24.02.2023
Strommarkt-Design: Nach der Änderung ist vor der Änderung
Eine genaue Betrachtung von Jörg Sutter
Zurecht wird vom Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Klima (BMWK) nun ein neues Kapitel der Energiewende aufgeschlagen. Jetzt geht es auch ans „Eingemachte“: das viel diskutierte Strommarkt-Design soll zukunftsfähig gemacht werden.
Was ist mit diesem Begriff gemeint? Das Design des Strommarkts beschreibt die Struktur des Handels mit Strom. Wer darf handeln, wie werden die Marktpreise bestimmt und so weiter. Im vergangenen Jahr gab es von vielen Seiten Kritik an dem „Merit-Order“-Prinzip, bei dem die teuersten Stromerzeuger, die für die Versorgung noch benötigt werden, den (Börsen-)Strompreis vorgibt. Die DGS-News berichteten darüber mehrfach. Denn besonders im letzten Jahr hat sich auch gezeigt, dass „dank“ Merit Order die Erneuerbaren Energien ihr Versprechen von Preisstabilität nicht halten konnten. Doch die Diskussion um ein neues Strommarkt-Design ist noch wesentlich älter. So hat die SONNENENERGIE darüber auch schon im Jahr 2015 berichtet.
Von der Kommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ liegt nun ein großes Werk auf dem Tisch: Die “Stellungnahme zum Strommarkt-Design und dessen Weiterentwicklungsmöglichkeiten“ wurde von vier anerkannten Wissenschaftlern und ihren universitären Teams erstellt. Er kommt auf stolze 155 Seiten, die frei abgerufen werden können. Der Bericht zeigt die aktuellen Schwächen und Probleme des Stromsystems auf und macht konkrete Verbesserungsvorschläge.
Doch neben dem Monitoring der „Energie der Zukunft“ hat das BMWK nun aktuell eine weitere Aktivität gestartet: das Ministerium hat die Plattform „Klimaneutrales Stromsystem“ ins Leben gerufen und die erste Sitzung des Gremiums abgehalten. Und tatsächlich: es haben sich schon viele gemeldet, die ihre Hinweise platzieren wollen: Die Plattform Erneuerbare Energien PEE aus Baden-Württemberg betont, dass die Umstellung schneller gehen müsste und die Biomasse stärker berücksichtigt werden muss. Simone Peter vom Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) betonte in einem Gastkommentar beim Handelsblatt: „Künftig müssen hohe Mengen an fluktuierendem Strom aus Photovoltaik- und Windenergieanlagen integriert und Anreize für eine Flexibilisierung von Stromangebot und -nachfrage gesetzt werden. Damit können Erneuerbare mehr Systemverantwortung übernehmen und erhebliche betriebs- und volkswirtschaftliche Vorteile generieren.“ In diesem Zusammenhang spricht sich Peter auch gegen ein neuerliches „Korsett“ durch CFD´s („contract for difference“; Erklärung weiter unten) aus.
Doch erst einmal zurück zum Expertenbericht. Die Monitoring-Experten haben zahlreiche Handlungsoptionen durchleuchtet und kamen zum Schluss: Einige der bisherigen Grundsätze sollten weiter beibehalten werden, so die Stromgroßhandelsmärkte und auch das Einheitspreisverfahren mit freier Preisbildung. Die Zukunftsfähigkeit soll durch neue Gebotsformen und eine bessere Berücksichtigung der Anforderungen der Stromnetze erreicht werden. Über CFD´s, also eine Art Differenzförderung, sollen die Investoren für Stromproduktionsanlagen bei der Stange gehalten werden. Bei einem CFD wird für eine Erzeugungsanlage sowohl ein Höchst- als auch ein Mindestpreis festgelegt. Ist der Marktpreis höher als der Höchstpreis, gibt der Stromerzeuger den Ertrag über dem Höchstpreis ab. Liegt der Marktpreis niedriger als der Mindestpreis, erhält der Erzeuger trotzdem den Mindestpreis, auf den er sich damit verlassen kann.
Komplizierter wird es nun noch, wenn gerade die Erneuerbaren Stromerzeuger ja flexibler eingesetzt werden sollen. Auch das muss ja irgendwie finanziell angereizt werden und in diese CFD zusätzlich integriert werden.
Sogar „Lokalisierungssignale“ soll es im zukünftigen Strommarkt-Design geben, zu groß inzwischen die regionalen Unterschiede und die Regelungsprobleme bei Erzeugung und Stromtransport. Dafür brauchen Investoren ebenfalls einen finanziellen Anreiz, um ihre regionale Biomasseanlage zu regeln oder ihre PV- oder Windanlage bei Überangebot zu drosseln.
Die Kunst wird in den kommenden Monaten sein, einerseits ein Strommarktsystem für die Zukunft in Deutschland zu entwerfen, andererseits das Ganze passend in den europäischen Kontext zu integrieren und dabei alle wesentlichen Beteiligten auch mitzunehmen. Diese Aufgaben soll die neue Plattform „klimaneutrales Stromsystem“ wahrnehmen. Minister Robert Habeck (Grüne) betonte bei der Auftaktveranstaltung: Europa habe einen der weltweit besten Strommärkte hat, und dies solle auch mit und nach der Umstellung auf noch mehr Erneuerbare Energien auf alle Fälle weiter so sein.