27.10.2023
Der KühlungsRebell
Ein Bericht von Götz Warnke
„Ein Artikel über Kühlung, jetzt im kühlen Herbst – da ist wohl jemand in die falsche Jahreszeit geraten“, mögen manche Lesenden im ersten Moment denken. Nein es ist genau die richtige Zeit für Überlegungen und Vorbereitungen zum Thema Kühlung. Denn wenn die erste Welle der Tropennächte über uns hereinbricht, und das Denken zunehmend schwerer fällt, dann ist es eigentlich schon zu spät – frei nach dem Motto: „Wenn Sonne auf dem Schädel brennt, dann hast Du Ostern schon verpennt!“
Auch wenn das Thema hier in Deutschland erst mit der Klimakrise und der Erderhitzung langsam auf die Tagesordnung kommt, so ist es weltweit längst ein drängendes Problem und eine Überlebensfrage für viele Menschen. Im November 2018 wurde daher von verschiedenen staatlichen Akteuren und Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) unter der Leitung des indischen Wissenschaftsministeriums und des renommierten Rocky Mountain Institutes (RMI) der hochdotierte „Global Cooling Prize“ aus der Taufe gehoben, um mittels eines Innovationswettbewerbs hocheffiziente, klimafreundliche Lösungen für die Kühlung von Wohngebieten zu entwickeln. Immerhin muss davon ausgegangen werden, dass sich die Anzahl der Anlagen für Raumklimatisierung bis 2050 vervierfachen wird – verbunden mit den entsprechenden CO2-Emissionen.
Als Menschen, deren Wohlfühltemperatur mit 20° bis 27°C deutlich unter der durchschnittlichen Körpertemperatur von 37°C liegt, sind wir nicht nur in den Tropen oder Wüstengebieten auf Kühlung angewiesen. Wer sich also nicht energieintensiv und industriedienlich für jeden Raum seines Heims ein Klimagerät kaufen will, um anschließend beim Summton in einem abgedunkelten Raum zu sitzen und pro Saison und Gerät 40 bis 140 Euro an Stromkosten zu bezahlen, muss zum KühlungsRebell werden und sich einfache, energiesparsame Lösungen suchen.
Eine der einfachsten Lösungen ist ein Kippfenster/Oberlicht („Veluxfenster“) über dem Treppenhaus, das man während der Hitze des Tages öffnet, um die warme Luft nach draußen zu lassen. Ideal ist es, wenn das Fenster an der Nord- oder Ostseite des Gebäudes eingebaut ist, und so tagsüber keiner direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt wird. Ansonsten empfiehlt es sich, das Oberlicht mit einer Jalousie zu versehen, um das Eindringen von Licht zu vermeiden. Die Verschattung von Fenstern und Türen, bei denen der Wärmeanteil des Lichts auch die inneren Räume trifft, ist für die Kühlung des Hauses zentral. Klassisch wird das erreicht durch Vorhänge/Jalousien innen sowie durch Jalousien, Rollläden und Markisen außen.
Was die innere Verschattung anbelangt, so ist eine weiße oder gar silbrige Jalousie, insbesondere innen im Fensterrahmen, wegen der höheren Lichtreflexion einem Vorhang vorzuziehen.
Draußen haben Markisen den Nachteil, dass sie bei Abwesenheit des Besitzers und wechselnden Wetterverhältnissen – von Morgensonne zu nachmittäglichem Gewitter – ggf. ungeschützt sind. Eine Alternative sind semitransparente PV-Module, wie sie u.a. bei Gewächshäusern u.ä. eingesetzt werden. Sie reduzieren die Einstrahlung der eher senkrecht stehenden Sommersonne; in der dunklen und kalten Jahreszeit lassen sie hingegen die niedrige Wintersonne ungehindert eintreten. Weiterhin bieten sich eine zunehmende Zahl von Solar-Rollläden, Solar-Jalousien, und Solar-Rollos für eine Kombination von Verschattung und PV-Ernte an.
Völlig aus der Mode gekommen sind leider die Fensterläden, obgleich es dafür aus südlichen Gefilden eine Vielzahl von durchdachten, höchst flexiblen Typen gibt. Aber es sind auch neue Varianten denkbar: z.B. könnte man, ein gewisses handwerkliches Geschick voraus gesetzt, bifaziale PV-Module zu Fensterläden umbauen: so hat man nicht nur Schatten, sondern auch Strom.
Doch auch bei sonnenbeschienenen Dächern und Wänden ist eine Verschattung notwendig, was bei Schrägdächern richtigerweise meist in der Installation einer Solaranlage mündet. Hier sind demnächst auch helle farbige oder sogar weiße PV-Module möglich, die einen zusätzlichen Kühleffekt haben. Bei Wänden wird man heute gern auf eine Wandbegrünung gesetzt, die zudem noch Feinstaub aus der Luft filtert. Doch zum einen wird die Feinstaubbelastung in den Städten zurück gehen, weil immer Fossil-Fahrzeuge, Fossil-Heizungen und alte Holzöfen stillgelegt werden; zum anderen ist überhaupt nicht geklärt, ob nicht z.B. PVT-Module, die die Wärme in den Heizungsspeicher abführen, nicht doch bessere Kühlungseffekte erzielen. Natürlich ließe sich beides auch zu Grünfassaden mit Solarnutzung kombinieren. Noch effektiver dürften allerdings weiße oder verspiegelte Flächen sein, wobei letztere zu Konflikten in der Nachbarschaft führen können.
Doch nicht nur das Haus selbst, auch die nähere Umgebung ist relevant: Dunkel gepflasterte Auffahrten, Parkplätze und Terrassen wirken als Hitzespeicher. Das mag für die kühleren Zeiten der Vergangenheit durchaus erwünscht gewesen sein, um nächtens länger gemütlich draußen sitzen zu können. In vermehrt auftretenden Tropennächten sind die dunklen Untergründe allerdings kontraproduktiv. Nicht umsonst hat die Athener Stadtverwaltung im Juni 2018 damit begonnen, Straßen weiß anzustreichen.
Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, Terrassen und andere Plätze morgens zu bewässern, um dann tagsüber von der Verdunstungskühlung zu profitieren. Bei größeren Flächen sollte man gerade in Hitzeperioden aus Gründen der Sparsamkeit auf Wasser aus der eigenen Regenwasserzisterne zurückgreifen.
Interessant sind hier Erfahrungen aus Regionen, die schon länger mit Hitze zu kämpfen haben wie z.B. Andalusien: dort sind einige Innenhöfe noch ganz traditionell mit Flusskieseln gefliest. In den Zwischenräumen der Kiesel sammelt sich deutlich mehr Wasser als auf glatten Flächen, was wiederum zu einer stärkeren Kühlung führt.
Noch mal zurück ins Haus: dass mit Wärmepumpen und Flächenheizungen auch gut Räume kgeühlt werden können, ist bekannt. Im Sommer 2021 hat nun das Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP eine Untersuchung veröffentlicht, nach der man auch mit Wärmepumpe und Heizkörpern Räume kühlen kann. Spezialisten wie Bosch geben zu bedenken, dass es an den wenigen im Raum stehenden Heizkörpern dabei zu einer verstärkten Kondenswasserbildung kommen wird. Daher muss man wohl bei Dauerbetrieb dieses Tauwassers auffangen.
So oder so aber bleibt einem zumindest das ständige Surren der Klimaanlagen erspart.