27.08.2021
Deal „Absicherung Tagebau Garzweiler“ vs. „Stilllegung Tagebau Hambach“?
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Laut Kohleausstiegsgesetz soll die Kohleverstromung in Deutschland „spätestens bis zum 31. Dezember 2038“ enden. Vor einem Jahr, am letzten Sitzungstag vor der sitzungsfreien Sommerzeit, stimmte der Bundestag mehrheitlich für das „Kohleausstiegsgesetz“ und das „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“. Eine aktuelle Greenpeace-Recherche liefert interessante Daten im Zusammenhang mit der Aushandlung des Kompromisses zum Kohleausstieg
Die Gesetzentwürfe für das „Kohleausstiegsgesetz“ und das „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ wurden in der Fassung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie angenommen und vom Bundesrat bestätigt (die DGS-News berichteten). Der beschlossene Kohleausstieg sieht Entschädigungszahlungen von 4,35 Mrd. Euro vor. RWE soll 2,6 Mrd. Euro erhalten, 1,75 Mrd. die LEAG. Bei der damaligen Debatte zum Kohleausstiegsgesetz, vor der Abstimmung im Bundestag, hatte die Fraktion B’90/Grüne den Gesetzesentwurf kritisiert, etwa die Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks Datteln 4. Sie forderten, dass die Braunkohlekraftwerke früher und kontinuierlich stillgelegt werden. „Sie haben diesen Kompromiss, der zwischen den Gewerkschaften, den Umweltverbänden, den Industrievertretern und den Wissenschaftlern gefunden wurde, einseitig aufgehoben“, sagte beispielsweise MdB Annalena Baerbock. Stattdessen sei die Gesetzesvorlage „ein 18 Jahre langes finanzielles Kohleabsicherungsgesetz“.
Die aktuelle Greenpeace-Recherche liefert interessante Informationen dafür, warum die Kohlelobby eine erhebliche Verlängerung der Laufzeiten für Kohlekraftwerke aushandeln konnte – abweichend vom Beschluss der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“.
Bisher unbekannte Gespräche
Just in der Zeit, „als die Politik das sogenannte Kohleausstiegsgesetz erstellte und den Beschluss für Milliarden-Entschädigungen an die alte fossile Industrie vorbereitete“ fanden informelle Treffen zwischen NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Vertretern von RWE statt. Diese bisher unbekannten Gespräche zum Thema ,,Rheinisches Revier" fanden zwischen dem 5. Februar und dem 3. Dezember 2019 statt. Eine These der Recherchierenden der Umweltschutzorganisation ist: „Aus den informellen Absprachen zwischen Laschet und RWE könnte letztlich der Deal “Erhalt des Hambacher Forstes gegen das Zerstören der Dörfer am Tagebau Garzweiler II” hervorgegangen sein“. Entscheidend seien demnach die „Zeitpunkte der Treffen, die offensichtlich eng an die Verhandlungen um die Stilllegungen von RWEs Kohlekraftwerke und Entschädigungszahlungen angelehnt waren“. So steht beispielsweise in einem Vermerk des Bundeskanzleramts vom 27.1.2020 zum Tagebau Garzweiler: „Die Absicherung des Tagebaus Garzweiler im Rahmen der Leitentscheidung aus 2016 einschließlich der verbundenen Umsiedlungen war ein zentrales Anliegen von RWE/NRW im Gegenzug zur frühzeitigen Stilllegung des Tagebaus Hambach und dem Erhalt des Hambacher Forsts“.
Die informellen Treffen zwischen Armin Laschet und Vertretern von RWE fanden zu folgenden Zeiten statt: am 05.02.2019 „unmittelbar nachdem die Kohlekommission ihren Abschlussbericht vorgelegt hatte“; am 12.07.2019 „nachdem das Wirtschaftsministerium am 3. Juli 2019 einen Überblick über den Rahmen und die nächsten Schritte der Kohleausstiegsgesetzgebung veröffentlichte“; am 18.10.2019 „unmittelbar vor einem Gespräch zwischen RWE und dem BMWI am 24.10.“, bei dem über den Gesetzentwurf zum Kohleausstieg verhandelt wurde; sowie am 03.12.2019, „drei Tage vor einem weiteren Verhandlungstermin von RWE im BMWi vom 06.12. zum Kohleausstieg, rund ein Monat vor dem Bund-Länder-Einigung zum Kohleausstieg“. Bekannt ist auch, dass die Dauer der Treffen bzw. Gespräche nicht erfasst worden ist. Laut Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen gibt es zudem keine Protokolle. Die Staatskanzlei hält weitere Gesprächsunterlagen unter Verschluss, mit der Begründung: „(vermeintlich) bloße Sachinformationen lassen damit bereits Rückschlüsse auf den behördlichen Beratungsprozess zu“. Das geht aus dem auf der Webpräsenz von Greenpeace verlinktem Widerspruchsbescheid vom 21.07.2021 hervor.
Interessant sind auch die Termine von 2020: am 19.03.2020 ein Wirtschaftsgipfel per Videokonferenz mit Teilnehmern von RWE und am 12.10.2020 ein Wasserstoffgipfel in Düsseldorf zum Thema ,,Transformationspfade für nachhaltige industrielle Projekte in Nordrhein-Westfalen" unter anderem mit Teilnehmern von RWE.