12.05.2023
Aiwanger macht viel Wind
Ein Sachstandsbericht von Heinz Wraneschitz
Wenn sich ein Minister fünf Stunden Zeit nimmt, dann muss es einen sehr wichtigen Grund geben. Für Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger scheint die Energiewende ein solcher zu sein. Denn kürzlich nahm er sich für den „Runden Tisch Energiewende Mittelfranken“ diese Zeit.
Für mehr Wind-, Sonnen- und Wasserkraftwerke will er sich massiv einsetzen. Quasi nebenbei informierte sich der Energie-Staatsminister über die seit vielen Jahren funktionierende Bioenergie-Wärmeversorgung der Lehranstalten Triesdorf: Das Fachzentrum für Energie und Landtechnik in Nordbayern wird über ein Wärmenetz beheizt, in das eine Biogasanlage und ein Hackschnitzelheizwerk die Energie einspeisen.
Auch dem Minister ist bewusst, dass gerade Windkraftwerken oder Photovoltaik-Freiflächenanlagen vielerorts „eine Vielzahl an Hindernissen im Weg stehen und die Umsetzung blockieren können“, darunter der lahmende Ausbau der Verteilnetze. „Wir wollen deshalb ein Problemlöser für die Städte und Gemeinden sein, um die dezentrale Energiewende voran zu bringen“, so Aiwanger. Deshalb hatte er jede Menge Betroffene und Problemlöser aus Kommunen, Behörden, Firmen und Organisationen des Bezirks eingeladen. Und etwa 100 Personen waren dem Ruf ins FORUM der Lehranstalten Triesdorf gefolgt.
Natürlich war der Bauernverband vertreten – Landwirte haben die Flächen für Wind- oder Sonnenkraftwerke in Wald und Flur. Gemeindetag, Kommunen, Landratsämter oder das Luftamt Nordbayern hatten Vertreter:innen geschickt genauso wie Firmen der Energiebranche. Bemerkenswert und positiv wurde allgemein gewertet, dass auch das Luftfahrtamt der Bundeswehr vertreten war. Denn von militärischer Seite wurden bislang in Genehmigungsverfahren immer wieder Bedenken gegen Windräder vorgetragen: „Die gefährden Tiefflieger und Hubschrauber“ oder „stören die Radarortung“, so zwei immer wieder zu hörende Pseudo-Argumente.
Am Ende der Sitzung gab sich Aiwanger zuversichtlich, dass es bei mehreren Problem-Projekten nun konkret vorangehen werde. So wurde besprochen, wie sich bei Ipsheim, dem östlichsten Weindorf im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim, die Auswirkungen von Windrädern auf die US-Hubschrauberflüge reduzieren lassen, oder wie ein interkommunales Windenergiegebiet rund um Schnaittach (Nürnberger Land) den zivilen Luftverkehr möglichst wenig beeinträchtigt. Bei Treuchtlingen (Kreis Weißenburg-Gunzenhausen) wiederum hindert die Leistungsfähigkeit der Stromnetze den Ausbau Erneuerbarer Energien (EE), weshalb über Regelung und Speicher für PV-Anlagen diskutiert wurde.
Im Gespräch mit den DGS-News gab Hubert Aiwanger zwar der „großen Politik“ – damit meinte er die Berliner Ampelregierung - wegen vermeintlicher „Verwirrmanöver“ eine Mitschuld am gebremsten EE-Ausbau. Gleichzeitig hoffte er, durch den neuen Paragrafen 2 im EE-Gesetz müssten Behörden allerorts umdenken: „Energie wird nun höher bewertet als Artenschutz – der war bislang ein KO-Kriterium. Bisher war der Rotmilan der Verhinderer von Windkraft, jetzt müssen die Behörden Wege suchen, sie zu ermöglichen.“ Aber wie lange es dauern wird, bis sich im letzten Landratsamt Bayerns diese Erkenntnis durchgesetzt hat, dazu sagte er nichts.
