15.09.2023
Nahwärme: Was lange währt, wird endlich wahr
Ein Bericht von Heinz Wraneschitz
Diese Woche fand das Richtfest der Nahwärmezentrale Markt Erlbach statt. Doch bis es so weit war, mussten viele Jahre vergehen.
Zeitprung: Der zweite Start 2017
Im Februar 2017 sind viele in Markt Erlbach in Mittelfranken hoffnungsfroh: Frühestens zur Heizperiode 2018 und spätestens 2020 soll der Innenort der 6.000-Einwohner-Marktgemeinde mit Ökoenergie erwärmt werden. Die Hoffnung, dass die zentral erzeugte Nahwärme über unterirdische Leitungen so zeitnah in die Häuser geführt werden könnte, liegt daran, dass ohnehin die Sanierung innerörtlicher Straßen anstand. „So können Straßensanierung und Nahwärme Hand in Hand gehen“, sprach Bürgermeisterin Birgit Kreß.
Dabei weiß die Ortschefin bereits: „Manche Dinge brauchen eben Zeit.“ Denn schon Jahre vorher, in ihrer ersten Amtsperiode hatte sie die Idee eines eigenen Wärmenetzes für den Innenort ins Spiel gebracht. Eine Mehrheit im Rat fand die Idee aber nicht.
2017 aber, Kreß ist wiedergewählt worden, scheint die Zeit reif. Der Saal der Rangauhalle ist gerammelt voll, als die Forchheimer Naturstrom AG und der Markt gemeinsam über das geplante Nahwärmenetz für die Rangaugemeinde informiert. Eigentlich kein Wunder, denn gerade im Innenort ist die Heiztechnik vieler Häuser bereits über 25 Jahre alt, also erneuerungswürdig. In einer Fragebogenaktion signalisierten 95 Prozent der Antwortenden Interesse an einem Anschluss.
Das lässt besonders Tobias Huter strahlen. Der befasst sich bei der Naturstrom AG mit der „Projektentwicklung kommunale Energiekonzepte“. Der Energiewendestammtisch des Ortes, der sich massiv für die Nahwärmeversorgung einsetzt, sei auf ihn zugekommen. Dann habe es beispielsweise Informationsfahrten zu Kommunen mit ähnlicher Struktur und Nahwärmeversorgungen gegeben, welche die Naturstrom AG schon ausgeführt hatte.
Konkret solle die Erlbacher Nahwärme aus „einem möglichst hohen Anteil an solarthermischer Wärmebereitstellung“ sowie der „Nutzung von Abwärme aus Biogasanlagen oder Industrie“ stammen, erklärt Huter. So wie es beispielsweise in Hallerndorf bei Bamberg seit 2016 funktioniere: Dort liefere die (damals; d.Red.) größte Sonnenkollektoranlage Bayerns einen erheblichen Teil der Wärme. Grundsätzlich sei aber zusätzlich ein mit Holz befeuerter Wärmeerzeuger notwendig – Huter spricht von Pellets oder Hackschnitzel als mögliche Brennstoffe. Von dieser Heizzentrale aus müsse dann noch die Rohrleitung zu den zu beheizenden Gebäuden gelegt werden.
Die Häuser der meisten Interessenten liegen an Haupt-, Nürnberger, Ring-, Neuer Straße sowie Zennhäuser Weg, wie der Karte „Stand der Vorplanung“ zu entnehmen ist. Auch viele Gemeindeanwesen, von Schwimmbad über Rangauhalle, Rathaus, Bürgerhaus bis zu Mietshäusern sind laut der Bürgermeisterin als Kunden vorgesehen. „Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung dafür gibt es schon lange.“ Und die nun von Naturstrom errechneten Kosten scheinen wohl dazu zu passen.
Der Vorteil für die Hausbesitzer: Sie brauchen keine Heizung mehr im Haus, sparen sich Schlotfeger und Öltank genauso wie die Wartung. Deshalb rechnet Huter aktuell mit einer Ersparnis von 250 Euro jährlich für Hausbesitzer, die sich für Nahwärmeanschluss entscheiden. Frühestens zur Heizperiode 2018, spätestens 2020 soll das Netz in Betrieb gehen, verspricht er. Und wer noch nicht sofort Nahwärme will, könne wenigstens die Leitung bereits verlegen lassen. Ab sofort sammelt Naturstrom „Verpflichtungserklärungen“ für beide Varianten.
„Was passiert, wenn die Betreiber pleite gehen?“, fragt ein Zuhörer nach. In diesem - für Huter kaum vorstellbaren - Fall „ist vorgesehen, dass die Gemeinde Vorkaufsrecht hat. Doch dass es nicht mehr läuft, ist sehr sehr unwahrscheinlich.“ An dieser Betreibergesellschaft NatCon Nordbayern GmbH & Co. KG sei die Naturstrom AG aber nur zu 25 Prozent beteiligt, erklärt Huter. Als Mehrheitseigner sei die Eco Eco AG vorgesehen, eine Unternehmensberatung. Bei der wiederum sitzt Naturstrom-Gründer Thomas Banning auch im Vorstand.
