25.06.2021
.. und das wars dann erst Mal: Die letzten Energiegesetzesänderungen dieser Koalition
Ein Fazit von Jörg Sutter
Die Energiepolitik macht jetzt Pause. Nicht nur Sommerpause als Parlamentsferien, weil nun an diesem Freitag die letzte Sitzungswoche dieser Legislaturperiode abgeschlossen ist. Sondern wegen der Bundestagswahl im September vermutlich bis ins nächste Jahr hinein, denn nach der Wahl muss sich ja erst einmal eine neue Regierung finden. Bis auf Notfallsituationen findet im nächsten halben Jahr keine einzige Parlamentssitzung statt, in der die Weichen in Richtung Zukunft umgestellt werden können.
Und der Abschluss der Energiepolitik dieser Koalition ist unrühmlich: Viele hatten nach dem bemerkenswerten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutzgesetz eine schnelle Nachbesserung und vor allem die Erhöhung der Ziele beim Ausbau der Erneuerbaren Energien erhofft.
„Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes, des Energiewirtschaftsgesetzes sowie zahlreichen Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz wird der Deutsche Bundestag am kommenden Donnerstag das letzte große energie- und klimapolitische Gesetzespaket dieser Legislaturperiode und damit ganz entscheidende Verbesserungen für die dezentrale Energiewende beschließen“, erklärte der Kasseler Bundestagsabgeordnete und Energiepolitiker Timon Gremmels (SPD).
Ja, die Ziele sind leicht erhöht worden. Ja, bei den Erneuerbaren Energien werden nun auch noch einige kleine Verbesserungen umgesetzt und auch die Ziele im Klimaschutzgesetz werden erhöht. Ein großer Wurf und ein „Durchstartet“ ist es aber überhaupt nicht. Im Gegenteil:
So hat die Regierung völlig ignoriert, dass am 30.Juni die Umsetzungsfrist der EU zur Erneuerbaren-Energien-Richtlinie abläuft. Schon seit geraumer Zeit weist nicht nur das Bündnis Bürgerenergie darauf hin, dass die EU-Richtlinie zu Erneuerbaren Energien auch die gemeinschaftliche Eigenversorgung enthält und diese zwingend auch bei uns umgesetzt werden muss. Doch Minister Altmaier hat mit der EEG-Änderung Ende 2020 in eine Fußzeile des Gesetzentwurfes geschrieben: „Diese Änderung dient der Umsetzung der eE-Richtlinie“. Und der weitere Inhalt der Richtlinie wurde dann bis heute ignoriert. Darauf weist das Bündnis auch in einer Veranstaltung am kommenden Mittwoch hin.
Auch eine Ohrfeige auf den letzten Metern haben die Mieter in der Republik erhalten: Nachdem sich vor einigen Wochen das Wirtschafts- und das Umweltministerium in einem Gesetzentwurf darauf geeinigt haben, den zukünftigen CO2-Preis hälftig von Mietern und Vermietern tragen zu lassen, ist diese Regelung nun auf den letzten Metern am Veto der Unionsfraktion im Bundestag gescheitert. Die Mieter, die keinen Einfluss auf den Dämm- und Sanierungsstand ihrer Wohnung haben, müssen zukünftig die Zeche vollständig alleine tragen.
Auch nicht viel besser sieht es bei den Erneuerbaren Energien aus. Hier legte das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nahe, dass die Ausbauziele z.B. bei PV und Wind deutlich erhöht werden müssen. Auch viele Experten fordern dies schon seit langem, da die aktuellen Ausbauzahlen für ein Erreichen der Klimaziele von Paris nicht genügen. 10 bis 15 Gigawatt Photovoltaik pro Jahr sollten es schon sein, noch mehr ist notwendig, wenn nicht auch gleichzeitig der Zubau der Windkraft wieder Fahrt aufnimmt.
Die CDU hat inzwischen als letzte Partei ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl geschrieben, dass diese Woche vorgestellt wurde (siehe Text in dieser News-Ausgabe). Darin steht: „Wir werden Erneuerbare Energien schneller ausbauen, damit der stark steigende Energiebedarf gedeckt wird. Nur so wird die Energiewende in allen Bereichen gelingen und die Pariser Klimaziele erreicht werden“. Doch genau dabei bremst die Union in der großen Koalition aktuell dann doch wieder, die eE-Ausbauziele werden vor Ende der Legislatur nicht weiter erhöht.
