19.05.2023
Schaut auf diese prämierten Pressefotos!
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Die niederländische Stiftung World Press Photo hat kürzlich die Gewinner:innen ihres internationalen Wettbewerbs für Pressefotografie bekannt gegeben. Mehrere der ausgezeichneten Fotoarbeiten befassen sich mit Ressourcen, Umweltveränderungen oder Nachhaltigkeit. Am 17. Mai fand die Vernissage der Wander-Ausstellung in Berlin statt.
Doch welche der 60.448 Einsendungen, eingereicht von 3.752 Fotograf:innen aus 127 Ländern, überzeugten die Jury überhaupt? Vergangenes Jahr definierte die World Press Photo Foundation neue Kriterien für den Wettbewerb: Die Bilderauswahl findet in zwei Stufen statt. Nun wählen zuerst regionale Jurys die regionalen Gewinner:innen aus, und anschließend eine globale Jury die globalen Preisträger:innen.
And the global winners 2022 are…
Mehrere Fotoarbeiten befassen sich mit Kriegssituationen, auch das als Pressefoto des Jahres ausgezeichnete Bild von Evgeniy Maloletka mit dem Titel „Luftangriff auf das Entbindungskrankenhaus von Mariupol“ („Mariupol Maternity Hospital Airstrike“). Es zeigt fünf Männer, die eine verletzte Frau auf einer Trage vor Trümmern zerstörter Gebäude tragen.
Mit Krieg setzte sich auch der Däne Mads Nissen auseinander, Gewinner in der Kategorie Fotoserie. Im Auftrag der Zeitschrift Politiken hielt er fotografisch fest, wie afghanische Familien verzweifelt versuchen, Geld für Lebensmittel zu sammeln. Seine Fotoarbeit trägt den Titel „Der Preis des Friedens in Afghanistan“ („The Price of Peace in Afghanistan“). Nach Meinung der Jury zeigen diese Fotografien, wie sich „das Scheitern des amerikanischen Abenteuers in Afghanistan“ auf die Menschen ausgewirkt hat.
Doch für die DGS News haben wir in dieser fotojournalistischen Rückschau auf das Jahr 2022 den Blick auf die Themenfelder Ressourcen, Umwelt und Nachhaltigkeit gerichtet.
Wasserressourcen weltweit im Blick
Den Preis für das beste Langzeitprojekt erhielt die Fotojournalistin Anush Babajanyan. In ihrer Fotoserie „Misshandelte Gewässer“ („Battered Waters“) befasst sie sich mit dem Wassermanagement in Zentralasien, das durch Dürren erschwert wird. „Wasser ist mit ihrem Leben verflochten“ sagt Babajanyan über die von ihr porträtierten Menschen. „Auch das Leben der Menschen verändert sich, weil sich das Klima verändert, und auch sie müssen sich daran anpassen“, ergänzt sie. Diese Resilienz, diesen „kraftvollen Geist“ habe sie einfangen wollen.
Den Preis in der Kategorie "offenes Format" gewann der Ägypter Mohamed Mahdy für sein interaktives Dokumentationsprojekt mit dem Titel „Hier kennen die Türen mich nicht“ („Here, The Doors Don’t Know Me“). Es handelt vom Fischerdorf Al Max in Alexandria, Ägypten. Die Regierung siedelte bisher etwa ein Drittel der einstigen Anwohner:innen um und begründete das unter anderem mit einer Gefährdung des Dorfes durch den Anstieg des Meeresspiegels. In dem webbasierten Fotoprojekt ermutigte Mohamed Mahdy die Fischerdorfbewohner:innen, ein Archiv privater Erinnerungen aufzubauen. Außerdem können Interessierte den Bewohner:innen von Al Max direkt über die Website schreiben.
Wasserressourcen auch „regional“ preiswürdig
Auch von regionalen Preisträger:innen gibt es Fotoarbeiten, die sich mit dem Thema Wasser auseinandersetzen.
„Bevor sie verschwinden“ („Before It's Gone“), vom Marokkaner M'hammed Kilito, handelt von Oasen und den Menschen, die dort leben. „Die Fotos fangen das Eindringen der Wüste in die Behausungen ein und dem Fotografen gelingt es, die Endlichkeit des Oasenlebensraums zu betonen, der in naher Zukunft für immer verschwinden könnte“, urteilt die Jury.