Je nachdem, wo die meisten Wärmeabnehmer zu erwarten sind, werde letztendlich auch der Ort der Heizzentrale sein, erläutert Tobias Huter weiter. Die sich anschließenden müssen sich übrigens per 10-Jahres-Vertrag festlegen. „Länger geht rechtlich nicht“, heißt es von Naturstrom-Seite. Und wenn Gebäude verkauft werden, müssten die neuen Besitzer jeweils verpflichtet werden, den Abnahmevertrag fortzusetzen.
Zwischenschritt: 2018 fließt ein wenig Nahwärme
Tatsächlich fließt im Herbst 2018 bereits Nahwärme – aber im Wesentlichen ans Schulzentrum. Das steht nahe einer Container-Heizzentrale. In einer weiteren Informationsveranstaltung ist zu erfahren: 79 Vorverträge sind abgeschlossen. Es geht also weiter. Aber wann und wie genau? Alle sind gespannt. Denn der Innenort ist bereits seit längerer Zeit – und auch noch viele Monate danach – eine Tiefbaustelle. Nur nach und nach werden die einzelnen Straßen ans Leitungsnetz angeschlossen.
Ankündigung des doppelten Lottchens? Spatenstich für zwei Energiezentralen April 2022
Zwei Solarthermieanlagen, eine mit 1.060 und eine mit 1.600 Quadratmetern Kollektorfläche – die nach Firmenangaben dann größte in Bayern – sollen in den nächsten Monaten in Markt Erlbach entstehen. Dafür werden am 8. April 2022 mehrere Spatenstiche gesetzt, wetterbedingt nur symbolisch.
Auf diesen Starttermin für die Öko-Energiezentrale im Markt Erlbacher Neubaugebiet Kirchsteigfeld am Westrand des Ortsteils Eschenbach hatten Häuslebauende wie Offizielle offenbar sehnsüchtig gewartet. Alle Gebäude, die in der neuen Siedlung mit 74 Grundstücken entstehen, werden mit ökologischer Nahwärme versorgt. Diese Heizenergie stammt aus zwei Quellen: In einem Heizwerk werden Holzhackschnitzel aus der Region verbrannt. Im Sommer aber soll möglichst ausschließlich die Sonne die Energie für Heizung und Warmwasser liefern.
Für die Nahwärme gilt Anschlusszwang. „Ein solches System kann nur wirtschaftlich werden, wenn viele angeschlossen sind“, begründet Birgit Kreß die zuvor umstrittene Vorgabe. Doch die 1. Bürgermeisterin der Marktgemeinde gibt sich überzeugt: „Spätestens jetzt werden die letzten Zweifler umdenken müssen. Es ist wichtig, auf einheimische Energien zu setzen.“ Die aktuelle Gaskrise lässt grüßen.
Etwa 10 Cent brutto soll die Kilowattstunde Wärme kosten, ist zu hören. „Die Preise werden nicht davonziehen wie bei Öl, das im vergangenen Jahr um Faktor drei teurer geworden ist. Das passiert bei Holz nicht. Und bei Sonne schon gar nicht“, verspricht Thomas E. Banning, Gründer der Naturstrom AG. Die Firma sorgt für Bau und Betrieb der Wärmeversorgung.
Auch wenn – wie Thomas Banning zugibt – beim ersten Naturstrom-Projekt, dem Nahwärmenetz rund um die Hauptstraße in Markt Erlbach - „nicht immer alles optimal gelaufen“ sei: Das soll beim zweiten Versuch möglichst nicht mehr passieren.
Im Kirchsteigfeld jedenfalls sind die Rohre nebst Hausanschlüssen schon bei den Erschließungsarbeiten unter die Erde gekommen. Bis zur nächsten Heizperiode sollen Wärmezentrale und Solarwärmekraftwerk komplett fertiggestellt sein, die Wohnbebauung bis Ende 2023.
Apropos Solarkraft: Das Feld mit 1.060 Quadratmetern (qm) Kollektorfläche entsteht ein paar Meter vom Heizwerk entfernt auf einer Wiese südlich der Ortszufahrtsstraße. Der Platz ist bereits mit Pflöcken gekennzeichnet. Dazu will Naturstrom in wenigen Wochen mit dem Bau einer zweiten, mit 1.600 qm Kollektoren nach Firmenangaben gar größten Solarthermieanlage Bayerns beginnen: Markt Erlbach ist also auf dem klaren Weg zur Ökowärme-Metropole.
Letztere Solaranlage soll es gemeinsam mit einer neuen Heizzentrale möglich machen, dass weitere Häuser an das bestehende Nahwärmenetz im Kernort angeschlossen werden können. Aber auch das neue Netz in Eschenbach soll möglichst auf den dortigen Altbestand ausgedehnt werden. Dafür ist die Heizzentrale erweiterbar geplant, ein Hauptrohr in die ältere Siedlung bereits verlegt. Doch diese Versorgung sei erst machbar, wenn sich dafür entsprechend viele Abnehmer gefunden hätten.
