29.11.2019
Wen trifft als nächstes Scholzens Hammer?
Ein Kommentar von Heinz Wraneschitz
Als „linksextremistisch beeinflusst“ stuft der Bayerische Verfassungsschutz (VS) die VVN-BdA ein, die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“. Und genau deshalb hat nun das Berliner Finanzamt für Körperschaften dem Nazi-Verfolgten- und -Gegner-Verein die Gemeinnützigkeit entzogen.
Glaubt man Bayerns VS, dann war zum Beispiel Heinz Galinski (+1992) ein Linksextremist, der ehemalige Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. Heute wäre demnach auch Leni Breymaier Linksextremistin, jahrelange SPD-Vorsitzende in Baden-Württemberg, Gewerkschafterin und zurzeit SPD-MdB. Diese beiden stehen beispielhaft unter hunderten anderen Namen, die sich als Mitglieder des VVN-BdA outen oder geoutet haben.
Ich habe es ja schon im Februar vorausgesehen: Die politische Willensbildung durch die demokratische Öffentlichkeit ist immer weniger gewollt. Damals schrieb der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Presseerklärung Nr. 9 des Jahres 2019: „Die Verfolgung politischer Zwecke ist im Steuerrecht nicht gemeinnützig.“ Und mit dieser Begründung hat der BFH dem Attac-Trägerverein die Gemeinnützigkeit abgesprochen.
„Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i.S. von § 52 Abgabenordnung AO.“ So lautet der erste „Leitsatz“ des BFH-Urteils VR60/17.
Ich habe recht behalten: Attac war zwar der erste, aber blieb nicht der einzige regierungskritische Verein des linken Spektrums, dem die Gemeinnützigkeit entzogen wurde. Leider. Denn in der Zwischenzeit, genauer im Oktober hat es Campact getroffen. „Als Folge des Attac-Urteils“, wie die Pressestelle des Anti-Atom-, Anti-Genfood- oder Anti-TTIP-Vereins erklärt.
Kurz darauf ließ das SPD-geführte Bundesfinanzministerium eine Art Blendgranate platzen: Vereine, die nur Männer aufnehmen, sollten nicht mehr dem Gemeinnutz dienen, hieß es da, wenn auch nur kurz. Schnell wurde insbesondere von CSU-Seite interveniert – die rein männlichen Bayerischen Gebirgsschützen lassen grüßen – und das Steuer-Thema geriet fast in Vergessenheit.
Doch statt kritische Organisationen vom Steuerhammer zu schützen, plant Minister Olaf Scholz augenscheinlich das Gegenteil. Es scheint, als hatte er schon bei dem zugrundeliegenden Männer-Gesetzentwurf eine ganz andere Zielgruppe im Blick: Genau solche Vereine, die sich der zivilgesellschaftlichen politischen Volksbildung verschrieben haben. Passend dazu titelte letzten Freitag der Spiegel: „Scholz will politisches Engagement von Vereinen bestrafen.“
Scholzens Ministerium dementierte zwar schnell: „Dadurch wird Rechtssicherheit für viele Vereine geschaffen.“ Tatsächlich aber sieht selbst der Umweltverband BUND diese Entwicklung inzwischen offenbar als Bedrohung seiner Arbeit. Olaf Scholz wolle „mit seinem Gesetzesentwurf zur Reform der Gemeinnützigkeit die Rechte der Zivilgesellschaft beerdigen“, zitiert die ZEIT den BUND-Vorsitzenden Olaf Bandt.
Bleibt die Frage: Wen wird der Gemeinnützigkeitsbann des Steuerrechts als nächstes treffen? Die könnten wahrscheinlich am besten die Mitarbeitenden der Finanzbehörden oder der SPD-Minister Scholz selbst beantworten.
Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie DGS e.V. jedenfalls, wie viele andere Vereine auch als gemeinnützig anerkannt, wird weiterhin auch (umwelt-)politische Bildungsarbeit betreiben. Diese DGS-News sind ein Teil davon. Und werden es trotz der Drohung bleiben: „Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i.S. von § 52 AO.“ Denn dieser Satz ist nichts anderes als der Versuch, die politische Zivilgesellschaft außerhalb der Parteien zu disziplinieren. Dagegen müssen und werden wir uns stellen.
Oder – um es in solidarischer Umarmung mit dem VVN-BdA www.vvn-bda.de/ zu sagen: Sind wir nicht alle ein bisschen linksradikal?
PS: Wer mag, kann beispielsweise diese Petition gerne unterschreiben. www.openpetition.de/petition/online/die-vvn-bda-muss-gemeinnuetzig-bleiben