12.11.2021
Quo vadis Endlagersuche?
Ein Essay von Tatiana Abarzúa
Geräuschlos und ziemlich genau vor 61 Jahren, am 13. November 1960 ging das erste deutsche Atomkraftwerk in Betrieb. Das Versuchs-Atom-Kraftwerk Kahl (VAK) in Kahl am Main bei Aschaffenburg hatte die Leistung, die dem entspricht „was heute zwei Windmühlen hinbekommen", sagte der ehemalige technische Leiter des Reaktors, Werner Reiter, dem Bayerischen Rundfunk. So geräuschlos wie die damalige Inbetriebnahme scheint das Suchverfahren für die Einlagerung radioaktiver Abfälle abzulaufen. Wie wird es nun konkret weitergehen mit der Endlagersuche?
Wie nah möchten Sie an Ewigkeitslasten leben?
Die Möglichkeit, dass 2050 ein „Endlager“ in Salz-, Ton- oder Kristallingestein in unmittelbarer Nähe zum eigenen Wohnort errichtet wird, scheint die Gemüter in Deutschland kaum merklich zu bewegen. Doch wie soll sich die Zivilbevölkerung an diesem Verfahren beteiligen, wenn 54 Prozent der Fläche, also mehr als die halbe Republik, als Teilgebiete gemäß §13 Standortauswahlgesetz klassifiziert wurde? Das war das Ergebnis des Zwischenberichts Teilgebiete, den die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) Ende September letzten Jahres veröffentlicht hat (die DGS-News berichteten). Niemand fühlt sich direkt betroffen. Obwohl die BGE fest umrissene 90 Teilgebiete nennt, für die sie eine günstige geologische Gesamtsituation für die Lagerung hochradioaktiver Abfälle ermittelt hat. Diese bleiben somit in der aktuellen Phase des Standortauswahlverfahrens (Phase I).
Vor zwei Monaten endete die Fachkonferenz Teilgebiete, mit der Übergabe des Abschlussberichts an die BGE. Diese Ergebnisse muss das Unternehmen bei der weiteren Arbeit berücksichtigen. Nächstes Jahr wird die BGE einen Entwurf für die weitere methodische Vorgehensweise vorlegen, wie das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) auf der Webpräsenz mitteilt.
Für die 30.000 Generationen nach uns
Über den Standort soll der Bundestag 2031 entscheiden – der Zeitpunkt ist so laut Standortauswahlgesetz (StandAG) „angestrebt“. Diese Entscheidung wird somit die übernächste Legislaturperiode betreffen, den 21. Bundestag. Das Tiefenlager soll laut Gesetz den sicheren Einschluss der Radionuklide für eine Million Jahre gewährleisten können. Das sind 30.000 Generationen für eine Technologie, die von drei Generationen genutzt wurde und wird. Anstatt über dieses Lagersuchverfahren zu diskutieren, oder diejenigen der Nachbarländer wie die Schweiz oder Frankreich, übertreffen sich viele Schlagzeilen in der Aufmerksamkeitsökonomie der Medien mit einem vermeintlichen Comeback der Atomkraft. Oui, die COP 26, Macron - he said it again, Atomstrom und klimaneutral in einem Satz. Freshe Wiederbelebungsphantasien für eine Risikotechnologie, sei es in Frankreich, Rumänien oder Argentinien. Doch all diese Kernenergiefans haben in den letzten sieben Dekaden weltweit noch keine Lösung für die radioaktiven Hinterlassenschaften geliefert. Auch Atomenergiebefürworter lehnen Atomendlager in ihrer Nähe ab, wie immer wieder zu beobachten ist. Auch aus diesem Grund ist es so wichtig, dass das Beteiligungsverfahren für die Standortsuche für ein Endlager verbessert wird.
Wie ist der weitere Zeitplan bei der Standortsuche?
Zum Ende der ersten Phase des Standortauswahlverfahrens wird die BGE dem BASE – die Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde in der nuklearen Entsorgung – die übertägig zu erkundenden Standortregionen vorschlagen. Das BASE wird diesen Vorschlag überprüfen und in diesen am Auswahlverfahren beteiligten Regionen jeweils ein Beteiligungskonzept aufbauen, das sind die Regionalkonferenzen. Diese sollen eigenverantwortlich arbeiten, sich selbst eigene Geschäftsordnungen geben, die die Anhörungen der Vollversammlungen regeln, und durch eigene Geschäftsstellen unterstützt werden..
Die geplante Phase II
Die Regionalkonferenzen informieren die Öffentlichkeit in den vorgeschlagenen Standortregionen, und beziehen sich auf die Interessen und Verfahrensschritte in der jeweiligen Region. Sie sollen aus einer Vollversammlung und einem Vertretungskreis bestehen. Hier wird es wichtig sein, alle Teilnehmenden fachlich auf einen Stand zu bringen. Die Vollversammlung wird bis zu 30 Vertreter wählen, die für drei Jahre berufen werden und zweimal wiedergewählt werden können. Diese Regionalkonferenzen haben das Recht Nachprüfaufträge an die Atommüllbehörde des Bundes, das BASE, zu richten, wenn sie einen Mangel in den Vorschlägen der BGE sehen. Sie können sich wissenschaftlich beraten lassen und Konzepte zur Förderung der Regionalentwicklung erarbeiten. Außerdem sind sie „bei der letztendlichen Standortvereinbarung zu beteiligen“, so die Festlegung im StandAG. Wenn eine Region aus dem Auswahlverfahren ausscheidet, wird konsequenterweise auch die dazugehörige Regionalkonferenz aufgelöst.
Dem übergeordnet, auf überregionaler Ebene, wird die Fachkonferenz Rat der Regionen tätig sein. Letztere soll sich aus Vertretern der Regionalkonferenzen und von Gemeinden, in denen bereits radioaktiver Müll gelagert wird (Zwischenlagergemeinden), zusammensetzen. Die Aufgabe der Ratsmitglieder wird es sein, die Prozesse der Regionalkonferenzen miteinander zu vergleichen und eine überregionale Perspektive zu schaffen.
Mit der Benennung der Standorte zur untertägigen Erkundung wird diese Phase enden. In Phase III wird ein abschließender Standortvergleich erfolgen und der Standortvorschlag. 2031 sollen dann die Bundestagsabgeordneten die Standortentscheidung treffen.
Der nächste Schritt Richtung echter Beteiligung
Nun steht zur Diskussion, wie eine effektive und transparente Beteiligung überhaupt aussehen soll. Es hatte sich bereits vor der Wahlkampfpause des Bundestags gezeigt, dass der Beteiligungsprozess „im StandAG nachjustiert werden“ müsse (wie DGS News berichteten).
An diesem Samstag soll das Beteiligungskonzept vorgestellt werden. Die Onlinekonferenz wird vom BASE, der Arbeitsgruppe Vorbereitung der Fachkonferenz Teilgebiete und dem Partizipationsbeauftragten durchgeführt. Die DGS News bleiben am Thema dran und werden nächste Woche davon berichten.