Das Foto „Ölpest in Lima“ („Oil Spill in Lima“) von Musuk Nolte erzählt von den fast zwei Millionen Litern (12.000 Barrel) Rohöl, die bei der Entladung eines Tankers ins Meer und an die peruanische Küste gelangten (DGS News berichteten). Für die Jury veranschaulicht das Bild „die verheerenden ökologischen Auswirkungen der Ölförderung“.
In Zeiten der Klimakrise
Alessandro Cinques Fotoreportage „Alpaqueros“ erzählt von den Auswirkungen der Klimakrise auf das Leben der Züchter:innen von Alpakas. In den peruanischen Anden finden Tieren immer seltener Futter und Wasser, da die natürlichen Weideflächen schrumpfen und die Gletscher schmelzen. Wissenschaftler:innen sind dabei, Rassen zu züchten, die besser an extreme Temperaturen angepasst sein sollen. Die Jury betont die in den Fotos gezeigte „Beziehung zwischen Mensch, Kultur und Identität und die tiefe Verbundenheit mit allen Aspekten der sich verändernden Umwelt und der darin lebenden Tiere“.
In „Der sterbende Fluss“ („The Dying River“) zeigt Jonas Kakó den Rückgang des Durchflusses des Colorado River im Bundesstaat Arizona. Die Fotos entstanden während eines siebenwöchigen Roadtrips in „ein Krisengebiet des Klimawandels“, bei dem er unter anderem für den Stern fotografierte. Da der Regen häufig ausfällt, versorgen die dortigen Imker ihre Bienen in Trögen mit Wasser. Die Folgen von Hitze und Trockenheit sind genauso geschwächte Bienen, die anfälliger für Krankheitserreger sind, wie eine Beeinträchtigung der Pflanzen, von denen sie sich ernähren.
„Australische Fluten in Infrarot“ („Australian Floods in Infrared“) von Chad Ajamian nutzt Infrarot-Luftaufnahmen, um überflutete Gebiete in Teilen von New South Wales zu zeigen. Vegetation erscheint in Rosa und Rot, Wasser in Blau und Cyan (Übergangsfarbton von Blau zu Grün).
Im Namen der Nachhaltigkeit
Der Italiener Simone Tramonte befasste sich mit dem Nettonull-bis-2050-Ziel der EU. Seine Fotodokumentation „Der Weg zur Klimaneutralität“ („Net-Zero Transition“) zeigt verschiedene Orte in Europa, an denen Projekte umgesetzt werden, die auf eine Einsparung von Treibhausgasen abzielen, etwa in der Herstellung von Nahrungsmitteln, in der Kreislaufwirtschaft oder der Energieversorgung. In Dänemark fotografierte er Menschen, die in der Nähe eines Windparks schwimmen, der Strom für 40.000 Haushalte in Kopenhagen bereitstellt. In Catania fotografierte er die Produktion von PV-Modulen, in der französischen Region Provence-Alpes-Côte d’Azur eine XXL-PV-Freiflächenanlage und in Fuentes de Andalucía ein solarthermisches Kraftwerk.
Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle, dass Tramontes Fotoserie auch den Tokamak-Reaktor beinhaltet, ein Bestandteil des seit 2010 in Saint-Paul-lès-Durance in Bau befindlichen Fusionsreaktors ITER, dessen Fertigstellung für 2025 angekündigt ist. Somit wird Kernfusion als nachhaltig dargestellt, obwohl diese nicht als „saubere Energiequelle“ bezeichnet werden kann: „Denn die Reaktionskammer des Fusionsreaktors wird mit radioaktivem Tritium/Deuterium verseucht und die Außenwand zum Abfangen der Neutronen wird aktiviert“, wie Werner Neumann auf der Website des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland mitteilt. Der Sprecher des Arbeitskreises Energie dieser Umweltorganisation argumentiert auch, dass bei der Kernfusion große Mengen radioaktiver Müll anfallen, etwa in Form von verstrahltem Beton und Stahl, „der einige 100 bis 1.000 Jahre sicher gelagert werden müsste“.
Neumanns Meinung nach steckt hinter der Kernfusion auch das Ziel, Forschungsgelder für militärische Fusionswaffen-Labore zu erhalten.
Ausstellung auf Wanderschaft
Die prämierten Fotos sind im Willy-Brandt-Haus in Berlin bis zum 11. Juni zu sehen.
Parallel ist die Ausstellung in Deutschland gerade auch in Jena bis zum 2. Juni zu betrachten.
Balingen (20. Juli bis 13. August) und das Altonaer Museum in Hamburg (13. September bis 9. Oktober) schließen sich an.