13.05.2022
Das Ende der Pyromanie
Ein kritischer Kommentar von Götz Warnke
Heizen mit Biomasse, insbesondere auch mit Holz, gilt heute als CO2-neutral, erneuerbar, und damit als umwelt- und klimafreundlich. Immerhin werden verschiedene Typen von Holzheizungen staatlich gefördert und verschiedene Biomasse-Verbände sitzen im Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE). Dazu kommt, dass Biomasse im öffentlichen Bewusstsein häufig mit (ein-)heimischer Energie gleichgesetzt wird, und so auch den durchaus zu Recht populären Narrativ der Energie-Autarkie mit bedient.
Kein Wunder also, dass es im Privatbereich eine Vielzahl von Holzheizungen gibt: Offene und geschlossene Kachelöfen, Kaminöfen mit und ohne Wassertasche, Heizungsherde vornehmlich in Ferienimmobilien kontrastieren als Einzelraum-Befeuerungen mit den verschiedenen Typen von Zentralheizungskesseln, die ganze häusliche Heizungsanlagen bedienen.
Alle diese Heizungen verwenden fast ausschließlich Scheitholz, Hackschnitzel oder Pellets als Heizmaterial.
An der Umweltfreundlichkeit von Holzheizungen gibt es seit eineinhalb Jahrzehnten fundierte Kritik, spätestens nachdem das Umweltbundesamt im Jahre 2006 das Hintergrundpapier „Die Nebenwirkungen der Behaglichkeit: Feinstaub aus Kamin und Holzofen“ publizierte. Sieht man sich die aktuellen Erhebungen der Europäischen Umweltagentur an, so hat sich in dieser Hinsicht kaum etwas verbessert; immer noch gibt es durch die Holzverfeuerung und die daraus resultierende Luftverschmutzung tausende Tote. Quelle der Luftverschmutzung sind vor allem die Einzelraum-Befeuerungen, die neben dem lungengängigen Feinstaub auch Ruß und polyzyklisch-aromatische Kohlenwasserstoffe emittieren. Was das Ausstoßen von Luftschadstoffen anbelangt, so sind Holzheizungen deutlich schlechter als die im Fokus der Kritik stehenden Gasheizungen. Völlig zurecht fordert daher die Deutsche Umwelthilfe (DUH) eine Filterpflicht für alle mit Holz betriebenen Öfen und Heizungen. Die könnte in diesem Fall wenigstens eine gewisse Abhilfe schaffen.
„Aber zumindest klimaneutral sind die Holzheizungen doch, nicht wahr?“, lautet dann häufig die Frage der an dieser Heizungsform Interessierten. Doch auch dies leider nicht richtig.
Nur das wenigste Holz wird geschlagen, vor Ort getrocknet und auch vor Ort verbrannt. Meist wird das Holz erst zum Abnehmer (= Verbrenner) transportiert: aus dem Forst zum Kaminbesitzer, aus dem Sägewerk über das Pelletwerk und den Pellethändler zum Abnehmer. Hackschnitzel werden oft gleich in den Forsten durch große Maschinen zerhackt, bevor sie abtransportiert werden können. Pellets werden aus aller Welt in die EU importiert, und die Grillkohle, mit der wir im Sommer unsere Grills anheizen, stammt überwiegend aus Polen, Paraguay und der Ukraine. Noch weiter sind z.B. die Transportwege, wenn die Grillkohle aus Tropenholz besteht.
Da praktisch in allen der oben genannten Fälle der Transport – und ggf. die Verarbeitung – mit nicht CO2-freien Transportmitteln, Maschinen und Verfahren erfolgt, kann von einem geschlossenen CO2-Kreislauf nicht mehr gesprochen werden.
Dazu kommt ein zweites Problem: Zwar stimmt es, dass bei der Verbrennung von Holz nur das CO2 freigesetzt wird, welches zuvor in dem Baum/Strauch gespeichert wurde, und dass dieser Prozess prinzipiell einen CO2-neutralen Kreislauf von Wachsen, Verbrennen und wieder Wachsen darstellt. Aber dieses an sich richtige Argument vernachlässigt völlig den Zeitfaktor bzw. das Vorhandensein von Klimakipppunkten: Denn es geht heute primär darum, dass die zunehmende Klimaerhitzung bis spätestens 2045 gestoppt und auf einem Globaltemperatur-Anstieg von 1,5°C gegenüber der vorindustriellen Zeit „eingefroren“ wird. D.h., ein CO2-Ausgleich müsste bis 2045 stattfinden, aber so schnell wachsen Bäume wegen der Fotosynthese nicht, und ein CO2-Ausgleich bis 2100 durch einen in 80 Jahren ausgewachsenen Baum ist sinnlos, wenn 2050 durch einen zu hohen CO2-Anteil in der Atmosphäre das Klima kippt, die Polkappen abschmelzen, die Tundren vermehrt Methan ausgasen, und die Welt in ein galoppierendes Klimachaos übergeht. Es ist, als würde man sein Auto mit den tollen neuen Bremsen auch erst 5 Meter hinter der Betonwand zum Stehen bringen.
Das ist von der Wissenschaft längst erkannt und deutlich kommuniziert; immerhin haben sich 500 internationale Forscher in einem offenen, an die weltweiten Politiker adressierten Brief gegen die Holzverheizung ausgesprochen. Aber die Politik tut sich mit der Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse oft schwer; schließlich hegen viele Politiker:innen die Hoffnung, mit Biomasse/Holz den Klimakiller Kohle in Kraftwerken zu ersetzen, und so als umweltbewusste Volksvertreter Wählerstimmen zu ergattern. Das Kraftwerk Drax in England mit rund 2,6 GW an „erneuerbarem“ Strom spielt hier eine unrühmliche Vorreiterrolle. In Deutschland gibt es zwar bisher meist nur kleinere (Heiz-)Kraftwerke, aber doch einige weitergehende Gedankenspiele: in Hamburg sollte die Kohleverfeuerung für die Fernwärme ersetzt werden – durch Buschholz aus Namibia!
Dass die groß dimensionierte Holzverheizung ein klimapolitischer Unfug ist, wissen auch Politik und Kraftwerksbetreiber längst; ansonsten müsste man sich nicht mit Themen wie „Bioenergy with Carbon Capture and Storage“ (BECCS) beschäftigen. Denn CO2-neutrale Verfahren benötigen keine Kohlenstoff-Abscheidung.
Noch ein weiterer Punkt macht die Holzverbrennung klimafeindlich: Holz ist eben auch ein hervorragender Bau-, Werk- und Chemiegrundstoff. Als Baustoff kann er CO2-lastigen Beton ersetzen, als Werkstoff für z.B. Möbel CO2-lastige Stahlrohr-/Metall-Stühle, als Chemiegrundstoff (z.B. Lignin) Erdölprodukte, die mit sehr viel höheren – und damit energieintensiveren – Temperaturen erzeugt werden müssen. Wer aber das Holz stattdessen verbrennt, verbaut dies Wege in eine klimafreundlichere Zukunft.
Sicher, auch in Zukunft wird es Holzverheizung geben: belastete Althölzer in zentralen Biomasse-Heizwerken, Knickpflege-Material im dörflichen Umfeld, sowie beim Grundstücksbesitzer umgewehte Bäume und abgerissene Äste, die man im Gewächshaus über den Sommer gut trocknen und im Winter dann verfeuern kann. Aber dies werden alles Randphänomene bleiben. Biomasseverfeuerung als wichtiger Teil einer klimafreundlichen Energiewende hat dagegen keine Zukunft.
Anmerkung der Redaktion:
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