18.09.2020
Umweltausschuss des europäischen Parlaments fordert höhere Klimaschutzziele
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Das Europäische Parlament (EP) ist direkt an der Festlegung eines Klimaziels innerhalb des EU-Klimagesetzes beteiligt. Vergangene Woche hat der in Klimafragen federführende Umweltausschuss des EP (ENVI) seinen Bericht zum Klimagesetz in der Schlussabstimmung mit 46 Stimmen bei 18 Gegenstimmen und 17 Enthaltungen angenommen. Die Abgeordneten beschlossen eine Anhebung des Zieles zur Minderung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030. Sie legten sich auf ein CO2-Minderungsziel von 60 % gegenüber dem Referenzjahr 1990 fest. Die zuständige Berichterstatterin des Ausschusses, die schwedische Abgeordnete Jytte Guteland, hatte 65 Prozent gefordert.
Wenige Tage vor der Sitzung des Umweltausschusses hatte der EP-Ausschuss für Energie und Industrie (ITRE) für ein neues EU-Klimaziel von mindestens 55 % gestimmt. Beide Klimaziele sind ambitionierter als die bisherige Vorgabe von -40 %.
EU-Klimaschutzgesetzgebung
Ende November 2019, vor der UN-Klimakonferenz COP25 in Madrid, verabschiedete das Europäische Parlament (EP) eine Resolution, mit der es den Klimanotstand ausruft. Die Abgeordneten forderten damit die Europäische Kommission auf, dafür zu sorgen, dass alle relevanten Gesetzes- und Haushaltsvorschläge vollständig mit dem Ziel übereinstimmen, die Erderwärmung auf unter 1,5°C zu begrenzen. Die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprach kurz nach ihrem Amtsantritt, im Dezember, ein europäisches Klimagesetz vorzulegen, das EU-weite Klimaneutralität bis 2050 verbindlich festschreiben soll. Das Gesetz gilt als zentraler Bestandteil des Europäischen Green Deal, den von der Leyen vorgestellt hatte. Mit Klimaneutralität ist das Erreichen eines Gleichgewichts zwischen Kohlenstoffemissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre in Kohlenstoffsenken gemeint. Der Europäische Rat sprach sich am 12. Dezember für EU-weite Klimaneutralität („climate neutrality“) bis 2050 aus. Das EP forderte im Januar dieses Jahres, dass der Kommissionsvorschlag Zwischenziele für 2030 und 2040 sowie einen Überprüfungsmechanismus und Anpassungsmaßnahmen beinhalten müsse.
Der ENVI-Berichtsentwurf
Jytte Guteland, Abgeordnete der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, ist Berichterstatterin im EP-Umweltausschuss. Sie hatte Ende April ihren Berichtsentwurf vorgelegt, der unter anderem ein Emissionsreduktionsziel von 65 % bis 2030 und negative Emissionen ab 2051 beinhaltet. Die Klimaneutralität bis 2050 und negative Emissionen sollten zudem nicht nur für die EU, sondern auch für jeden einzelnen Mitgliedstaat verpflichtend sein. Außerdem schlug Guteland ein europäisches CO2-Budget und einen unabhängigen wissenschaftlichen Beirat für Klima vor, der die Fortschritte bewerten und Empfehlungen aussprechen soll.
Ergebnis der Schlussabstimmung des Umweltausschusses
Die EP-Abgeordneten haben die Forderung aus dem ENVI-Berichtsentwurf übernommen, dass alle direkten und indirekten Subventionen für fossile Brennstoffe bis 2025 beendet werden sollen. Wie der Bündnisgrüne Europaabgeordnete Sven Giegold in einem Kommentar auf seiner Website betont, will der Umweltausschluss zudem „ein einklagbares Recht auf Klimaschutz in allen Mitgliedstaaten stärken“. Zudem beauftrage der Beschluss die Kommission, „ein Treibhausgasbudget zu entwickeln, das die gesamte verbleibende Menge an Emissionen angibt, die bis spätestens 2050 ausgestoßen werden könnten, ohne das Pariser Klimaabkommen zu gefährden“. Zusammen mit den Empfehlungen eines neuen unabhängigen und wissenschaftlichen europäischen Klimarats, solle dieses THG-Budget die Grundlage für die Ziele für 2040 sein. „Mit diesen neuen Ansätzen verbessert der Umweltausschuss den ursprünglichen Gesetzesvorschlag der EU-Kommission deutlich“, so Giegold.
Zeitplan
Gemäß des sogenannten ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens des EP (Art. 294 AEUV) werden die von der Kommission vorgeschlagenen Gesetze vom Europäischen Parlament und vom Ministerrat gemeinsam angenommen. Der Prozess kann bis zu drei Lesungen umfassen.
Die erste Lesung des vom Umweltausschuss beschlossenen Berichts ist für die Sitzungswoche vom 5. bis 9. Oktober eingeplant. Dann werden die EP-Abgeordneten den Gesetzesvorschlag im Plenum diskutieren und darüber abstimmen. Die Entscheidung des EP wird anschließend dem Ministerrat übermittelt. Das Gesetz ist erlassen, wenn der Rat in seiner ersten Lesung sämtliche Änderungswünsche des Parlaments mit qualifizierter Mehrheit billigt oder wenn das Parlament keine Änderungen vorgeschlagen hat und der Rat dem Entwurf der Kommission ebenfalls zustimmt. Der Umweltministerrat wird seine Verhandlungsposition voraussichtlich am 23.10.2020 oder 17.12.2020 beschließen.
Im Falle, dass die Minister im Rat anderer Meinung als die Kommission oder das EP sein sollten, fassen sie ihre begründeten Änderungsvorschläge im "gemeinsamen Standpunkt" der Regierungen zusammen und stellen diesen dem EP zur zweiten Lesung zu. 2021 sollen Trilog-Verhandlungen zwischen den gesetzgebenden Institutionen der Europäischen Union – Parlament, Rat und Kommission – stattfinden.