16.03.2018
RWEonInnogy: Wohin die Reise nach dem Mega-Deal geht
Es sei der "kreativste Gestaltungdeal" der deutschen Industriegeschichte, tönte Johannes Teyssen, Chef von Eon, am Dienstag auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit RWE-Chef Rolf Martin Schmitz, auf der beide den angeblichen Superdeal zwischen ihren Unternehmen erläuterten. Die Transaktion bündle „die Stärken der beiden früher vertikal integrierten deutschen Versorgungsunternehmen und ermögliche die Fokussierung auf Netze und Kundenlösung einerseits, sowie auf ein voll diversifiziertes Erzeugungsgeschäft andererseits“. „Wir tauschen Beteiligungen untereinander“, so Teyssen weiter, "Geld spielt unter uns keine Rolle" (*). RWE und Eon wollen also zukünftig nicht mehr Konkurrenten sein, sondern im Gleichschritt marschieren.
Damit entsteht ein mächtiges Energiekonglomerat, das trotz der Beteuerungen, es handle sich um ein „reines Finanzinvestment“ einer „kalten“, sprich verdeckten Fusion gleich kommt. Es ist aber nicht alleine die schiere Größe, die ins Auge sticht, sondern die Zielrichtung auf systematische Arbeitsteilung. Vom Konkurrenten zum arbeitsteiligen Mitstreiter, könnte man diese Transaktion nennen. Die einstige Liberalisierung des Strommarkts, die vor allem in Deutschland vorangetrieben wurde, wird damit in großen Bereichen ad absurdum geführt. Ob damit das bisherige Konzept der Bad Bank endgültig zu Grabe getragen wird, bleibt aber unklar. Spötter könnten in dem Konstrukt auch RWE als eine Art Bad Bank sehen. Mit der mehr kommunal aufgestellten RWE wäre auch das Modell der zu sozialisierenden Verluste aus alten Technologien wie der Kohle besser durchführbar. Schließlich hatten beide Konzerne den Versuch gemacht, mutmaßlich verlustbringende und zukunftsweisende Unternehmensteile zu trennen. Das ist gescheitert, auch wenn Innogy mit allerhand Zahlenspielen noch einmal einen positiven Jahresabschluss 2017 zu Papier gebracht hat.
Im Rahmen der gemeinsamen neuen Strategie will Eon zum „Impulsgeber der dezentralen Energiewelt“ werden, während RWE ein „führendes europäisches Unternehmen für Erneuerbare Energien und Versorgungssicherheit“ sein will. Die Wortwahl klingt nach Energiewendesprech, ist aber tatsächlich das altbekannte Gegenteil der Energiewende: Ein möglichst zentralistisches System unter eigener Kontrolle. Hinter dieser Frontbegradigung steckt ebenso ein, wenn auch widerwillig akzeptierter, Ausstieg aus der Kohleverstromung. Allerdings zu Doppelkonzern-eigenen Konditionen und Zeitvorstellungen, das wird angesichts der Machtfülle des neuen Giganten deutlich. Wobei die Alternative zur Kohle nur zum geringen Teil erneuerbar, sondern vor allem Erdgas ist. Bereits 2016 wurden Eons "schwarze" Kraftwerke in das neue Unternehmen Uniper ausgegliedert. Zu Uniper aber hörte man auf der Pressekonferenz nichts.
Eon als zukünftiger "Energieinfrastruktur-Konzern" will sich mit seinem Fokus Netze darauf konzentrieren, die Fluktuation der Erneuerbaren dort aufzufangen und zu vermarkten. In den Netzen sollen „Flexibilitäten“ und flexible Lasten entwickelt werden. Netzausbau nach dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz, Demand Side Management und Smart Meters sind die wohlfeilen Schlagworte dieser Digitalisierung, deren Hauptplayer Eon werden will. Auf der anderen Seite soll RWE die Erzeugerebene beherrschen. Der Ausbau der Erneuerbaren wird wohl als Abhängige des Netzausbaus gesehen. Zum anderen sind energieeffiziente GUD-Kraftwerke das Mittel der Wahl. Vor allem auch, weil Eon der Platzhirsch in der deutschen Gaslandschaft ist.
Fasst man das zusammen, ergibt sich das Bild einer Langzeitstrategie, mit der die neuen Kompagnons den deutschen Energiemarkt unter Kontrolle bringen wollen. Oder anders formuliert: ihre alte Konzernpolitik der großen, zentralen Strukturen, so lange wie möglich aufrechterhalten. Trotzdem fallen gerade die Reaktionen von Kommunen, die bei RWE traditionell als Anteileigener stark engagiert sind, wenig positiv aus. Während Teyssen vom „größten Stadtwerk“ und 50 Mio. Kunden fabuliert, tun sich Stadtwerkevertreter „mit dieser Art Kundennähe“ schwer. Sie fürchten nicht nur um ihre Selbständigkeit, sondern sehen auch den Strich durch viele Jobs skeptisch. Den umschreibt ein Eon-Konzernsprecher übrigens folgendermaßen weichgespült: „Erste Berechnungen zeigen, dass maximal 5.000 von den deutlich über 70.000 Arbeitsplätzen - oder weniger als 7 Prozent - in der vergrößerten Eon von der Integration betroffen sein werden.“ Arbeitsplatzverlust heißt also neuestens „von der Integration betroffen sein“.
