16.04.2021
Ein Umspannwerk wird verlegt
Ein Besuchsbericht von Heinz Wraneschitz
Das Umspannwerk Raitersaich im Landkreis Fürth. Das wird demnächst um 500 Meter verschoben. Anders als bei der so genannten "Juraleitung P53" gibt der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Tennet TSO mit Sitz in Bayreuth bereitwillig Auskunft zu dem Projekt, das direkt mit P53 zusammenhängt.
Raitersaich: Der Roßtaler Ortsteil hat inklusive Zweitwohnsitzen gut 400 Einwohner, einen Schützenverein und einen Sportverein. Doch das Dorf hat über die Region hinaus eine wichtige Bedeutung für die Stromversorgung: Direkt am Ortsrand steht das Umspannwerk (UW) des ÜNB Tennet. Und dieses UW soll in wenigen Jahren um etwa 500 Meter nach Westen verlagert werden.
Über die offiziell "Ersatzneubau" genannte, geplante neue Juraleitung zwischen Raitersaich im Kreis Fürth und Altheim nahe Landshut wird seit Jahren intensiv diskutiert.
Die Juraleitung ist unter dem Kürzel P53 im so genannten Bundesbedarfsplan-Gesetz (BBPlG) genannt. Deren Planung muss durch die Bezirksregierungen begleitet werden. Stellungnahmen waren bereits möglich. Und in dem laut Tennet für den Sommer geplanten Antrag auf das so genannte Raumordnungsverfahren (ROV) dürfen Bürger*innen, Behörden und Kommunen ganz offiziell und öffentlich ihre Pros und Kontras vortragen.
Anders das UW Raitersaich: Das ist nicht im BBPlG im Zusammenhang mit P53 genannt. Die geplante Verlegung wird deshalb auch nicht per ROV entschieden, sondern nach dem Immissionsschutzgesetz beurteilt. Für dieses im Beamtendeutsch so genannte BImSch-Verfahren ist laut Tennet das Landratsamt Fürth zuständig, das jedoch wieder auf die Bezirksregierung verweist.
Die Bedeutung des UW im Landkreis Fürth wird beim Blick in eine Tennet-Broschüre deutlich: Raitersaich ist einer der darin aufgeführten acht großen, bayerischen "Knotenpunkte der Stromversorgung". Hier treffen sich vier Leitungen aus dem Norden und Westen Deutschlands. Und deren Strommengen werden von hier in den Süden und Osten Bayerns verteilt. Gestrichelt bereits eingetragen: die "neue Juraleitung". Die soll auf dem höchsten deutschen Spannungsniveau - 380.000 Volt (380 kV) - die in Zeiten des 2. Weltkriegs errichtete, bestehende 220 kV-Leitung ersetzen.
"Neue Leitungen brauchen neue UW", ist in besagter Tennet-Broschüre zu lesen. Laut Öffentlichkeitsarbeiterin Lea Gulich habe der ÜNB zwar auch darüber nachgedacht, die neuen UW-Anlagen auf dem bisherigen Gelände unterzubringen. Doch für Raitersaich bedeutet das neue UW: es rückt einen halben Kilometer vom Ort ab. Deshalb gab es wohl auch nach der im Mai 2020 im Roßtaler Amtsblatt abgedruckten Information darüber "nur etwa zwei Handvoll Anrufe von Bürgern", so Lea Gulich.
Wobei Siegfried Geißelbrecht, bei Tennet für die UW-Technik in Raitersaich zuständig, klarstellt: Auch am jetzigen UW-Zaun werden die gesetzlichen Strahlungs- oder Lärm-Grenzwerte eingehalten, die von Transformatoren, Kondensatoren, Spulen oder Schalter ausgehen.
Viele dieser riesigen, zig Tonnen schweren Geräte sollen im Übrigen vom alten zum neuen Standort verlagert werden. Erst kürzlich wurde ein nagelneuer Kuppeltrafo per Bahn angeliefert und aufgestellt: Er transformiert die 380-kV-Höchstspannung auf das 110-kV-Niveau, mit dem der Verteilnetz-Betreiber N-Ergie die Region mit Strom versorgt. "Die 220-kV-Ebene soll nach und nach verschwinden"; damit erklärt Geißelbrecht auch den geplanten Neubau der 380-kV-Juraleitung.
Doch vorher müsse das UW stehen. Kosten: "Ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag." Vor knapp einem Jahr sprach Tennet noch vom "Start des Genehmigungsverfahrens im Frühjahr 2021"; nun sagt Gulich: "Die Anträge werden wohl Anfang 2022 eingereicht"; noch aber seien Grundstücksfragen offen. Dann jedoch werde parallel dazu die Bevölkerung informiert, "möglichst mit Infomärkten in den Ortsteilen rundherum", also von Großhabersdorf bis Roßtal.
Denn die Tennet-Frau gibt auch zu: Der geplante neue Standort ist nicht ohne. Einerseits soll die UW-Fläche selbst größer werden als die jetzige. Und dann sollen die Stromleitungen nach Norden künftig über ein Waldstück geführt werden. "Das ist Landschaftsschutzgebiet. Müssen wir hier abholzen, kommt eine Kompensation", aber man wolle möglichst wenig eingreifen, verspricht sie.
Führungen für größere Gruppen, um im UW die Technik zu erklären, wären sicher sinnvoll, gibt Gulich zu. Doch die seien sehr schwierig zu organisieren. Die Sicherheit hat hier sehr hohen Stellenwert. So müssen die Mäharbeiten dreimal im Jahr mit speziellen Geräten durchgeführt werden, damit der Abstand zur Hochspannung gewahrt bleibt. "Selbst die Feuerwehr darf nur auf`s Gelände, wenn Personal dabei ist", erläutert Siegfried Geißelbrecht. Das sei zwar unter der Woche in Form von einer oder zwei Personen gegeben. Ansonsten aber werde das UW komplett von Dachau aus, der bayerischen Tennet-Koordination, ferngesteuert.
Und was soll mit der bisherigen UW-Fläche geschehen, wenn Trafos und Schaltanlagen auf dem neuen Gelände in Betrieb sind? Roßtals Bürgermeister Rainer Gegner schreibt auf Anfrage: "Da das Gelände des aktuellen UW nicht im Eigentum des Marktes ist, und wir auch nicht wissen, wie die Eigentumsverhältnisse in Zukunft sein werden, können wir hierzu keine Aussage machen."
Auch für Tennet-Pressesprecher Markus Lieberknecht ist "ist noch unklar, was insgesamt damit passiert. Aber die alte Fläche wollen wir selbst teilweise zu Lagerzwecken nutzen. Immerhin ist der Bahnanschluss bereits da." Und direkt daneben führt die S-Bahn- und IC-Strecke Nürnberg - Ansbach vorbei.