13.01.2023
Revolution für Steckersolar?
Eine Durchsicht von Jörg Sutter
Den Ball ins Rollen gebracht hat vermutlich Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur: Kurz vor Weihnachten gab er auf Twitter ein vielzitiertes Statement ab und meinte darin: "Bei Balkon-Solarmodulen reicht nach BNetzA-Einschätzung ein einfacher Stecker, wenn zertifizierte Wechselrichter vorhanden sind. Für 2023 gilt der Neujahrsvorsatz: weniger Bürokratie dafür mehr Freude an der Energiewende bei BürgerInnen und Unternehmen".
Ein großes Ärgernis bei Steckersolar ist derzeit noch der oftmals von den Netzbetreibern geforderte „Spezial-Wielandstecker“, die Netzbetreiber berufen sich dabei auf den VDE. Dazu hat Müller angekündigt, sich für die Vereinfachung des Steckers (Nutzung des „Schukosteckers“) auch beim VDE einzusetzen. Als Reaktion des VDE kam zuerst eine trotzige Antwort: Müller und die BNetzA könnten sich ja am derzeit laufenden Normungsprozess beteiligen. Doch jetzt hat der VDE eine weitere, mehr zukunftsgerichtete Reaktion auf den Tisch gelegt: Er hat ein eigenes Positionspapier veröffentlicht, indem er Vorschläge zur Vereinfachung und Entbürokratisierung macht. Und die Inhalte erstaunen in positivem Sinne.
Die Inhalte der Positionspapieres
- Ausreizen der EU-Grenze von 800 Watt (statt bisher 600 Watt) für eine Bagatellgrenze. Schon seit Jahren hat die EU im europäischen Rechtsrahmen die 800 Watt festgeschrieben, das hätte schon längst in nationales Recht umgesetzt werden können. Jetzt käme das zwar spät, wäre aber trotzdem zu begrüßen.
- Der vorhandene Zählertyp soll egal sein und auch rückwärts laufen dürfen. Dieser Anreiz soll aber nicht den Smart-Meter-Rollout bremsen, sondern im Gegenteil beschleunigen, indem der Zählertausch kostenlos vorgenommen werden soll – was ja aber derzeit für den Smart-Meter-Rollout sowieso schon rechtlich gültig ist. Etliche Netzbetreiber, darunter auch große Flächennetzbetreiber, verlangen derzeit jedoch noch immer einen Zählertausch zu einem „normalen“ Zweirichtungszähler, der nicht im Rahmen des Rollouts erfolgt und daher dann auch vom Kunden bezahlt werden soll.
- Die Anmeldung von Steckersolar soll nicht mehr doppelt vorgenommen werden: Derzeit müssen Betreiber von Steckersolargeräten noch zwei Anmeldungen vornehmen: Zum einen eine (meist vereinfachte) Anmeldung beim zuständigen Netzbetreiber, zum anderen eine Eintragung bei der Bundesnetzagentur in das Marktstammdatenregister. Erstere kann aus Sicht des VDE entfallen, nur der Eintrag ins Marktstammdatenregister soll bleiben, die Netzbetreiber sollen Zugriff auf diese Daten erhalten.
- Die Einspeisung per „Schukostecker“ soll geduldet werden. „Der VDE bevorzugt die Installation durch das Fachhandwerk“, so das Positionspapier, der VDE rückt also von der bisherigen Position nur ein wenig ab. Und eine Duldung bedeutet womöglich keine allgemeine Freigabe, auch wenn natürlich Sicherheitsbedingungen berücksichtigt werden müssen. Duldung könnte auch zeitlich beschränkt verstanden werden und führt vielleicht auch zu Verunsicherung. Besser: Die Bedingungen zum Einsatz klar und nachvollziehbar festlegen und dann den Schulostecker für diese sicheren Fälle auch freigeben.'
- Für die Verwendung eines Steckersolargeräts sollen gemäß VDE die Hersteller auch auf die möglichen Risiken aufmerksam gemacht werden – dabei geht es dem VDE zum einen um die korrekte Spannungsabschaltung im Fehlerfall, aber auch um die Beschreibung der Installationsbedingungen und Hinweisen zur sicheren Anbringung in Bezug auf Befestigung, Statik und Vorgaben der Überkopf-Verglasung.
Was müsste nun konkret getan werden?