Gerade die Abtrennung des Erzeugergeschäftes und dessen Konzentration unter dem Dach der RWE ist ein Signal des Angriffs auf Bürgerenergie und deren Anlage in PV- und Windparks. Wenn der neue RWEON-Verbund nicht sofort auf die Nase fallen und dem Steuerzahler einen Scherbenhaufen vor die Füße werfen will, müsste er die Vielzahl der lästigen Konkurrenten schnellstens los werden. Ohne politische Hilfestellung wird das nicht möglich sein. Aber da haben die letzten Merkel-Kabinette ja bereits vorgebaut und auch die am heutigen Mittwoch inaugurierte Groko dürfte sich der lenkenden Hand der neuen RWEON nicht entziehen.
Dieser Deal kann aber nicht mal so am Stammtisch ausgekungelt worden sein: Er wurde sicher spätestens parallel zu den Jamaika-Koalitionsverhandlungen ausgearbeitet. Also während zwischen Schwarz-Gelb-Grün noch über Kohleausstieg und Klimaschutz geredet wurde. Auf liebe Art könnte man sagen: Es ist wieder der Geheimhaltung und der „internen Kommunikation“ zwischen Konzernvertretern und Bundeswirtschaftsministerium anheim gefallen. Und zwar bis heute. Auch wenn die Vorstände behaupten, „wir sind seit langem mit den relevanten Behörden im Gespräch“, antwortet ein Eon-Sprecher auf unsere Fragen „Seit wann ist Eon (sind die drei beteiligten Unternehmen) „selbstverständlich mit den relevanten Behörden im Gespräch“? Welche sind diese „relevanten Behörden“ im Detail? Wann wurde die Bundesregierung über den geplanten Zusammenschluss von Eon und Innogy informiert, und von welcher Seite?“ lapidar: „Dazu nehmen wir keine Stellung.“
Das Bundeswirtschafts- und Energieministerium beantwortet unsere Anfrage nach genau 24 Stunden: Das Ministerium wusste nichts, und außerdem sei das Bundeskartellamt die zuständige relevante Behörde. Aber ist das Bundeskartellam nicht ein Anhängsel des Ministeriums? Das Bundeskartellamt teilte uns wiederum telefonisch mit, auch erst am Montag, den 12.3. informiert worden zu sein. Dagegen bestätigt uns jemand, der bei Groko-Sitzungen dabei war, was wir schon vorher vermuteten: „Das Thema Konzernfusion war in den Verhandlungen kein Thema.“
Waren also nur einige wenige Spitzenpolitiker und Beamte eingeweiht? Das könnte dann vielleicht der Grund sein, warum die SPD eine ansonsten kaum überregional bekannte ausgewiesene Kohlefachfrau und Vertraute der Ex-Kohle-PR-Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen zur neuen Umweltministerin erkoren hat. Jedenfalls kam das Thema bei den Gesprächen von CDU/CSU und SPD gleich ganz unter die Räder. Und der lapidare Doppel-Satz „Wir gestalten den Wandel gemeinsam mit betroffenen Regionen: Einrichtung einer Kommission für Aktionsprogramm zur Erreichung des 40-Prozent-Ziels, zur Reduzierung der Kohleverstromung und zur Absicherung des notwendigen Strukturwandels“ auf Seite 17 des Groko-Vertrags erscheint plötzlich in ganz anderem Licht. Doch wer nicht so zurückhaltend sein will wie wir, kann auch klar und deutlich sagen: Konzerne und Regierungsparteien haben eine große Schmierenkomödie veranstaltet und ein ganzes Volk verarscht.
Matthias Hüttmann, Klaus Oberzig, Heinz Wraneschitz
(*) Dass Geld natürlich sehr wohl eine Rolle spielt, zeigen die Details der Vereinbarung:
Diese sehen vor, dass RWE ihren Innogy-Anteil von 76,8 Prozent an E.ON verkaufen und dafür folgende Gegenleistungen erhalten wird: (I) eine durchgerechnete Beteiligung von 16,67 Prozent an Eon im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung von Eon aus genehmigtem Kapital; (II) alle wesentlichen erneuerbaren Energieaktivitäten von Eon; (III) das Erneuerbare Energie-Geschäft von Innogy, sowie (IV) die Minderheitsbeteiligungen, die Eons Tochtergesellschaft Preussen Elektra an den von RWE betriebenen Kernkraftwerken Emsland und Grundremmingen hält und (V) Innogys Gasspeichergeschäft sowie den Anteil am österreichischen Energieversorger Kelag.
Des Weiteren sieht die Vereinbarung eine Zahlung von RWE an Eon in Höhe von 1,5 Mrd. € vor. Die Transaktion bewertet den von RWE an Innogy gehaltenen Anteil von 76,8 Prozent inklusive der unterstellten Dividenden der Innogy SE für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 von insgesamt 3,24 € je Aktie, die RWE weiter zustehen, mit 40 € je Aktie. Eon wird den derzeitigen Minderheitsaktionären von Innogy im Rahmen eines freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots den Kauf ihrer Aktien in bar anbieten.