Übrig geblieben vom Klima-Enthusiasmus ist nur der Krümel der einmaligen Erhöhung der Ausschreibemenge für PV um 4 GW für das kommende Jahr, gleich wieder mit der Unsicherheit, da diese Erhöhung nun wieder unter dem Vorbehalt der EU-Freigabe (Beihilferecht) des §105 EEG steht. Wenn die Prüfung nun wieder ein halbes Jahr dauert, so steht Anfang 2022 nicht fest, ob die Mengen ausgeschrieben werden dürfen, die Branche und die Anbieter hängen wieder in der Luft. Und es sind nur große Ausschreibeanlagen betroffen, die Planmenge der kleinen Anlagen und damit auch der atmende Deckel, der derzeit die EEG-Vergütung um 1,4 Prozent pro Monat absenkt, bleibt bestehen. Und gleichzeitig steigen Modulpreise (Transportkosten), Stahlpreise (Knappheit) und Handwerker-Stundensätze (Auslastung, allgemeine Kosten) - beides in Kombination ist keine attraktive Perspektive für den notwendigen PV-Zubau im Land. Die Kritik kommt aber nicht nur von Seiten der Umweltschützer und Klimafachleute: So ärgert sich der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm: „Klimaneutralität per Gesetz vorzuschreiben reicht nicht. Konkretisierung tut not“.
Positive Kleinigkeiten
Nur Kleinigkeiten – zumindest die PV betreffend - gehen in die richtige Richtung: Zum Beispiel eine aktuelle Änderung beim Eigenverbrauch im EEG, der ja seit Jahresbeginn bei PV-Anlagen bis 30 kWp EEG-umlagefrei ist: Dort soll zukünftig das Kriterium „maximal 30.000 kWh pro Jahr“ wegfallen. Das kann in der Praxis Messkonzepte vereinfachen, da die Strommengen dann nicht mehr zur Abgrenzung erfasst werden müssen. Auch können Solarparks - wie vielfach gefordert – zukünftig auch die Kommunen finanziell beglücken – um die Zustimmung vor Ort zu fördern. Doch das sind leider alles nur kleine Bausteine. Bei anderen Technologien mögen die Bausteine größer sein, aber , außer beim Hype-Thema Wasserstoff, geht es meist nur um Erhalt bestehender Anlagen und Verhinderung von Abbau und Rückschritten. Es geht bei keiner Technik um eine Verdoppelung oder Verdreifachung des Zubaus.
Ach ja, da war doch noch was: Die bundesweite Solardach-Pflicht. Was ist mit der? Auch die wurde vom Umweltministerium in die Neufassung des Klimaschutzgesetzes hineingeschrieben, doch die Union hat das wieder hinausbefördert. Und man darf auch allgemein die Langfristigkeit und Trägheit kritisieren: Die konkreten CO2-Minderungsziele ab 2041 wird die Bundesregierung gemäß §4 des Klimagesetz-Entwurfs „spätestens im Jahr 2032“ vorlegen, eingefügt wird nun aktuell in das Gesetz: „Die Bundesregierung wird dem Deutschen Bundestag im Jahr 2028 einen Bericht zum Stand und zur weiteren Entwicklung der CO2-Bepreisung innerhalb der Europäischen Union sowie zu technischen Entwicklungen vorlegen“. Man stellt keine blöde Frage, wenn man wissen will: Warum erst in sieben Jahren, warum nicht schon Mitte 2022 und dann in jährlichem Abstand immer wieder?
Kein gutes Signal
Also: Es ist kein gutes Signal für den Klimaschutz, das aus der letzten Woche der Parlamentssitzung in Berlin ausgesendet wird. Naheliegende und einfach umzusetzende Maßnahmen werden politisch verweigert, die Zukunft soll es schon irgendwie richten.
Man kann und muss davon ausgehen, dass dieses Negativbild nun den kommenden Wahlkampf prägen wird. Und die Wissenschaftler, die unverdrossen vor der Klimaerhitzung warnen, die Jugendlichen, die mit Friday-For-Future jetzt wieder auf die Straßen gehen - sie wollen eigentlich nur eines: Endlich ernst genommen werden von der Energiepolitik in Berlin. Doch das kann nur glaubwürdig gelingen, wenn die Weichen konsequent anders gestellt werden. Diese Chance haben die Energiepolitiker der großen Koalition aktuell definitiv verpasst.