27.03.2020
Die Wasser-Philosophie von Acatech
Wie Corona zur Welterklärung beiträgt: Eigentlich wollte Acatech, die Akademie der Technikwissenschaften mit Sitz in München, dieser Tage im evangelischen Bildungszentrum Eckstein nahe der Nürnberger Burg von Fachleuten die Frage klären lassen: „Wird durch den Klimawandel aus dem Lebenselixier Wasser ein Luxusgut?“ Doch es kam alles anders.
Denn kurz zuvor kam Corona. Das Virus hatte zwar Acatech und die evangelische Stadtakademie als Mitveranstalter nicht zur Absage der Veranstaltung veranlassen können. Doch Prof. Reinhard Hüttl vom Geo-Forschungszentrum Potsdam „wurde auf der Fahrt auf einen wichtigeren Termin abberufen“. Und Wasser-Bereichsleiterin Mirjam Bergold musste nach einer Direktive ihres Arbeitgebers N-Ergie die Teilnahme absagen. Begründung laut Acatech: „Corona-Gefahr.“
Dabei ist nach Meinung vieler nicht der neuartige Virus, sondern das Wasser das, worum sich alles auf dieser Welt drehen sollte. Dass „Wasser der Ursprung aller Dinge“ sei, und alles wieder zu Wasser werde, das habe etwa Thales von Milet (624 bis 547 v.Chr.) vermutet.
Seinen eben genannten Rückgriff auf Thales begründete Hans-Georg Frede philosophisch. Frede ist emeritierter Ressourcenmanagement-Professor aus Gießen und bei Acatech in der Projektgruppe „nachhaltige Landwirtschaft“ aktiv. Er war der einzige der drei eingeplanten Referierenden, der sich tatsächlich durch das Corona-verseuchte Deutschland bis zum Nürnberger Burgberg durchgeschlagen hatte. Und er war auch mutig genug, stellvertretend für die beiden Abwesenden die offizielle Titelfrage der Veranstaltung – „Wie sicher ist unser Trinkwasser?“ gleich zu Beginn seiner Ausführungen zu beantworten: „Sehr sicher.“
Doch danach drückte Frede auf die Tränendrüse. Nein, falsch: Er sprach darüber, wie Tränen, Zelldruck im Körper, Fruchtwasser entstehen. Er spann den Bogen vom aktuellen Wirtschafts- und Wohlfühlfaktor des Wassers in Wellnessoasen bis zu dessen „unheimlicher Symbolkraft in allen Weltreligionen“. Selbst die alten Ägypter hätten Pharaonen Totenschiffe mitgegeben, damit die ihre Reise auf dem Fluss der Unterwelt fortsetzen können. Und vom in den Mikwen des Judentums fließenden Grundwasser kam er zum Nitrat darin. Darum wird bekanntlich aktuell heftig gestritten.
Dabei, so zitierte Frede die wiederkehrenden Untersuchungen des Umweltbundesamtes, hielten „99,9 Prozent der Proben alle gesetzlichen Vorgaben ein: Bei Keimen, aber auch physikalischen und chemischen Parametern.“ Weshalb sich die Deutschen glücklich schätzen könnten, „den Kopf unter den Wasserhahn zu halten. Das können nur Menschen in vier oder fünf Ländern dieser Welt.“ Und das vielzitierte Nitrat sei nur „ein theoretisches Problem, das praktisch keine Auswirkungen hat“.
Doch Fakt ist: Die Europäische Kommission verlangt, dass in Deutschland die Nitratwerte im Grundwasser gesenkt werden. „Selbst wenn wir weniger düngen, hat das erst in 30 Jahren Auswirkungen“, merkte ein Gemüsebauer aus dem Nürnberger Knoblauchsland an. Und schon war die Diskussion weg vom Wasser und bei der bäuerlichen Lebensmittelproduktion gelandet: Deren Düngung wird hauptsächlich für die hohen Nitratwerde hierzulande verantwortlich gemacht.
„Alle sind sich einig: Landwirtschaft muss sozial verträglich, ökologisch ausgewogen und ökonomisch tragfähig sein. Aber: Wir haben kein Gleichgewicht zwischen diesen Dimensionen, sondern einen Zielkonflikt. Wir müssen einen Kompromiss zwischen allen Akteuren finden“, konstatierte Prof. Frede und forderte: „Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen mitmachen. Wir alle können unser Verbraucherverhalten ändern.“ Doch auch wenn die letzten Sommer sehr trocken gewesen seien: „Es gibt viele Möglichkeiten, auch dann an Wasser zu kommen“, stellte der Wissenschaftler fest. Dazu führte er den Nil in Afrika an: Die Wassermenge, die dort zur Feldbewässerung entnommen werde, könnte uns auch die Elbe liefern, so Hans-Georg Frede.
Doch aus dem ebenfalls coronal reduzierten Publikum kamen Gegenreden. „Ich finde es erstaunlich, dass Sie sich hinstellen und sagen, das Trinkwasser ist sicher“, war eine davon. Und auch ein Sanitärplaner widersprach: „Ich kann nicht empfehlen, Trinkwasser aus den Verteilungsleitungen im Haus zu trinken. Dort wird so wenig verbraucht, dass es verkeimt ist. Nur bei der Beprobung nahe der Wasserwerke ist es sauber. Deshalb sind 99,9 Prozent aller Proben rein.“
Noch ein Wort zu Thales von Milet
Eigentlich war Thales ja weniger nah am Wasser gebaut, als an Strichen: Im nach ihm benannten Thales-Kreis schlagen heute noch die Geometer ihre Dreiecke. Und deshalb gilt Thales heute noch als einer der Grundstein-Leger für naturwissenschaftliches Denken.