13.03.2020
Energy Sharing bietet neue Dynamik
Energy Sharing, wie sie die Erneuerbare-Energien Richtlinie II der Europäischen Union vom 11. Dezember 2018 vorsieht, ermöglicht neue Konzepte für Eigenverbrauch, lokale Partizipation und dezentrale Vermarktung von Ökostrom. Damit könnte die Energiewende wieder in Fahrt gebracht werden, so die Botschaft eines Fachdialoges "Neue Konzepte der EU für die Bürgerenergiewende", den das Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn) gemeinsam mit dem Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) am Mittwoch in Berlin durchgeführt hat. Im Mittelpunkt stand ein „Impulspapier Energy Sharing“ das vom Analyseinstitut Energy Brainpool erstellt worden war. Es zeigt, wie Energie-Gemeinschaften gemeinsam erzeugten Ökostrom regional teilen und verbrauchen können. Damit würden neue Anreize gesetzt, um möglichst viel des gemeinsam erzeugten Ökostroms auch vor Ort zu nutzen. Mit solch bürgernahen Konzepten ließe sich die Energieversorgung demokratisieren und die Netze entlasten, meint Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie. Sie erkennt darin für neue Bevölkerungsschichten einen „starken Treiber für eine konkrete Teilhabe an der Energiewende.“
Die Erneuerbare-Energien Richtlinie II (RED II), die Teil des Clean Energy Acts ist, definiert einen neuen Rechtsrahmen für Bürgerenergie. Dieser muss allerdings bis Mitte 2021 in Deutschland in nationales Recht umgesetzt werden. „Angesichts der offensichtlichen Vorteile ist es höchste Zeit, dass die Bundesregierung sich der Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie […] annimmt und der Energiewende neuen Schwung verleiht“, sagt dazu Malte Zieher, Vorstand des Bündnis Bürgerenergie e.V. Er sieht darin eine „Chance für eine Bürgerenergiewende 2.0“. Mit Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften (englisch Renewable Energy Communities, REC) könnte Ökostrom auch Menschen ohne eigene Erzeugungsanlage unmittelbar zugänglich gemacht werden. Und Marcel Keiffenheim, Aufsichtsrat im BBEn und Leiter Politik und Kommunikation bei Greenpeace Energy eG, ergänzt: „Mit dem Modell lässt sich z.B. die lokale Akzeptanz von Windenergieprojekten stärken“. Die Anwohnerschaft könnte sich an Windparks beteiligen und günstigen Ökostrom direkt aus „ihrer“ Anlage erhalten.
Auch die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) unterstützt das Impulspapier: „Unsere Energiegenossenschaften wollen ihre Mitglieder mit kostengünstigem Strom aus den eigenen Energieanlagen versorgen. Deswegen ist die Umsetzung des Energy Sharing ein Kernanliegen der Energiegenossenschaften bei der Umsetzung des EU-Energiepakets“, so Dr. Andreas Wieg, Leiter Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV.
Gegenwärtig haben Stromverbraucher nur zwei Möglichkeiten des Strombezugs. Sie können Strom aus einer selbst betriebenen Anlage verbrauchen oder ein Energieversorgungsunternehmen (EVU) übernimmt die Stromversorgung. Nach den Artikeln 21 (Eigenversorger im Bereich erneuerbare Elektrizität) und 22 (Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften) der EU-Richtlinie sollen in Zukunft zwei weitere Strombezugsmöglichkeiten auf dezentraler Ebene hinzukommen. Ein Stromverbraucher hat dann vier Möglichkeiten zum Strombezug: Energy Sharing, Nachbarschaftsstromhandel und Eigenversorgung auf dezentraler Ebene und Grundversorgung (bzw. einen Drittanbieter) auf zentraler Ebene. Teilweise lassen sich diese Bezugsmöglichkeiten auch kombinieren. Für den Endverbraucher sollte dabei die Komplexität bei der Wahl des Strombezugs gering gehalten und standardisiert werden, so jedenfalls die Vorstellungen von Greenpeace Energy.
Endverbraucher, die Strom über Energy Sharing beziehen, nutzen über das lokale Netz der öffentlichen Versorgung so viel Strom aus den Bürgerenergieanlagen-Anlagen wie möglich. Diese REC ihrerseits beschaffen erforderliche Restmengen und/oder verkaufen den eigenen Überschuss. Einzelne Endverbraucher müssen lediglich REC-Mitglied werden und angeben, dass sie zu einem neuen Lieferanten wechseln wollen, etwa zu einer Energiegenossenschaft oder einer Erneuerbare- Energien-Gemeinschaft. Denn diese REC ist den anderen EVUs gleichgestellt. Auch die Kombination mit Eigenversorgung ist im Rahmen des Energy Sharings möglich. PV-Anlagenbetreiber verbrauchen den Strom aus eigenen Anlagen, für den Reststrombezug kann Energy Sharing gewählt werden. Ähnlich der Eigenversorgung reduziert der Bezug von Nachbarschaftsstrom den residualen Strombezug.
Die Klimakrise, aber auch die wirtschaftliche Klemme, in die sogenannte Ü20-Anlagen geraten, die ab dem kommenden Jahr kontinuierliche aus dem EEG herausfallen, erfordern eine rasche und vollständige Umsetzung der EU-Richtlinie. Denn auch für diese Anlagen bzw. ihre Betreiber öffnet die EU-Richtlinie neue Existenzmöglichkeiten. Bislang hat die Bundesregierung noch keine wirtschaftliche nutzbaren Möglichkeiten eines Weiterbetriebs von Ökostromanlagen geschaffen. Sollte sich dies nicht ändern, würde der Bestand von Ökostromanlagen in Bürgerhand unaufhörlich abschmelzen. Übrig blieben nur Anlagen in Konzernbesitz, ein Zustand den die Mütter und Väter der Energiewende gerade beseitigen wollten. Auch wenn die Bundesregierung keine große Begeisterung für eine Umsetzung der EE-Richtlinie der EU zeigt, muss diese unbedingt erfolgen, so die einhellige Meinung der Teilnehmer beim Fachdialog.
Impulspapier Energy Sharing
Richtlinie (EU) 2018/2001 des EU-Parlamentes und des EU-Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Amtsblatt der EU)