die sozialdemokratisch geführte Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen im Leitbild als „Perspektiven der Stadtentwicklung: Grüne, gerechte, wachsende Stadt am Wasser“. Neben dem klimafeindlichen Wachstums-Narrativ taucht hier der Gerechtigkeits-Narrativ auf, der wie folgt definiert wird: „Die gerechte Stadt: Maßstab hierfür ist es, angemessenen und bezahlbaren Wohnraum in einem Quartier mit hoher Lebensqualität zu finden und zugleich Zugang zu Bildungsangeboten erhalten zu können.“ Doch die „Ureinwohner“ in den von Gentrifizierung bedrohten Vierteln ließen sich auch durch Mietendeckel, Mietpreisbremsen u.a. schützen. Beim massenhaften Wohnungsneubau in den Metropolen geht es aber der Politik wohl eher darum, es den Neubürgern möglichst bequem zu machen und so für sich Wählerstimmen zu generieren – also eine Art legaler Korruption.
Dabei könnte man es wie in einigen Großstädten Großbritanniens machen: für Neubürger, die als Arbeitskräfte für das Funktionieren der Stadt wichtig sind wie Krankenschwestern, Klempner und Kanalarbeiter, werden extra Sozialwohnungen gebaut. Alle anderen müssen sehen, was sie auf dem Wohnungsmarkt finden, und ggf. auf TinyHouses, Wohnwagen, möblierte Zimmer oder eine Wohnung in einem Vorort mit Bahnanschluss ausweichen – wenn sie denn unbedingt in die Metropole ziehen wollen.
„Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen“ – ja, dieser im grünen und linken Milieu gern verwendete Satz trifft auch für die Verstädterung zu: Massenmigration in die Metropolen muss künftig aus Klimaschutz-Gründen unbezahlbar sein.
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