15.04.2022
Randthema Rohstoffwende?
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Regelmäßig weisen Vertreter:innen von zivilgesellschaftlichen Organisationen auf die Bedeutung einer Rohstoffwende hin. Eine Energiewende kann nur in Verbindung mit einer Rohstoffwende funktionieren. Das gilt vor allem für einen Großverbraucher von mineralischen Rohstoffen und Energierohstoffen wie Deutschland. Mit diesem Text geben wir Ihnen einen Einblick in das Thema.
Wie viele Rohstoffe wurden importiert?
Wie im jährlichen Bericht der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zur Rohstoffsituation nachzulesen ist, importierte Deutschland im Jahr 2020 insgesamt 387,4 Millionen Tonnen an mineralischen Rohstoffen und Energierohstoffen. Diese hatten einen Wert von 140,5 Milliarden Euro, inklusive Zwischenprodukten und nachgelagerten Produkten entlang der Wertschöpfungskette. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Importmenge um etwa acht Prozent (423,1 Mio. Tonnen) und der Wert um etwa ein Fünftel (173,9 Mrd. Euro). Die 387,4 Mio. Tonnen von 2020 umfassen: Energie (283,9 Mio. Tonnen, 65,7 Mrd. Euro), Metalle (75,5 Mio. Tonnen, 71,7 Mrd. Euro) und Nichtmetalle (28,0 Mio. Tonnen, 3,2 Mrd. Euro).
Welche Folgen haben Abbau, Verarbeitung und Nutzung von Rohstoffen?
Der Import metallischer Rohstoffe bedeutet auch eine Externalisierung der „Kosten für die durch den Abbau entstehenden sozialen und ökologischen Schäden in die rohstoffreichsten Regionen der Welt“, argumentiert das Netzwerk AK Rohstoffe. Das ist eine Gruppe deutscher Nichtregierungsorganisationen, die sich nach eigenen Angaben „für Menschenrechte, soziale Standards und Umweltschutz entlang metallisch-mineralischer Rohstofflieferketten einsetzt“. Wie dieser Arbeitskreis erläutert, steht der Import bestimmter Rohstoffe „nachweislich häufig in Zusammenhang mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen und einer enormen Umweltzerstörung“. Konkret nennen diese Organisationen: Platin aus Südafrika, Eisenerz aus Brasilien, Kupfer aus Peru und Kobalt aus der Demokratische Republik Kongo. Die Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten warnen, dass der metallische Rohstoffbedarf absehbar steigen wird, und fordern deshalb eine grundlegende Wende in der Rohstoffpolitik. „Allein mit mehr Effizienz, besseren Recyclingsystemen, neuen Technologien und guter Regierungsführung sind diese Probleme nicht in den Griff zu bekommen“ schreiben sie in einem aktuellen Debattenbeitrag („12 Argumente für eine Rohstoffwende“). Eine der Forderungen lautet, dass Rohstoffe aus Wiederverwertung gegenüber bergbaulich gewonnenen Rohstoffen bevorzugt werden sollen. Somit soll der Primärrohstoffverbrauch sinken. Eine weitere: „Es muss unmöglich sein, durch den Kauf eines Produktes in Europa indirekt Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung in anderen Ländern zu unterstützen“. Diese Zielvorgabe soll ihrer Meinung nach erreicht werden indem zukünftig alle Rohstoffe, Produkte und Vorprodukte unter höchsten ökologischen und sozialen Standards abgebaut, genutzt und weiterverarbeitet werden.
„Rohstoffsupermächte“ aufgrund der ungleichen Verteilung
Auf die Ungleichheit bei der weltweiten Verteilung von metallischen Rohstoffen analog zu fossilen Brennstoffreserven machte vor kurzem „The Economist“ aufmerksam. Die Autoren stellen die These auf, dass der Übergang zu sauberer Energie neue „Rohstoffsupermächte“ hervorbringen werde. Anhand eines Szenarios für das Jahr 2040 und mit dem Fokus auf die Metalle Aluminium, Kobalt, Kupfer, Lithium, Nickel, Silber und Zink haben sie Prognosen formuliert. Demnach sollten Australien, Chile, China, die DR Kongo, Indonesien und Peru zu den „Gewinnern“ zählen. Im Gegensatz dazu prognostizieren sie Verluste von bis zu einem Fünftel für die jetzigen ölreichen Länder wie Algerien, Ägypten, Angola, Nigeria, Großbritannien und Norwegen.
Sorgfaltspflichten und EU-Vorgaben
Aufgrund der erwarteten hohen Nachfrage unter anderem für Bauxit, Kobalt, Lithium oder Nickel, ist damit zu rechnen, dass mehr Minen errichtet werden. Auch vor diesem Hintergrund sind die aktuellen Gesetzesvorhaben auf EU-Ebene – die Richtlinienentwürfe für ein Lieferkettengesetz und eine Batterieverordnung – von großer Bedeutung für die zukünftigen Regelungen für Menschenrechts- und Umweltschutz.
Welche Rohstoffpolitik ist gefragt?
Ein informativer Debattenbeitrag ist auch die Bewertung des Koalitionsvertrags der Ampelregierung durch den AK Rohstoffe im Hinblick auf eine für eine Rohstoffwende erforderliche Rohstoffpolitik. Positiv bewerten sie, dass die Bundesregierung ein wichtiges Anliegen der Zivilgesellschaft aufgreife, indem sie die Senkung des primären Rohstoffverbrauchs und geschlossene Stoffkreisläufe als Ziele deutlich benennen. Auch das geplante Anreizsystem für eine umweltgerechte Entsorgung von Elektrogeräten und Lithium-Ionen-Batterien betrachten sie als positiv.
Aspekte, die laut dem Arbeitskreis jedoch noch fehlen, sind: das Stärken des Sekundärrohstoffmarkts, die Förderung das Reparaturhandwerks, ein Recht auf Reparatur, der Zugang zu bezahlbaren Ersatzteilen sowie weitere Maßnahmen mittels derer Stoffkreisläufe geschlossen werden können. Außerdem warnen sie, dass sich sozial-ökologischen Konflikte beim Abbau metallischer Rohstoffe weiter verschärfen würden, sofern nicht eine umfassende Mobilitätswende umgesetzt werde – und „Anzahl und Größe der Autos“ reduziert.