Andererseits gab der Minister aber sogar zu: In zuständigen Ämtern des Freistaats säßen „ideologische Wasserkraftgegner“, die selbst die Renovierung kleiner Wasserkraftwerke behindern würden. Sein Ministerium dagegen habe das Ziel, „bestehende Wasserkraftwerke (WKW) erhalten und verbessern sowie Pumpspeicher ausbauen“ ausgegeben. Er selbst habe sich massiv im Bundesrat für die Beibehaltung kleiner WKW als Teil der EEG-Förderrahmens eingesetzt, wie auch DGS-News berichteten. Aiwanger wörtlich: „Der Bund hat die kleine Wasserkraft schon im Sarg gehabt.“
Womöglich haben all diese Vorhaben mit einem Beschluss des Bayerischen Landtags zusammen. Der hat am 13. Dezember 2022 der Neufassung des bayerischen Klimaschutzgesetzes (BayKlimaG) zugestimmt, das seit dem 1. Januar 2023 gilt. Das grundsätzliche Ziel des BayKlimaG: Bayern soll „spätestens bis zum Jahr 2040“ klimaneutral sein. In seinem „Bayernplan Energie 2040“ hat der Verband der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft VBEW Bayern die dafür notwendigen „Wege zur Treibhausgasneutralität“ beschrieben. Bei den Erneuerbaren Energien bedeute das zum Beispiel „die wöchentliche Installation von Freiflächen-PV-Anlagen auf der Fläche von 50 Fußballfeldern und 2.800 Aufdach-PV-Anlagen mit einer Leistung von je 10 kW; bei der Windkraft müssen jede Woche im Mittel zwei neue Anlagen mit einer Leistung von jeweils 5,5 MW in Betrieb genommen werden.“ Die Zubaurate müssen demnach auf „mehr als das Fünffache des historischen Mittels“ steigen. Denn nur „der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist grundlegende Voraussetzung in allen Szenarien und hilft langfristig, die Strompreise zu senken“, hat der VBEW von namhaften Partnern errechnen lassen.
Doch von solchen gewaltigen, notwendigen Zubauraten war von Aiwanger zumindest gegenüber den Medienvertretern nichts zu hören. Stattdessen gab er freudig bekannt: „Heute haben wir eine Zusage der Versicherungen bekommen, dass bei Zäunen um PV-Anlagen der Rehdurchschlupf erlaubt wird.“ Eisenstäbe in engem Abstand sollen den Wildtierwechsel möglich machen. Ja, diesen Wunsch haben die Anlagenbetreiber schon lange. Bislang haben die Versicherungsverträge nur gestattet, dass kleinere Tiere wie zum Beispiel Kaninchen oder Hasen unter den Begrenzungszäunen durchschlüpfen konnten. Doch dass allein dadurch die Vervielfachung der Solarleistung nicht möglich wird, ist sicher auch dem Minister bewusst.
Auf jeden Fall kündigte Aiwanger an, bald in den anderen sechs Regierungsbezirken des Freistaats Veranstaltungen desselben Formats folgen zu lassen. Die Termine sind unserer Redaktion aber noch nicht bekannt. Vielleicht werden dort aber Antworten auf jene Fragen gegeben, die in Triesdorf offen geblieben sind.
Triesdorf als Umwelt- und Energie-Nukleus
In Triesdorf, einem Ortsteil der Gemeinde Weidenbach im Landkreis Ansbach, hat der Bezirk Mittelfranken seinen klaren Klimaschutz- und Energieschwerpunkt gesetzt. Vor mehreren Jahrzehnten begannen dort engagierte Lehrkräfte wie Johann Sedlmeier an den – damals noch landwirtschaftlichen – Lehranstalten, Nachhaltigkeit nicht nur in den Anbaumethoden, sondern auch in der Energieversorgung zu erkunden und den Lernenden nahezubringen. So gründete sich zum Beispiel schon 1987 unter Beteiligung des Bezirks Mittelfranken die MER, die Mittelfränkische Gesellschaft zur Förderung erneuerbarer Energien und nachwachsender Rohstoffe e.V..
Um die MER herum entstand auch das Netzwerk Erneuerbare Energien Westmittelfranken. Eindrucksvolles Beispiel dafür: Das „Fachzentrum für Energie und Landtechnik“ (FEL) mit dem „Forum für Energie und Landtechnik“. Mit den bezirklichen Einrichtungen vernetzt ist zum Beispiel der hier angesiedelte fränkische Teil der landwirtschaftlich orientierten Hochschule Weihenstephan-Triesdorf mit ihren Energieschwerpunkten.