Vor-Finale: September 2023
Sie „war schon manchmal kurz vor dem Verzweifeln“, gibt Markt Erlbachs 1. Bürgermeisterin Birgit Kress im Rückblick zu. Doch nun steht sie beim Richtfest der Energiezentrale des im und am Ortskern entstandenen Nahwärmenetzes. Und anlässlich des Termins freut sie sich sichtlich, dass Kommune und Bürgerschaft bald mit neuer Sonnenkraft und Holzenergie „gemeinsam für die Wärmewende“ eintreten können.
„Was kann man Schöneres bauen?“, fragt Geschäftsführer Ulrich Weidner von der Firma Natcon, die als Betreibergesellschaft fungieren wird. Deren „Mutter“ Naturstrom AG aus Eggolsheim bei Forchheim hat das Projekt gemeinsam mit der Marktgemeinde entwickelt. Seit einiger Zeit schon werden die etwa 150 an das 6.400-Meter-Leitungsnetz angeschlossenen Liegenschaften über eine Container-Energiezentrale mit Holzwärme versorgt.
Das neue, feste Gebäude entsteht auf einem Gelände, das die Honigfabrik Breitsamer & Ulrich der Betreibergesellschaft in Erbpacht überlassen hat. Auf dem Grundstück wird auch die mit rund 1.500 qm Kollektorfläche als „größte Solarthermieanlage Bayerns“ (Weidner) angekündigte Sonnenwärmeproduktion Platz finden. Der Grundstückseigner selbst warte bereits sehnlichst auf die von den Sonnenkollektoren auch im Sommer bereitgestellte Wärme für die Prozesse, ist auf der Baustelle zu hören.
Laut Ulrich Weidner werde der Betrieb der Energiezentrale und damit die Wärmelieferung „im 2. Quartal 2024 offiziell beginnen. Heuer werden wir die Kessel erstmals befeuern, und auch die Solarthermie wird heuer noch Wärme liefern.“ Dass das klappen könnte, ist beim Richtfest zu sehen: Die beiden, jeweils 100 Kubikmeter (m³) fassenden Pufferspeicher für das Heizungswasser stehen bereits neben dem Gebäude. Die Heizkessel und das 10 m² fassende Ausgleichsgefäß wurden innen von oben per Kran eingebracht, bevor das Obergeschoss geschlossen wurde. Und selbst die Schnecken, die einst das gehäckselte Holz zu den Kesseln transportieren sollen, sind schon montiert.
Parallel dazu entsteht im Neubaugebiet Kirchsteigfeld im Ortsteil Eschenbach eine ähnliche, wenn auch kleinere Nahwärmeversorgung mit Solarfeld und Holzheizung. Der Spatenstich für beide Projekte fand im April 2022 fand dort bei strömendem Regen statt. Beim Richtfest dagegen strahlt die Sonne vom Himmel. Dies nimmt wohl auch Bürgermeisterin Kreß als gutes Zeichen, dass der jetzige Nutzungsstand der Nahwärme nicht das Ende sein muss. Es sei zwar „schade, dass trotz der offenen Straßen viele nicht mitgemacht haben. Jetzt werden wir die Anlage erst einmal fertig bauen und dann um die Nutzung bei noch mehr Bürgern werben“, kündigt sie bereits an.
Denn mit der Fertigstellung würden hoffentlich die Ängste derer, die nicht daran glaubten, verschwinden. Sie habe jedoch von Anfang an an das Projekt geglaubt: „Die Gemeinde hat deutlich gemacht, wir schließen unsere Liegenschaften an. Und auch unser Privathaus ist angeschlossen“, verrät sie.
Dass der Bauherr nicht nur ökonomisch, sondern auch regional denkt, ist bei der Auswahl einiger Gewerke zu sehen: Beispielsweise sind Hochbaufirma oder Baggerunternehmen aus der Nähe. Und das Dach wird von der Zimmerei Heinlein aus Neustadt/Aisch errichtet. Polier Tobias Hufnagel lobt beim Richtspruch denn auch die Bauherrenschaft für diese Denkweise.
Ein ganz anderes Lob hat noch Naturstrom-Bauleiter Hans-Jürgen Dojan parat: „Mein herzlicher Dank gilt der Marktverwaltung, die sehr gut mitgearbeitet hat.“
Nach fast sieben Jahren Planungszeit „gibt es zwar noch viel zu tun. Aber wir sind absolut auf dem richtigen Weg“, befindet Natcon-Chef Weidner. Er wünscht der Nahwärme Markt Erlbach „für die nächsten 20 bis 30 Jahre allzeit viel Sonne und störungsfreies Feuer im Kessel“. Für sein mit viel Hoffnung verbundenes „was lange währt, wird endlich wahr“ gibt es kräftigen Beifall von den anwesenden Richtfestgästen.
PS: Im Ortsteil Eschenbach scheint zwar die Heizzentrale inzwischen ihren Dienst zu tun. Doch auch dort ragen bislang von der Solarthermie-Anlage nur die Leitungen aus dem Boden.