Doch so positiv das klingt – es sind erst einmal nur Vorschläge, die noch umgesetzt werden müssen. Dazu gibt das Positionspapier konkrete Hinweise, wie eine Umsetzung erfolgen könnte.
- Für die Anhebung der 600 auf 800 Watt müsste in der VDE-AR 4105 geändert werden, in der derzeit die 600 Watt als Grenze für Steckersolar angegeben sind.
- Für die Möglichkeit, das mit bestehenden Zählern zu Realisierung und den Rückwärtslauf zu genehmigen, müsste die Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV) geändert werden.
- Hier wäre eine Änderung der NELEV (Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweis-Verordnung) notwendig sowie eine Anpassung der AR 4105 und der technischen Anschlussbedingungen (TAB) der Netzbetreiber.
- Zur Zulassung des „Schukosteckers“ sind im Positionspapier Änderungen in der AR 4105 und der 0100-551 genannt. Genauso wichtig erscheint mir aber, dass die Netzbetreiber die Vorgabe des „Wielandsteckers“ parallel aus den Anmeldeformularen herausnehmen und damit direkt den Weg für die Anwender freimachen.
- zum Punkt fehlt hier ein Hinweis, was geändert werden müsste, leider gänzlich. Doch die Frage, welche Informationen zur Sicherheit die Hersteller an die Kunden und Interessenten weitergeben müssen, wird auch im aktuellen Normentwurf zu Steckersolar (unsere Newsmeldung vom 11.11.22) aufgegriffen, so dass hier nicht nochmals ein Hinweis notwendig ist.
Und wie geht es nun weiter?
Nun, ein Positionspapier ist erst einmal nur eine Ideensammlung und Meinungsäußerung und hat rechtlich nichts Verbindliches. Doch es ist unglaublich wichtig, dass dieses positive Signal kommt und nun auch hier Vereinfachungen in Aussicht gestellt werden. Wenn der Zuspruch nun groß genug ist (und der wird unserer Einschätzung nach so sein), dann kann der VDE gleich morgen die Änderung der von ihm zu verantworteten Regelungen angehen. Je schneller das passiert, desto schneller kann das dann auch in der Praxis genutzt werden und es dann wirklich für die Anwender von Steckersolargeräten spürbar einfacher werden.
Wir möchten am Rande auch noch kurz betonen, dass etliche der skizzierten Vereinfachungen von uns als DGS (aber nicht nur von uns) schon seit langem gefordert wurden. Etliche Vereinfachungen wurden auch von vielen Betreibern in der Vergangenheit schon „mit den Füßen“ umgesetzt – von der Nicht-Anmeldung bis zum Einstecken in die Schuko-Steckdose.
Noch ein Aspekt
Gerne werfen wir noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion, der auch von vielen Steckersolar-Betreiber derzeit nur mit einem Kopfschütteln hingenommen wird: Von vielen Netzbetreibern wird heute gefordert, dass die Betreiber einen Verzicht auf die EEG-Einspeisevergütung erklären. Bislang war das aus zwei Gründen auch für die Betreiber vertretbar: Zum einen konnten die Steckersolar-Wechselrichter technisch nicht die 70%-Regelung des EEG einhalten, weswegen eine Vergütung formal eigentlich ausgeschlossen war. Zweitens wären die wenigen Euros, die hier als Einnahmen zu verbuchen sind, auch noch zu versteuern gewesen.
Doch diese beiden Grundlagen sind nun entfallen: Die 70%-Regelung gibt es für Steckersolargeräte nicht mehr und auch Einnahmen aus kleinen privaten PV-Anlagen müssen nicht mehr versteuert werden. Damit ist eigentlich der Weg frei, um die Betreiber bürokratiefrei zu vergüten. Ja, es sind und bleiben bei einem Steckersolargerät nur wenige Euro pro Jahr, die eingespeist werden. Doch genau diese Kilowattstunden werden den Erzeugern derzeit nicht vergütet, die Netzbetreiber verkaufen diesen Strom aber direkt an den Nachbarhaushalt für 40 oder 50 Cent pro kWh weiter. Eine Frage der Gerechtigkeit, wie wir finden. Auch hier sollte nun schnellstmöglich eine Änderung der bestehenden Regelung vorgenommen werden.
P.S.: „Schuko“ ist ein eingetragenes Warenzeichen, darauf weisen wir an dieser Stelle gerne hin.